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Neue Rolle beim „heute journal“Dunja Hayali – der spektakuläre Aufstieg der ZDF-Moderatorin

Lesezeit 10 Minuten
Moderatorin Dunja Hayali steht bei einem dpa-Fototermin in den Räumlichkeiten des ZDFim Mainzer Stadtteil Lerchenberg.

Moderatorin Dunja Hayali steht bei einem dpa-Fototermin in den Räumlichkeiten des ZDF im Mainzer Stadtteil Lerchenberg.

Am Montag hat Dunja Hayali ihren Einstand als Haupt­moderatorin beim „heute journal“ im ZDF gegeben. Was ist das Geheimnis der 48‑Jährigen? Ein Porträt.

Und plötzlich sind sie dann manchmal ganz klein mit Hut, die Trolle, die Hetzer, die Internetvergifter: Da hat ZDF-Moderatorin Dunja Hayali – seit Jahren schon Zielscheibe endloser Shitstorms – einfach mal im gleichen Stil zurückgepampt. Und zwar heftig. Nach der Pöbelattacke eines Facebook-Users namens Emre („Dunja hayali du nutte warum so ein hass auf türken??“) schrieb sie im Angriffsmodus ironisch zurück: „Emre … du endgeiler Ficker warum so ein hass auf deutsche?? Ich wollt mal fragen ist Das eigentlich demokratie wenn du einfach leute anscheißt im netz und ihre timeline vollkotzt?“

Ergebnis: Emre meldete sich beim ZDF. Man telefonierte. Er gab sich zerknirscht und entschuldigte sich. Hayalis Fazit bei Facebook: „Seine Entschuldigung weiß ich sehr zu schätzen. Damit ist die Sache für mich erledigt. Und jetzt alle: cool down.“ Geht doch – von Mensch zu Mensch. Von Maschine zu Maschine dagegen: immer schwierig.

„Ich reagiere mit Humor, Sarkasmus, Fakten, Schweigen oder mit meinem Anwalt“

Eine kleine, unverhoffte Versöhnung also in einem Meer aus digitalem Unrat. Es sind solche Momente der Verständigung, die die 48‑Jährige als wichtigste Wirkung ihrer Arbeit versteht. Sie will nicht wissen, wer lauter brüllen kann. Sie will wissen, warum jemand denkt, wie er denkt. Was womöglich schiefgegangen ist. Woher genau der Hass kommt. Und wo man eventuell Brücken­fundamente setzen könnte. Also geht sie auch dahin, wo es wehtut: auf Pegida-Demos, auf AfD-Aufmärsche.

Gewiss gerät das Konzept Zuhören immer wieder an Grenzen. Man kann sich nicht ungerührt dauernd als „Vollhure“, „Systemnutte“, „Deep State Marionette“ oder „Stück Scheiße“ beschimpfen lassen und mildtätig stets auch die andere Wange hinhalten. „Ich reagiere häufig mit Humor, Sarkasmus, Fakten, Schweigen oder mit meinem Anwalt oder dem Justiziariat des ZDF“, sagte sie in einem RND-Interview. Doch das Ziel bleibt immer: zuhören. 550.000 Followerinnen und Follower hat sie auf Twitter. „Von Zeit zu Zeit ziehe ich mich aber auch von Twitter und Co. zurück. Danach kann es dann mit einem reflektierten, frischen, fröhlichen Kopf wieder weitergehen.“

Hayali im „heute journal“

Nun erreicht der unaufhaltsame Aufstieg der ZDF-Frau ein neues (Zwischen)Hoch: Hayali moderiert erstmals als festes Mitglied im Team der Haupt­moderatoren das „heute journal“ im ZDF. Schon von 2007 bis 2010 gehörte sie zur Mannschaft, damals noch als Co‑Moderatorin (im September 2010 war sie zum letzten Mal im „heute-journal“ zu sehen). Daneben wird sie weiterhin für das „Morgenmagazin“ und das „Aktuelle Sportstudio“ tätig sein. Rund 40‑mal im Jahr wird sie das „heute journal“ präsentieren. „Die besten Köpfe sollen unser Flaggschiff präsentieren und profilieren“, ließ sich ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten dazu zitieren – „jede und jeder mit dem eigenen Charakter“.

Dunja Hayali präsentiert am 20. Februar um 21.45 Uhr zum ersten Mal das ZDF-Nachrichtenmagazin „heute journal“ als neues Mitglied des Moderatorenteams.

Dunja Hayali präsentiert am 20. Februar um 21.45 Uhr zum ersten Mal das ZDF-Nachrichtenmagazin „heute journal“ als neues Mitglied des Moderatorenteams.

Es war ein langer Weg für sie durch die Mainzer Flure des ZDF, seit Claus Kleber damals auf die Mailbox sprach (und drei Telefon­nummern hinterließ), um sie ins Erwachsenen­fernsehen zu holen. Tags darauf traf man sich in Mainz und sprach zwei Stunden über „Gott und die Welt“. So einen wie Kleber, sagt die Frau, der allerhand Idioten neben diversen anderen Untugenden hartnäckig auch Männerhass unterstellen, werde es nicht wieder geben.

Hayalis Biografie überfordert viele Menschen

Hayalis Biografie überfordert viele Menschen. Sie zieht mit ihrem Schaffen von Selbsthass zerfressene Giftspritzen an wie Erdbeerkuchen die Wespen. „Ich habe Migrations­vordergrund, ich arbeite für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ich bin eine Frau“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Oft geht Rassismus auch Hand in Hand mit Sexismus, gerade wenn er von rechts außen kommt. Ich habe damit, seitdem ich beim ZDF bin, fast täglich zu tun.“ Auch Homophobie erlebe sie, sagte sie. „Das kommt natürlich auch mal: ‚Was will uns die Lesbe jetzt eigentlich dazu sagen?‘ und ‚Geh doch in dein Land, da würdest du gesteinigt werden‘.“

Aber natürlich will sie mehr sein als die Frau, die gut darin ist, Zorn auf sich zu ziehen. Und das ist sie. Zuletzt hat sie, nach vielen anderen Preisen, den neu geschaffenen Walter-Lübke-Demokratie-Preis in Hessen entgegen­genommen – benannt nach dem 2019 erschossenen Regierungs­präsidenten. Die Jury lobte ihren journalistischen Stil und ihren Mut, „gesellschaftliche Konfliktthemen offensiv anzugehen“. Ihre Trophäen­sammlung enthält unter anderem auch den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen, das Bundes­verdienst­kreuz am Bande und die Goldene Kamera.

Es sind Fragen, die sie interessieren, nicht blitzschnelle, vermeintliche Antworten. „Ich möchte als Journalistin verstehen, ohne Verständnis zu haben“, sagte sie dem RND. Dabei lässt sie Zweifel an sich selbst nicht nur zu, sondern macht sie auch öffentlich: „Bin ich Journalistin, Aktivistin, Bürgerin?“, fragt sie in einer Sky-Dokumentation aus der Reihe „Her Story“. „Bin ich die mit dem Hund, die mit der Haltung? Bin ich reflektiert, differenziert, leidenschaftlich, ungeduldig, jähzornig?“ In dem Filmporträt blättert sie in einem Familienalbum mit Kinderbildern der kleinen Dunja und wiederholt nicht weniger als elfmal das Wort, dass sie als das wichtigste ihrer Kindheit identifizierte: „Warum, warum, warum, warum, warum, warum, warum, warum, warum, warum, warum?“

Ruhrgebietspflanze mit irakischen Wurzeln

Warum also ist Dunja Hayali geworden, wer sie ist? Geboren wurde sie 1974 als Tochter von aus dem Irak eingewanderten Christen im nordrhein-westfälischen Datteln im Kreis Recklinghausen. Eine Ruhrgebiets­pflanze mit irakischen Wurzeln. Ihre Mutter ist chaldäisch-katholische Christin, ihr Vater ein syrisch-orthodoxer Christ. Die Tochter selbst war Katholikin und in der Jugend auch als Messdienerin aktiv, trat aber aus der Kirche aus. Bis ins Alter von 15 Jahren spielte sie Tennis auf Leistungs­sport­niveau. Ihr Idol in dieser Zeit: Boris Becker. Diese Leidenschaft habe sich „mittlerweile verflüchtigt“, sagte sie in einem Interview. Der Entschluss lautete dann: Wenn ich Becker schon nicht als Tennisprofi nahekommen kann, dann wenigstens als Sport­journalistin.

Also studierte Hayali von 1995 bis 1999 an der Deutschen Sport­hoch­schule Köln mit dem Schwerpunkt „Medien und Kommunikation“, absolvierte Praktika bei deutschen Radio- und Fernsehsendern. Seit 2007 präsentiert sie im Wechsel mit Kollegen das „Morgenmagazin“ und seit 2018 das „Aktuelle Sportstudio“, eine Weile auch ihre Talkshow „Dunja Hayali“.

Hayali ist völlig zu Recht nicht der Überzeugung, dass mit einer journalistischen Tätigkeit zwingend auch die Abkehr von Haltung und Grundwerten einhergehen muss, um sich bloß nicht dem Vorwurf der Voreingenommenheit auszusetzen. Es ist ein verbreitetes Miss­verständnis in Soziotopen mit eher eingeschränkter Medien­kompetenz, dass Journalisten gefälligst auf einen eigenen Kompass zu verzichten hätten und alles andere unzulässige, volks­pädagogische Übergriffigkeit sei. Kein Mensch jedoch ist eine Maschine, auch kein Journalist. Selbstverständlich ist es bei der Bewertung und Beleuchtung der Welt zulässig, eigene Moral ins Spiel zu bringen.

Hanns Joachim Friedrichs hat es nicht so gemeint

Oder doch nicht? Gilt nicht Hanns Joachim Friedrichs angebliches Verdikt, wonach Journalisten stets neutral zu bleiben haben? Man kann nicht oft genug daran erinnern: Friedrichs’ zu Tode zitierter vermeintlicher Satz („Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten“) ist eine Konstruktion. Als Quelle für das berühmte Bonmot gilt zumeist ein „Spiegel“-Interview kurz vor seinem Tod 1995. Die Interviewer fragten damals konkret, ob es ihn gestört habe, dass er als Moderator ständig „den Tod“ habe präsentieren müssen.

Friedrichs Antwort damals: „Nee, das hat mich nie gestört. Solche Skrupel sind mir fremd. Also, wer das nicht will, wer die Seele der Welt nicht zeigen will, in welcher Form auch immer, der wird als Journalist zeitlebens seine Schwierigkeiten haben. Aber ich hab’ es gemacht, und ich habe es fast ohne Bewegung gemacht, weil du das anders nämlich gar nicht anders machen kannst. Das hab’ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

Auch Journalisten sollen Haltung und Emotionen zeigen

Es ging also konkret um persönliche Gefühle angesichts von Kriegen und Katastrophen. Nicht um politische Haltung. Einer der Interviewer damals, Cordt Schnibben, schrieb 2018 bei Twitter: „Ich bin Transporteur dieses Zitats, weil ich damals am Sterbebett von Hanns Joachim Friedrichs diesen Satz gehört und nachgefragt habe. Er hat es eingegrenzt in einem sehr politischen, parteipolitischen Sinne: Also, wenn die SPD das Ehegattensplitting abschafft und ich als Moderator einer öffentlich-rechtlichen Newssendung find’ es gut, dann darf mir der Zuschauer das nicht anmerken. Daraus zu machen, dass ein Journalist quasi ein haltungsloser, emotionsloser Journalist sein sollte, dem man seine Haltung nicht anmerkt, ist eine Pervertierung.“ Er bedauere bis heute, schrieb Schnibben, dass er diese Nachfrage aus dem Interview gestrichen habe.

Zur Popularisierung des vermeintlichen Satzes hat – so hat es das Medienportal „Übermedien“ recherchiert – vermutlich ein übereifriger Lektor des Droemer-Verlags beigetragen, der ein entsprechendes Zitat eines Mentors von Friedrichs aus dessen Lehrzeit bei der BBC auf die Rückseite von Friedrichs Autobiografie druckte – das aber nicht von Friedrichs selbst stammte. In Wahrheit war auch Friedrichs ein Journalist mit politischer Haltung. Friedrichs taugt nicht als Kronzeuge der Anklage, wenn es um Vorein­genommenheit im Journalismus geht. Wichtig ist nur, kenntlich zu machen, wann Meinung ins Spiel kommt.

Kaum jemand ist so meinungsstark wie Hayali

Und das tut Hayali. Kaum jemand ist im deutschen Fernsehen so meinungsstark wie sie. Lupenreine Objektivität ist ohnehin ein Idealkonstrukt: wünschenswert, immer anzustreben, aber unmöglich zu erreichen. Wenn man ehrlich ist, verbirgt sich hinter dem Zorn auf angeblich einseitigen und „parteiischen Journalismus“ in aller Regel die Wut darüber, dass der eigenen Überzeugung widersprochen wird. Das gilt übrigens rechts wie links. Aber: Obwohl Friedrichs’ Satz so niemals galt (und Hayali sich ohne Zweifel gut selbst verteidigen kann): Die offensive Sicht- und Hörbarkeit ihrer politischen Positionen in ihrem journalistischen Wirken bringt zwangsläufig auch Miss­verständnisse mit sich. Als „heute journal“-Moderatorin wird sie sich mit allzu persönlichen Positionen zurückhalten müssen. Das Format ist keine Personality-Show.

„Ich bin unparteilich und fair, aber gern hart in der Sache“, versichert sie. „Woher der Ruf nach Objektivität immer herkommt, ist mir ein Rätsel. Niemand ist 100-prozentig objektiv.“ Jeder Mensch habe eine Prägung, eine Sozialisation. „Unsere Aufgabe ist es aber, sich das bewusst zu machen und so nah wie möglich an diese Objektivität heranzukommen.“ Eine Haltung stehe dem nicht im Weg. Sie sei schließlich, woran man sich innerlich festhält: an seinen Werten. „Wer mir daraus einen Strick drehen will, dass ich mich gegen Rassismus und Menschen­feindlichkeit, gegen Antisemitismus und Islam­feindlichkeit, für Humanismus und Pluralität äußere – der sollte sich selbst hinterfragen.“

„Es muss wieder positiv sein, Gutmensch zu sein“

Was sie besorge, sagt sie, ist das Verschwinden der Streitkultur, „dass Menschen keinen Widerspruch mehr ertragen und glauben, wenn man ihnen ein Argument entgegenhält, wolle man ihnen gleich die Meinungs­freiheit nehmen. Es geht nur noch um rechts/links, entweder/oder, Gleichgesinnter oder Feind, Ideologie oder Moral. Was ist mit Grautönen, dem Konsens, dem Kompromiss? Wir müssen lernen, mit Mehrdeutigkeiten zu leben.“ Es müsse, findet sie, „wieder positiv sein, Gutmensch zu sein“.

In Deutschland könne man sehr wohl auch als Journalistin gegen Rassismus und für Pluralität einstehen, sagt Hayali. „Mein Haupt­berichts­gebiet ist die Politik. Mit politischem Aktivismus hat meine Arbeit aber nichts zu tun.“

Die Ansprüche sind hoch

Ein paar Kratzer bekam ihr stringenter Aufstieg allenfalls, als das NDR-Medienmagazin „Zapp!“ 2018 über zwar legale, aber doch nicht unumstrittene Neben­tätigkeiten von Hayali berichtete. So trat sie gegen Honorar bei Firmen und Kongressen auf, etwa in Diensten der Glücks­spiel­branche, beim Pharma­unternehmen Novartis, bei BMW, beim Deutschen Beamtenbund und der Deutschen Stahlindustrie. Als freie Mitarbeiterin ist ihr das unbenommen, solange sie das ZDF darüber informiert (was sie tat). Sie wolle aber, sagte sie damals, ihre Arbeit außerhalb des ZDF „noch selbstkritischer prüfen“.

Denn sie weiß: Die Ansprüche an die Moderatorin eines öffentlich-rechtlichen Flaggschiffs wie dem „heute journal“ sind hoch. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Dunja Hayali diesen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden könnte.