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Kommentar zur ImpfpflichtEs kann eben nicht jeder machen, was er will

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Ein Mitarbeiter einer Klinik wird von einem Kollegen geimpft.

Berin – Es ist ein Appell, wie er auch für Deutschland notwendig wäre – und nicht erst in Tagen oder Wochen, sondern umgehend: „Wir dürfen keine Zeit (mehr) verlieren. Wir müssen faktenbasiert handeln. Wir müssen auf unser Gesundheitspersonal achten. Wir müssen Menschenleben retten“. Mit diesen dramatischen Worten richtete sich Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Wochenende an seine Landsleute.

Sicher, die 7-Tages-Inzidenz im Nachbarland liegt schon bei über 800. Doch es gibt viele Anzeichen dafür, dass die Entwicklung hierzulande nicht anders verlaufen wird.

Zusammenhang zwischen Impfrate und Infektionslage ist eindeutig

Bleiben wir bei den Fakten: In Spanien sind 88 Prozent der über 12-Jährigen immunisiert, die Inzidenz liegt bei 46. In Deutschland sind hingegen nur 76 Prozent dieser Altersgruppe geimpft. Die Inzidenz hat am Montag erstmals die Marke von 300 überschritten.

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Der Zusammenhang zwischen Impfrate und Infektionslage ist also eindeutig. Was in den kommenden Wochen ohne entschlossenes Gegenhalten passieren wird, auch: Die 16 Millionen Ungeimpften werden sich über kurz oder lang anstecken, nach derzeitiger Zahlenlage landen etwa 0,8 Prozent der Infizierten auf einer Intensivstation – das wären etwa 130.000 Menschen! Zur Erinnerung: Das Intensivregister weist gegenwärtig 2700 freie Intensivbetten aus, zusätzlich gibt es eine Notfallreserve von knapp 10.000 Betten.

Probleme der Geimpften und der Ungeimpften

Nun könnte das Problem abgetan werden als Angelegenheit der Ungeimpften. Sie wollen in Ruhe gelassen werden, sie wollen keine Vorwürfe mehr hören, sie wollen ihr (ungeschütztes) Leben leben. Das ist ihr gutes Recht, schließlich ist Deutschland eine Demokratie.

Es ist allerdings auch das gute Recht der Geimpften und der ungewollt Ungeimpften, ihr Leben sicher zu leben. Das funktioniert jedoch nicht, wenn zum Beispiel die Ansteckungsgefahr in Bussen und Bahnen durch Ungeimpfte steigt oder Krebsoperationen abgesagt werden müssen, weil die Mehrheit der Intensivbetten durch ungeimpfte Covid-Patienten belegt ist.

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit anderer verletzt wird

Eine Lösung: Die Ungeimpften verzichten in einer Patientenverfügung darauf, im Fall einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus behandelt zu werden. Doch abgesehen davon, dass vermutlich viele Ungeimpfte dann doch nicht so weit gehen würden, widerspräche das allen Grundprinzipien des Sozialstaates, Hilfebedürftigen auch in selbstverschuldeten Lagen beizustehen. Das heißt aber nicht, dass jeder machen kann was er will. Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit anderer verletzt wird. Das schließt mitunter auch die Notwendigkeit ein, die Bürgerinnen und Bürger vor sich selbst zu schützen.

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In der derzeitigen Lage müssen alle Register gezogen werden, um den Schutz beider Gruppen zu gewährleisten und damit Menschenleben zu retten. Die Ampel-Parteien hatten sich in einer rein juristischen Betrachtung der Pandemie verrannt und haben nun richtigerweise eine Kehrwende vollzogen.

Ampel geht wohl sogar noch weiter als große Koalition

Wenn SPD, Grüne und FDP jetzt flächendeckend 3G in öffentlichen Bereichen und am Arbeitsplatz vorsehen, tägliche Testverpflichtungen in Pflegeheimen, 2G bei vielen Freizeitaktivitäten und Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, dann gehen sie in einigen Bereichen sogar weiter als die Vorgängerregierung. Selbst eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ist im Gespräch. Zwar birgt sie das Risiko, dass das ohnehin knappe Pflegepersonal nun noch knapper wird. Aber ist eine Pflegekraft nicht ohnehin im falschen Job, wenn sie die Gefährdung ihrer Schützlinge bewusst in Kauf nimmt?

Ob bei all diesen Schutzmaßnahmen offiziell die „epidemisch Lage von nationaler Tragweite“ gilt oder nicht, ist im Übrigen völlig egal. Hauptsache, sie werden jetzt ins Gesetz geschrieben und scharf gestellt, und zwar schnell, flächendeckend und gut kontrolliert.