Seine Gegner haben es Geert Wilders in den Niederlanden bestürzend leicht gemacht. Doch der Wahlkampf hält auch eine wichtige Erkenntnis für die Demokraten in Europa bereit, kommentiert Thorsten Fuchs.
Rechtsruck in den NiederlandenDer Triumph des Geert Wilders – ein Lehrstück für Europa
Welch eine Erschütterung. Man muss sich die Ideen des Geert Wilders noch einmal kurz anschauen, um die Bedeutung dessen zu ermessen, was sich am Mittwoch in den Niederlanden zugetragen hat. Der Veteran des europäischen Rechtspopulismus will die Grenzen für Asylbewerberinnen und -bewerber schließen, aus der EU austreten und „keine islamischen Schulen, Moscheen und Korane“.
Klimaschutz ist für ihn des Teufels. Und was er von Meinungsvielfalt hält, zeigt ein Blick auf seine Partei: Dort ist er das einzige Mitglied. Vorsitzender, Schatzmeister und Delegierter in einem. Soviel zum Thema Demokratie.
Wilders musste für seinen Triumph nicht viel tun
Wilders, auch das gehört zu den ernüchternden Erkenntnissen dieser Wahl, musste für diesen Triumph gar nicht viel tun. Es genügte völlig, sich in den Fernsehduellen der letzten Tage in ein etwas sanfteres Licht zu setzen, statt wie sonst die harten Schlagschatten zu werfen – fertig war „Geert Milders“, so sein Spitzname in diesem Wahlkampf.
Er wolle Ministerpräsident „für alle Niederländer“ sein, versicherte Wilders – so überzeugte er viele, die Veränderung wollten, aber ihn bislang scheuten. Billiger war ein Wahlsieg selten zu haben.
Wenn nicht mit Wilders‘ politischem Geschick, so hat sein Sieg umso mehr mit der Schwäche seiner Gegner zu tun, vor allem der bislang regierenden rechtsliberalen VVD. In 13 Jahren Regentschaft hat es Mark Rutte, Spitzname Teflon-Mark, geschafft, alle Skandale (und es gab einige), an sich abgleiten zu lassen – die massiven Probleme des Landes, allen voran die Wohnungsnot und die Stickstoffkrise in der Landwirtschaft, löste er nicht.
Ruttes Nachfolgering stellte Migration ins Zentrum
Doch statt diese Themen in den Mittelpunkt zu stellen und überzeugende Konzepte für ihre Lösung zu präsentieren, stellte Dilan Yesilgöz, Ruttes Nachfolgerin als Spitzenkandidatin der Partei, die Migration ins Zentrum. So trat sie auf einem Feld an, das Wilders längst abgesteckte hatte – und auf dem er mit seinen Tricks leichte Siege erringen konnte.
Yesilgöz arbeitete sich lange an ihren anderen politischen Konkurrenten ab, dem grün-linken Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans und dem früheren Christdemokraten Pieter Omtzigt mit seiner neuen Partei. Als sie in den letzten Tagen vor der Wahl Wilders als wichtigen Gegner entdeckte, ihn attackierte, war der längst still vorbeigezogen.
So geht nun ein Gespenst um in Europa: das des niederländischen Ministerpräsidenten Geert Wilders. Um ihn zu verhindern, müssen sich nun vier seiner Gegner, von links bis konservativ, über tiefe Gräben hinweg zusammenraufen. Das wird dauern – und dabei mit all dem weiteren Stillstand, den es bedeutet, zunächst vor allem einem nutzen: Wilders.
Dabei hat diese Wahl auch eine nicht nur düstere Botschaft: Der zweite Wahlsieger, neben Wilders, ist Pieter Omtzigt – der als penibler Sachpolitiker, Skandalaufdecker und Fleisch gewordener Antipopulist mit seiner neuen Partei aus dem Stand 20 Sitze errang. Geert Wilders aber hat der Anleitung für rechtspopulistische Wahlerfolge in Europa ein lehrreiches Kapitel hinzugefügt. Die AfD, die Wilders sogleich gratulierte, wird es sehr genau lesen.