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Kommentar zur Corona-PolitikWarum wir diese MPK abschaffen sollten

Lesezeit 3 Minuten
mpknacht

Nach 14-stündiger Verhandlung: Bundeskanzlerin Merkel und einige der Teilnehmer der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK).

Das Stilmittel der dramatischen Nachtsitzung ist ein Klassiker der politischen Verhandlungskultur. Ob Brüsseler Haushaltsmarathons, Koalitionsverhandlungen mit stimmungsvollen Balkonbildern, Kohleausstieg oder fast jede Tarifverhandlung seit Jahrzehnten – immer muss es ein „nächtliches Ringen“ sein, an dessen Ende ein „mühsam ausgehandelter Kompromiss“ steht.

Die Corona-Politik aber eignet sich nicht für dieses Spiel. In der Nacht zu Dienstag ging es nicht um ein Prozent mehr Lohn oder ein paar Jahre Restlaufzeit, es ging um den Alltag von uns allen in den kommenden Wochen und Monaten.

Die unglückliche Logik der Nachtsitzungen

Es ging darum, ob Deutschland an der Herausforderung der Pandemie scheitert – und um die Ostertage, für die ohnehin die große Mehrheit der Menschen keine Pläne mehr gemacht hat. Es ging um das ziemlich Kleine und ganz Große gleichermaßen: darum, ob Kieler eine Ferienwohnung auf Sylt buchen dürfen und um die größte politische und gesellschaftliche Krise seit Jahrzehnten.

Und da sind unsere Regierenden in der Nacht zu Dienstag krachend gescheitert. In der klassischen Logik der Nachtsitzungen ist am Morgen jedes Ergebnis gut, so lange man sich irgendwie geeinigt hat. In der Pandemiebekämpfung gilt diese Logik nicht.

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Was bleibt, ist das: Die Supermärkte in Deutschland werden vor Ostern einen Tag länger geschlossen bleiben. Und ein flehender Hashtag: #WirbleibenzuHause. Familienzusammenkünfte aber bleiben erlaubt.

Hektik am Mittwoch statt am Donnerstag

In der klassischen Logik der Nachtsitzungen fragt am Morgen niemand mehr nach dem Sinn. Hauptsache, es stehen dort Zahlen und die Symbolik ist gewahrt. In der Pandemiebekämpfung drängt sich die Frage auf, welchen auch nur symbolischen Wert es haben soll, dass sich die Deutschen für hektische Ostereinkäufe am Mittwoch statt am Gründonnerstag in den Läden drängen.

In der klassischen Logik der Nachtsitzungen bringt am Ende jeder etwas für sein Klientel mit. In der Pandemiebekämpfung hat diese MPK das einzige zerstört, was die Deutschen noch von dieser MPK-Show erwarten: Verlässlichkeit. Verpflichtende Schulschließungen bei Inzidenz 200: Geht nicht, weil Bildungsföderalismus. Also macht jeder seins, je nach Können oder Nichtkönnen und zum steigenden Unmut von Eltern und Lehrern.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bittet die Bürgermeister seines Hotspot-Freistaats, nun selber Lösungen vorzuschlagen. Vor der Konferenz drängten ihn die Kommunalpolitiker, die Notbremse auszusetzen. Und daraus soll nun verantwortliche, mutige, fähige Politik werden?

Und da wir gerade bei Unfähigkeit sind: Die Bundesregierung bleibt eine Woche nach Freigabe der Mallorca-Reisen untätig, lässt eine Ferienhausdebatte losbrechen, und während der MPK schafft es ein Verkehrsminister anscheinend nicht, mehr als eine Fluggesellschaft ans Telefon zu bekommen, um ein (seit einem Jahr überfälliges) Testprozedere für Rückkehrer abzustimmen.

Werden wir denn nur noch von Scheuers regiert? Und wo bleibt jetzt die Hoffnung? Regeln für Experimente mit Tests und Masken und Theatern ein Konzerthäusern und Stadien, wie es sie am Wochenende gab, wurden aus dem Beschluss gestrichen. Dabei hätten gerade solche kleinen Lichtblicke, verantwortlich eingesetzt, den Menschen eine Ahnung gegeben, wie es nach den Monaten des Missmuts weitergehen kann. Mit dem „verantwortlich eingesetzt“ ist es jetzt vorbei. Nun macht jeder seins.

Welche Shows auch immer dabei herauskommen: Diese Vorstellung einer Ministerpräsidentenkonferenz, die von kollidierenden Egotrips zerrissen wird, brauchen wir nicht mehr. Bekämpft statt dessen einfach die Krise.