Der bange Blick auf den Rhein„Es ist viel schlimmer als 2018“
- Die anhaltende Trockenheit in Deutschland lässt auch die Pegel von Flüssen fallen. Vor allem der Rhein ist deshalb immer schwerer schiffbar.
- Unternehmen entlang des wichtigsten deutschen Wasserwegs werden immer rappeliger - und ausgerechnet die wegen des Ukraine-Kriegs wichtiger gewordenen Kohlekraftwerke fürchten um ihre Brennstoffversorgung.
Vom Rekordniedrigwasser 2018 sind die Pegelstände am Rhein derzeit noch ein Stück entfernt: Der Wasserstand ist zwar niedrig, aber fahren könne man auf Deutschlands wichtigstem Wasserweg durchaus, sagt Roberto Spranzi, Vorstand der Duisburger Binnenschiffer-Genossenschaft DTG. Dennoch findet er: „Es ist viel schlimmer als 2018.″ Denn das diesjährige Niedrigwasser trifft auf eine viel angespanntere Lage in der Binnenschifffahrt als damals, warnt Spranzi. Dabei ist klar, dass der Rhein nicht zum Rinnsal werden darf.
Über den Fluss wird ein beträchtlicher Teil der Kohlekraftwerke im Westen der Republik versorgt. Per Ad-Hoc-Mitteilung an der Energiebörse EEX warnte am Donnerstag Uniper, dass es im Kraftwerk Staudinger 5 bis September zu Unregelmäßigkeiten kommen könnte. Möglicherweise müsse im größten konventionellen Kraftwerk Hessens wegen Engpässen beim Kohlenachschub die Produktion gedrosselt werden, sagte ein Sprecher.
Konkurrent ENBW sieht das derzeit nicht kommen, wie das Unternehmen mitteilte. Wohl aber könnten zur Belieferung der Meiler an Rhein und Neckar nur noch kleinere Schiffe oder solche mit reduzierten Lademengen eingesetzt werden. Weil man frühzeitig Vorräte bei den Kraftwerken angelegt habe, verfüge man noch über hohe Bestände. „Mit dem Niedrigwasser steigen auch die Transportkosten pro Tonne, was wiederum die Einsatzkosten der Kohlekraftwerke erhöht“, betonte eine Sprecherin gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Dabei ist der Rhein derzeit durchgehend schiffbar, wie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes am Donnerstag mitteilte. „Auf dem gesamten Rhein sind die Schiffe derzeit mit weniger als der Hälfte der üblichen Ladungsmengen unterwegs.“, sagte aber Sprecherin Claudia Thoma dem RND. Insgesamt seien die Wasserstände derzeit auf einem für die Jahreszeit eher untypischen Niveau, für die kommenden Wochen sei mit leicht fallenden oder stagnierenden Wasserständen zu rechnen.
Vor allem der Pegel bei Kaub bereitet den Binnenschiffern Kopfzerbrechen: Die Engstelle nahe der Loreley müssen nicht zuletzt Schüttgutfrachter transportieren, die Kohle von den Seehäfen in Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen gen Hessen und Badem-Württemberg schaffen. Bei einem Pegel unter 40 Zentimeter wird es in Kaub problematisch, Rekordtiefstand waren 2018 25 Zentimeter. Derzeit sind es hingegen 55 Zentimeter. Die eigentliche Fahrrinne bei Kaub ist zwar tiefer, doch auch Thoma geht davon aus, dass die Zahl kleinerer Schiffe mit geringeren Tiefgängen noch weiter zunimmt.
Wie das gehen soll, fragt sich derweil Spranzi in Duisburg: Schon die letzten Monate seien für die Binnenschifffahrt das „totale Chaos“ gewesen. Wegen Engpässen auf Straße und Schiene sei etwa verstärkt Getreide per Binnenschiff unterwegs, auf ungewohnten Routen mit deutlich erhöhten Umlaufzeiten. Auch für die reaktivierten Kohlekraftwerke würden Kapazitäten gebraucht - während 50 bis 60 deutsche Schiffe an die Donau verkauft worden seien, um dort ukrainisches Getreide zu transportieren. „Anders als 2018 sind die kleinen Einheiten jetzt völlig ausgebucht“ sagt Spranzi.
Noch keine Gefährdung
Derart drastisch schildert es der Binnenschaftsverband (db) zwar nicht, doch auch hier blickt man dieser Tage skeptisch auf die Pegelstände: Eine Gefährdung der Versorgung von Kohlekraftwerken sieht Geschäftsführer Jens Schwanen zwar nicht, zusätzlich einsetzbaren Schiffsraum gebe es aber auch nicht. Wie die LKW-Spediteure und Bahn-Unternehmen litten die Binnenschiffer außerdem unter dem Fachkräftemangel. „Je nach Fahrtgebiet und je nach dem, wie lange die Trockenheit noch andauert, kann es durchaus eng werden“, sagt denn auch Schwanen.
Noch ist aber die Kohleversorgung nicht gefährdet, betonen auch der Verein der Kohleimporteure. Durch die gute Verfügbarkeit erneuerbarer Energien sowie den „erstaunlicherweise“ hohen Gaseinsatz bei der Stromproduktion sei zuletzt wenig Kohle verbraucht worden, sagt dort Jürgen Osterhage. „Das ist aber die Ruhe vor dem Sturm“, meint er. Bestimmt 30 Millionen Tonnen Kohle werden ihm zufolge ab September transportiert, um die Winterreserve der Kraftwerke aufzustocken. „Das wird quietschen“, ist Osterhage überzeugt.
Hohe Kosten
Wie groß die Probleme werden, wird dann auch vom Pegelstand des Rheins abhängen. Längst blicken auf den auch Experten bei der Deutschen Bank mit Sorge. Die Ökonomen erinnern die aktuellen Pegelstände durchaus an das Niedrigwasser 2018, wie es in einer Kurzstudie am Donnerstag heißt. Demnach dauerte das Niedrigwasser damals bis Anfang Dezember.
Der Studie zufolge hat das Niedrigwasser 2018 rund 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gekostet hat, umgerechnet etwa 7 Milliarden Euro. Verglichen mit der sich gegenwärtig abzeichnenden Wirtschaftskrise sei das zwar wenig, aber aufgrund der wiedergewonnenen Bedeutung der Kohlekraftwerke im Zuge der Energiekrise könnten die Schäden dieses Mal noch größer ausfallen, warnte DB-Ökonom Marc Schattenberg.