Nato schaltet in „Kriegs-Modus“London stellt sich auf noch mehr Krieg in Europa ein
- Die britische Armee wird bereits auf den Ernstfall, die Verteidigung des europäischen Kontinents gegen einen Angriff durch Russland, eingestellt.
- Im Nordatlantikpakt formuliert man zurückhaltender – stärkt aber die Ostflanke durch Erhöhung der Truppenpräsenz.
Für all jene, die glauben, „Putins Krieg“ sei ein regionales Ereignis im Osten Europas, mag das wie eine herbeigeredete Eskalation klingen. Der neue Generalstabschef der britischen Streitkräfte hat von seinen Soldaten die Vorbereitung auf einen Kriegseinsatz in Europa gefordert. Militärexperten sehen darin eher die Vorbereitung auf eine Realität, die sich nicht mehr leugnen lässt.
Auf weitere russische Aggressionen einstellen
Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine müsse sich Großbritannien auch auf weitere russische Aggressionen auf dem europäischen Festland einstellen, argumentierte General Patrick Sanders der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge. „Es gibt jetzt den dringenden Zwang, eine Armee aufzubauen, die in der Lage ist, an der Seite unserer Verbündeten Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen“, heißt es im Schreiben des Generalstabschefs, der seinen Posten am vergangenen Montag angetreten hatte. Der Generalstabschef ist der ranghöchste Soldat der britischen Landstreitkräfte.
Großbritannien bereitet sich damit auf den Ernstfall vor. Wie bereits zwei Mal im vergangenen Jahrhundert stellt sich das Vereinigte Königreich damit auf die Situation ein, dass seine Streitkräfte auf dem Kontinent im Verbund mit Alliierten gegen einen Aggressor in den Krieg ziehen müssen.
Das Wort mit den fünf Buchstaben wird vermieden
In Strategie-Papieren der Nato wird das Wort mit den fünf Buchstaben noch vermieden. Doch die Vorbereitungen im Bündnis auf einen drohenden Ernstfall, den bereits von russischen Politikern angedrohten Überfall eines Nato-Staates, sind überall spürbar. Ein Bündnis im Stresstest.
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Seit 2016 sind in Polen, Estland, Lettland und Litauen multinationale Gefechtsverbände in Bataillon-Stärke stationiert. Nach dem russischer Überfall der Ukraine wurden diese „EFP-Battlegroups“ vergrößert und Kampfverbände in Rumänien, der Slowakei, Ungarn und Bulgarien aufgebaut. Die Bundeswehr führt seit 2017 in Litauen die Nato-Battlegroup an. 1600 Soldaten insgesamt, davon mehr als 900 aus Deutschland. Gerade erst schickte das Verteidigungsministerium 350 weitere Soldatinnen und Soldaten.
Bundeskanzler Olaf Scholz versprach, die Battlegroup in „Richtung einer robusten Kampfbrigade“ weiterzuentwickeln. Eine Brigade umfasst im Regelfall 3000 bis 5000 Soldaten und Soldatinnen. Ein anderer Teil der Brigade wird seinen Standort in Deutschland haben. Die in Deutschland stationierten Soldaten sollen allerdings speziell für die Bedürfnisse Litauens und mögliche Bedrohungsszenarien in dem Land ausgebildet werden.
In einer in Erklärung von Scholz und Litauens Präsident Gitanas Nauseda hieß es, die verschiedenen Teile der Brigade werden „ein intensives und umfassendes Übungsprogramm“ mit den litauischen Streitkräften durchlaufen, um sich gemeinsam auf eine mögliche Verteidigung des Landes vorzubereiten und „Interoperabilität, Geschlossenheit, Wirksamkeit im Einsatz und die Fähigkeit zur schnellen Verstärkung zu verbessern und zu gewährleisten“. In Estland, wo Großbritannien die Battlegroup anführt, haben die Briten ihre Soldaten jetzt für weitere sechs Monate verdoppelt.
Neues strategisches Konzept der Nato in Planung
Auf dem für Ende Juni geplante Treffen aller Staats- und Regierungschefs des Bündnisses in Madrid soll das neue „strategische Konzept“ der Nato verabschiedet werden, wichtigstes Dokument des Nordatlantikpakts nach dem Gründungsvertrag. Auch darin wird von „Krieg“ keine Rede sein.
Doch das 2010 verabschiedete Papier, in dem man Russland noch die „strategische Partnerschaft“ anbot, wurde von der Aktualität sprichwörtlich mit Panzerketten überrollt. „Heute herrscht Frieden im euroatlantischen Raum. Die Bedrohung durch einen konventionellen Angriff auf das Gebiet der Nato ist gering“, hieß es da noch. Fest steht, dass die Bedrohung durch Russland im neuen Papier klar benannt und das Bekenntnis, jeden Quadratmeter des Nato-Territoriums schützen zu wollen, bekräftigt werde.
Für den Madrider Gipfel sind zudem die Regierungschefs aus Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland geladen. Vermutlich per Video wird zudem der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zugeschaltet.
Wie ernst es ihm mit dem Umbau der Allianz ist, demonstrierte Nato-Chef Jens Stoltenberg, indem er auch eigene Pläne um den Haufen warf: Von seinem ursprünglichen Plan, seinen Platz an der Spitze der Nato zu räumen, warf der Norweger über den Haufen – jetzt bleibt er bis Herbst 2023, hoffend, dass die Welt bis dahin eine friedvollere ist.