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Özdemir bei Anne Will„Ich traue Donald Trump alles zu“

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Cem Özdemir 021119

Cem Özdemir

Berlin – Am Freitag wurde bekannt, dass sich Donald Trump mit dem Coronavirus infiziert hat – genau einen Monat vor der US-Präsidentschaftswahl. Seither gibt es immer wieder neue Aussagen zu seinem derzeitigen Gesundheitszustand. Ist die Frage, wie es dem Präsidenten geht, überhaupt noch seriös zu beantworten?

Nein. Da sind sich die Gäste bei „Anne Will“ am Sonntagabend einig. Allgemeiner Konsens herrschte auch in der Annahme, dass eine Großveranstaltung im Rosengarten das Superspreader-Event in Trumps Regierungsstab war. Viel zu diskutieren blieb da in der Sendung nicht. Einzig ein Anwesender stellte sich der Gruppe entgegen.

„Anne Will“ am 4. Oktober: Über dieses Thema wurde diskutiert

Donald Trump hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Mit seinen 74 Jahren und seinem Übergewicht zählt er zur Risikogruppe. Welche Konsequenzen seine Erkrankung für die US-Präsidentschaftswahl in einem Monat hat, war zentrale Frage bei “Anne Will”. Dazu wurden verschiedene Szenarien besprochen, was in den nächsten Wochen auf die USA zukommen könnte und welche Auswirkungen diese auf Deutschland hätten.

So argumentierten die Gäste bei Anne Will

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier (CDU), sprach der Höflichkeit halber zunächst Genesungswünsche an Donald Trump aus. Unmittelbar darauf folgte der erste Seitenhieb. “Was mich wütend und ärgerlich macht, ist der Umstand, dass es Politiker gibt, die das verharmlosen und die so tun, als könnten sie diesem Virus die Stirn bieten. Das Gegenteil ist der Fall.” Das erfahre der US-Präsident gerade am eigenen Leib.

Ansonsten gab sich Altmaier während des Polittalks eher passiv. Etlichen Fragen wich er aus oder beantwortete diese nur mit bedeutungsarmen Inhalt. Ein Beispiel: Als ihn Anne Will fragte, ob er die US-Regierung nicht mehr für handlungsfähig halte, antwortet er, er hätte sich im Umgang mit der Pandemie Konsens innerhalb der G20-Staaten gewünscht.

Bundestagsmitglied Cem Özdemir (Grüne) gab sich bei „Anne Will“ deutlich freier in seinen Formulierungen im Gegensatz zu Altmaier. Da er selbst mit dem Coronavirus infiziert war, könne er keine Schadenfreude gegenüber Trump empfinden. “Es gehört sich keine Häme, es gehört sich Empathie. Wir sollten nicht die Methoden derer anwenden, die wir kritisieren.” Das hielt ihn aber nicht davon ab, Trumps Politik scharf zu kritisieren. “Ich traue diesem Mann alles zu. Er ist ein notorischer Lügner, dessen persönliches Interesse vor den Interessen des Landes geht”, antwortet er etwa auf die Frage, ob er Trump Wahlmanipulation zutraue.

Özdemir ging sogar noch einen Schritt weiter in seinen Anschuldigungen: “Ich glaube, Donald Trump ist so ziemlich das Gegenteil von Empathie und Mitmenschlichkeit. Da fehlt ihm genetisch was. Das erwarte ich nicht von ihm. Sondern ich erwarte von ihm, dass er alles dafür tun wird, die Wahl zu gewinnen.”

Rachel Tausendfreund, US-Expertin beim German Marshall Fund, nahm eine diplomatische Funktion in einer ohnehin kühlen Debatte ein. Sie ging verschiedene Szenarien durch, die in den nächsten Wochen durch Trumps Erkrankung auf uns zukommen könnten. Eine Herausforderung für das Wahlsystem in den USA wäre demnach ein schwerer Krankheitsverlauf und indessen Folge Trumps Rückzug aus dem Wahlkampf. Die rechtlichen Grundlagen dafür liefert zwar die Verfassung, wonach Mike Pence Trumps Platz einnehmen würde. Problematisch sei aus Tausendfreunds Sicht in einem solchen Falle eher: “Das ist ein Schock für die Partei, wenn man einen Monat vor der Wahl nicht weiß, wer der Kandidat sein wird.”

Roger Johnson, Vizepräsident Republicans Overseas in Europa, per Remote live zugeschaltet, hob sich als Einziger deutlich vom Konsens in der ganzen Debatte bei “Anne Will” ab. Wirklich ausufernd wurde er dabei dennoch nicht. Im Gegenteil. Johnson antwortete auf direkte Fragen ausnahmslos in weitem Bogen um das eigentliche Thema. Ein Beispiel dafür: “Ich persönlich finde es bedauerlich, dass es so gelaufen ist", lautete Johnsons Antwort auf Anne Wills Frage, ob das Verhalten von Trumps Stab bei der Veranstaltung im Rosengarten unverantwortlich gewesen sei.

In diesem vorhersehbaren Muster ging es fröhlich weiter in der Sendung. Konkrete Antworten erhielt die Moderatorin – die stehts um präzise und kluge Fragestellungen bemüht war – nicht von Johnson. Stattdessen verwies er völlig zusammenhangslos darauf, wie etwa das Wahlsystem in den USA grob funktioniere.

Die Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson war ebenfalls der Meinung, dass die US-Regierung aus verfassungsrechtlicher Sicht weiterhin handlungsfähig bleibe. In den USA gebe es das Phänomen, dass die Amerikaner bei Wahlen gerne mal aus Mitgefühl ihre Stimmen geben würden – gerade im Krankheitsfall oder bei einem persönlichen Verlust eines Kandidaten. Diese Gefahr sehe sie bei Trump aber nicht, “weil er Schwäche als Etwas Erbärmliches herunterstuft”. Daher rechne die Historikerin nun auch damit, dass ihm Sympathie entgegengetragen werde.

„Anne Will“ am 4. Oktober: Die Streitfragen des Abends

Immerhin etwas Dynamik erhielt der ARD-Polittalk, als die Anwesenden auf eine mögliche Wahlmanipulation aufgrund angeblich unsicherer Briefwahlen – so Trumps Argumentation – zu sprechen kamen. Sowohl Nelson als auch Tausendfreund betonten, dass es keine Indizien für Trumps willkürliche Behauptungen diesbezüglich gibt. Auch Özdemir sagte dazu, dass das schlicht erfunden sei. Johnson widersprach den anderen Gästen, ohne aber Argumente oder Anhaltspunkte zu geben. Anne Will selbst nahm schließlich dem Gespräch den Wind aus den Segeln, als sie Johnson fragte, warum er seit 14 Jahren per Briefwahl wählt, wenn der dieses Verfahren für manipuliert hält. Seine Antwort fiel knapp aus: Er wähle unter Anwesenheit von Zeugen.

Das Zitat des Abends bei „Anne Will“

Nelson sprach offen aus, dass sie Trump zutraue, er würde das Wahlergebnis im Falle einer Niederlage nicht anerkennen. In Bezug zum Thema manipulierte Briefwahl verwies die Historikerin auf eine Studie. Derzufolge machte der US-Präsident zuletzt viermal täglich auf die angebliche Manipulation aufmerksam. “Das hat System, dass Trump immer wieder auf Wahlmanipulation hinweist”, sagte Nelson.

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Direkt im Anschluss lieferte die Historikerin die steilste These des Abends, die während der Sendung leider nicht mehr überprüft werden konnte: Die “Operation Election Day”. Dazu hätten die Republikaner 50.000 Polizisten rekrutiert, die potenzielle “Falschwähler” – vor allem African Americans – vom Wählen abhalten sollen. Da die Demokraten aktuell 60 Prozent der Stimmen durch Briefwahl für sich gewonnen hätten, hätte es Trump daher auf dieses Verfahren abgesehen. (RND)