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Krise im Nahen OstenDie Gefahr eines neuen Krieges

Lesezeit 3 Minuten
Gaza Angriffe dpa

 Ein Blick auf die Trümmer einer zerstörten Fabrik nach israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen. 

Jerusalem – Die Hamas habe endgültig eine „rote Linie“ überschritten, heißt es in israelischen Sicherheitskreisen. Auf ihre sieben gen Jerusalem lancierten Raketen – Auftakt für anhaltenden Beschuss aus Gaza, dem seit Montagabend die Grenzgemeinden im Negev ausgesetzt sind – könne es nur eine Antwort geben: den militärischen Flügel der palästinensischen Radikalislamisten ein für alle Mal zu zerschlagen.

Es ist ein vielstimmiger Chor, der sich in Israel dafür stark macht. Aber das war er auch im Sommer 2014, als eine Serie beidseitiger gewalttätiger Ereignisse in einen verheerenden Gaza-Krieg mündete. Der dauerte sieben Wochen, kostete rund 2300 palästinensische und 72 israelische Menschenleben und brachte eine enorme Verwüstung über den verriegelten Küstenstreifen. Die Waffenlager der Hamas wurden durch israelische Luftangriffe und Bodenoffensive zerstört, was ihre Issedin al-Kassem geschwächt zurückließ – aber eben nicht am Boden zerschlagen.

Der damals geschlossene Waffenstillstand brach immer wieder mal ein. Aber ein neuer Krieg ließ sich in aller Regel dank ägyptischer Vermittlung meist in letzter Minute vermeiden. Um die sinkende Popularität der Hamas in Gaza nicht vollends zu verspielen, gab ihr Chef Jehije Sinwar dem Wiederaufbau Vorrang. Davon ausgehend zog es Israels Premier Benjamin Netanjahu vor, sich mit den Islamisten nicht weiter anzulegen, statt die vergleichsweise moderate Autonomieführung in Ramallah durch Verhandlungen aufzuwerten.

Komplexe Ausgangslage

Doch diesmal ist die politische Ausgangslage weit komplexer. Netanjahu ist nur noch Premier einer geschäftsführenden Regierung, nachdem drei ultrarechte Partner partout keine Koalition wollten, die auf Tolerierung durch die arabisch-israelische Kleinpartei Ra’am von Mansour Abbas angewiesen wäre. Jetzt ist das Gespann von Jair Lapid und Naftali Bennett am Zug, eine alternative Regierung zu bilden.

Auch sie brauchen als Mehrheitsbeschaffer arabische Stimmen. Am Montag war eigentlich geplant, bei einem Treffen mit Mansour Abbas eine entsprechende Vereinbarung festzuzurren. Der vielfach Umworbene ließ den Termin angesichts der Eskalation in Gaza platzen, „bis sich die Lage wieder beruhigt“. Abbas gilt zwar als Pragmatiker, kommt aber selber, wie auch die Hamas, aus der Moslembruderschaft.

Damit schwinden die Chancen eines Regierungswechsels in Israel, je länger sich die Kämpfe hinziehen. Insofern habe die Hamas „ironischerweise Netanjahu einen letzten Gefallen erwiesen“, kommentierte Amos Harel von der israelischen Zeitung „Haaretz“.

Für Mohammed Dief, Kommandant der Hamas-Brigaden, dürften ganz andere Gründe ausschlaggebend sein, warum er jetzt eine so nicht erwartete Konfrontation mit Israel riskiert. Er hat bei israelischen Attentaten auf ihn beide Beine und einen Arm verloren.

Gefahr einer dritten Intifada ist groß

Aber sein Machtwille scheint ungebrochen. Nach den von der PLO-Führung in Ramallah abgesagten palästinensischen Parlamentswahlen scheint es Dief darum zu gehen, auf seine Weise den Einfluss der Hamas im Westjordanland und Ost-Jerusalem auszubauen.

Bereits beim Aufflammen der Unruhen am Tempelberg, rund um die Al-Aksa-Moschee, war sein Name in aller Munde. Dass Dief sein „Versprechen“ hielt, die Israelis müssten angesichts ihrer Räumungsklagen gegen Alteingesessene in dem arabischen Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah „einen hohen Preis zahlen“, hat ihm unter jüngeren Palästinenserinnen und Palästinensern geradezu einen Heldenstatus beschert.

Das heißt noch nicht, dass eine dritte Intifada begonnen hat. Aber die Gefahr, tatsächlich in einen neuen Gaza-Krieg zu schlittern, ist groß. Und der geht, wie man aus Erfahrung weiß, immer und vor allem auf Kosten der unbeteiligten palästinensischen Bevölkerung in dem Elendsstreifen und auch auf die der israelischen Nachbarschaften.

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Israels Sicherheitsbehörden jedenfalls, die bis zum Jerusalemer Raketenalarm eher uneins über das taktische Vorgehen wirkten, geben sich nun entschlossen, den militanten Islamisten die ganz harte Faust zu zeigen, um die Übermacht ihrer Streitkräfte zu beweisen. Anders als in den letzten Eskalationsrunden spricht wenig dafür, dass die aktuelle schnell endet. Mohammed Dief könnte sich nicht nur zum eigenen Schaden politisch wie militärisch überschätzt haben.