Kommentar zur AtomkraftVon der Leyens Green Deal ist Etikettenschwindel
Still und heimlich hat Ursula von der Leyen am letzten Tag des vergangenen Jahres auf den Knopf gedrückt. Das von der EU‑Kommissionspräsidentin versendete Dokument hat es in sich: Atomkraft und Erdgas sollen – wenn auch nur zeitlich befristet – als nachhaltige Technologien eingestuft werden.
Die Art und Weise der Bekanntmachung des Entwurfs passt zum monatelangen Gezerre hinter den Kulissen um die „Taxonomie“ genannte Nachhaltigkeitseinstufung der EU von Branchen und Technologien. Sie ist erheblicher Teil des Green Deals, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Von der Leyen verglich das ehrgeizige Vorhaben Europas mit der Landung auf dem Mond. Wie es jedoch im Moment aussieht, wird der Green Deal eine Bauchlandung Brüsseler Art.
Zweifel an EU-Kommission unter von der Leyen
Denn das verlautbarte und das tatsächliche Vorgehen der EU‑Kommission lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass es die Behörde ernst meint mit dem Klimaschutz und dem zwingend notwendigen Bewusstseinswandel der Europäer.
Der bekannt gewordene Entwurf der Taxonomie wirft zunächst einmal die Fakten über Bord, dass das Atommüllproblem seit Jahrzehnten ungelöst ist und Erdgas als fossiler Energieträger riesige Mengen CO₂‑Emissionen verursacht. Dieses Signal könnte so verstanden werden: Wir haben Zeit beim Klimaschutz – nichts wird so heiß gegessen wie gekocht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.Verheerend ist die Beobachtung, wie der Klimaschutz Europa spaltet. Frankreich und osteuropäische Mitgliedsstaaten setzen auf die vermeintlich saubere Atomkraft und lassen damit zu, dass die nächsten Generationen mit dem strahlenden Müll belastet werden. Deutschland ist nicht viel besser, indem es mit Nord Stream 2 eine neue Erdgaspipeline nutzen will, um in den nächsten Jahren ordentlich CO₂ in die Atmosphäre zu blasen.
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Dass nun beide Seiten ihren Willen bekommen, ist kein Kompromiss, sondern sieht wie eine Kapitulation aus. Der Green Deal bekommt er den Charakter eines billigen Hinterhofbasars.
Es ist für den Übergang durchaus sinnvoll, Gaskraftwerke zu bauen, sie zeitweilig mit Erdgas zu betreiben und dieses nahtlos durch klimafreundlichere Energieträger wie etwa Wasserstoff zu ersetzen. Nur sollte dies auch plausibel und nachhaltig erklärt werden. Politik, das spüren die Grünen jetzt gerade deutlich, ist eben kein Wunschkonzert.
Grüne müssen Farbe bekennen
Es nützt niemandem, wenn immer weitere Politiker die Grünetikettierung von Atomkraft ablehnen. Da die Bundesrepublik hier Fakten geschaffen hat, lohnt sich die Debatte nicht. Doch beim Erdgas müssen vor allem die Grünen jetzt im wahrsten Sinne des Wortes Farbe bekennen.Denn anders als Olaf Scholz, dem die grüne Klimaaktivistin Luisa Neubauer vorwirft zu schummeln, hat die Partei Erdgas nicht als „Brückentechnologie“ der Energiewende im Repertoire. Es wird die erste Bewährungsprobe der Ampelkoalition.