- Lesen Sie hier die Hintergründe.
Von Gesundheitslatschen zur Modeikone: Birkenstock-Sandalen haben eine erstaunliche Wandlung hingelegt. International agierende Konzerne sind schon länger an Deutschlands größtem Schuhhersteller interessiert. Nun steht offenbar eine Übernahme bevor. Ein Finanzinvestor, hinter dem der französische Milliardär Bernard Arnault steht, will das Unternehmen aus Linz am Rhein für 4 Milliarden Euro kaufen.
Die Firma L Catterton nähere sich einer Vereinbarung mit der Familie Birkenstock, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Die Übernahme könne schon nächste Woche bekannt gegeben werden. Die Besitzer hätten sich für die amerikanisch-französische Beteiligungsgesellschaft entschieden, weil deren Manager Erfahrungen mit Konsumgüterherstellern in Familienbesitz hätten und Expansionspläne in Asien umsetzen könnten. Die Gesellschaft wird von Arnault kontrolliert, der zugleich als Großaktionär beim Luxuskonzern LVMH alle Fäden in der Hand hält – Catterton fungiert als Investmentarm der Gruppe, zu der Modemarken wie Luis Vuitton und Dior, zahlreiche Champagner-, Spirituosen- und Parfümmarken sowie Handelsketten wie Sephora (Kosmetik) gehören. Laut Bloomberg sind die Verhandlungen zwar in einem fortgeschrittenen Zustand, das Geschäft könne aber dennoch verschoben werden oder sogar komplett platzen.
Eine von Birkenstock beauftragte PR-Agentur teilte auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mit: „Wir sprechen in dieser Angelegenheit für Birkenstock, können den Sachverhalt aber nicht kommentieren.“Die Wurzeln des Sandalenherstellers reichen bis ins Jahr 1774 zurück. Damals gründete der Schuster Adam Birkenstock in Frankfurt am Main eine Firma, die bis zum heutigen Tag im Besitz der Familie ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es das Unternehmen ins Rheinland. Die Firma sitzt heute in Linz. Das Markenzeichen ist das orthopädische Fußbett, das aus Kork gefertigt wird. Seit Jahrzehnten sind die Sandalen beliebt bei vielen Menschen, die täglich lange Stunden auf den Beinen sein müssen.
Die offenen Schuhe aus Kork, Leder und Gummi waren in den 1970er Jahren ein Erkennungszeichen der Alternativkultur. In den USA wurden die Treter schon 1966 durch die Modedesignerin Margot Fraser eingeführt. Apple-Gründer Steve Jobs war einer der ersten prominenten Träger der Gesundheitssandalen. Der große Durchbruch kam zur Jahrtausendwende, als sich Supermodels mit Birkenstock-Schuhen fotografieren ließen – unter anderem gehörten Heidi Klum und Kate Moss dazu. Das Schuhwerk aus Linz kam in den vergangenen Jahren vielfach auf Laufstegen zum Einsatz – als eine Art Gegenthese zu Highheels.
Birkenstock sorgte in der Vergangenheit aber auch für Negativschlagzeilen: So kämpften frühere Geschäftsführer verbissen gegen die Gründung von Betriebsräten. Auch die Ungleichbezahlung von Frauen und Männern wurde erst 2012 durch heftigen öffentlichen Druck abgeschafft.Im vergangenen Jahr hat Birkenstock 24 Millionen Schuhpaare verkauft und damit Schätzungen zufolge rund eine Milliarde Euro umgesetzt und einen Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit von etwa 200 Millionen Euro gemacht.
Die Firma stellt mittlerweile auch konventionelle Schuhe, Strümpfe, Gürtel, Taschen, Naturkosmetik und Betten her. Anfang Februar teilte die Geschäftsführung mit, aufgrund der starken internationalen Nachfrage die Kapazitäten an allen Produktionsstandorten auszubauen. „Nie zuvor haben wir mehr Schuhe produziert. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um mit unserem Investitionsprogramm die Weichen für künftig noch weiteres Wachstum zu stellen“, sagte Vorstandschef Oliver Reichert.
Spekulationen seit Monaten
Gleichzeitig kursieren seit Monaten Spekulationen, dass die Familie Birkenstock, ihre Firma verkaufen will – viele traditionsreiche Familienbetriebe aus der Modebranche haben in der jüngeren Vergangenheit ihre bekannten Markennamen versilbert. LVMH hat bereits zahlreiche Firmen aus dieser Kategorie übernommen, wie beispielsweise den italienischen Kaschmirspezialisten Loro Piano. Der französische Konzern ist heute das wertvollste börsennotierte Unternehmen in Europa. Die Gruppe expandierte zuletzt vor allem in China. Und genau dort gibt es nach Einschätzung von Branchenkennern auch große Wachstumschancen für Birkenstock. Die Sandalen sind bei modebewussten Chinesinnen sehr beliebt.
An Birkenstock ist offenbar auch die luxemburgische Beteiligungsgesellschaft CVC interessiert. Als sich erste Mutmaßungen über einen Verkauf verbreiteten, war sogar von einem Preis in Höhe von 5 Milliarden Euro die Rede. Der Investor ist unter anderem der Haupteigner der Parfümeriekette Douglas. Laut Bloomberg könnten die Verhandlungen mit den CVC-Managern wieder aufgenommen werden, wenn sich der Verkauf an L Catterton zerschlagen sollte.