Starkoch vor GerichtDer tiefe Fall des Alfons Schuhbeck
- Alfons Schuhbeck war Starkoch und als Wirbelwind überall zugange.
- Wegen Steuerhinterziehung droht ihm nun der Gang ins Gefängnis.
- An diesem Donnerstag wird das Gerichtsurteil erwartet.
Vornübergebeugt sitzt Alfons Schuhbeck auf dem Stuhl im Gerichtssaal 134 des Münchner Justizpalastes. Es ist Tag drei und Geständnis Nummer zwei im Steuerprozess gegen den Starkoch. Holprig liest er vom Blatt ab: „Mir ist bewusst, dass mir Gefängnis droht. Diese Vorstellung macht mir Angst.“
Eben hat der 73-Jährige eingeräumt, dass es noch mehr zu gestehen gibt als zwei Tage zuvor die Griffe in die Kasse seines einstigen Edelrestaurants Orlando am Platzl in München. Nein, die Anklage habe schon recht: Auch in Schuhbecks Südtiroler Stuben, ein paar Schritte vom Orlando entfernt, habe er sich über Jahre hinweg am Baren bedient und damit Steuern hinterzogen.
Bis dahin hatten seine Verteidiger noch versucht, an der Legende zu stricken, dass möglicherweise andere die Einnahmen gestohlen hatten. Schuhbeck könnte, so sein Anwalt Sascha König, „nicht Täter, sondern Opfer“ sein, „weil er betrogen wurde“. Diese Spekulation beerdigt Schuhbeck: „Es gibt keinen fremden Dritten.“
Ein Lebenswerk in Trümmern
Der durch seine vielen Auftritte im deutschen Fernsehen bekannte Koch, den sie gemeinhin „den Alfons“ oder „Fonsi“ nennen, ist am Ende. Er stehe „vor den Trümmern meines Lebenswerks“, sagt er, als Unternehmer sei er „gescheitert“. Warum Schuhbeck noch den Versuch unternommen hat, nur die Hälfte seines Betrugs zu gestehen, wird deutlich, wenn man auf die Rechtsprechung blickt. Laut Bundesgerichtshof ist bei mehr als einer Million Euro hinterzogenen Steuern eine Bewährungsstrafe nicht möglich, Verurteilte müssen in solchen Fällen ins Gefängnis.
Schuhbeck „verkürzte“, so der Fachbegriff in der Anklage, nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Steuer um knapp 2,4 Millionen Euro. Hätte ihm nur das eine Restaurant bewiesen werden können, wäre er womöglich – so muss seine Annahme gewesen sein – knapp unter der Million geblieben. Und hätte nicht in den Knast gemusst.
Nach einem großen und langen Aufstieg zu einer sehr bekannten Persönlichkeit betrachtet das Publikum in München und anderswo nun den tiefen, ja bodenlosen Fall des Alfons S., wie sein Name in der Anklageschrift abgekürzt wird. Zwischen 2009 und 2016 soll er das Geld aus den Kassen genommen haben, das ist ein langer Zeitraum. Mitangeklagt ist sein einstiger Computerexperte Jürgen W. Dieser hat vor Gericht zugegeben, ein Tool entwickelt zu haben, mit dem Schuhbeck Rechnungen aus dem Kassensystem löschen konnte – um dann die entsprechenden Beträge in Bargeld zu entwenden.
Schuhbeck – das ist die Geschichte vom Sohn einer sicherlich nicht wohlhabenden Familie in Traunstein im Chiemgau. Der Vater war bei der Post, erzählt er im Verfahren, die Eltern hätten nicht genug Geld für ein eigenes Haus und einen studierenden Sohn gehabt. Sie haben sich fürs Haus entschieden. Die ungeliebte Lehre damals zum Fernmeldetechniker schmiss er, lieber zog er mit seiner Rockband The Scalas durchs Land.
Nachname vom ersten Chef
Im Kurhausstüberl in Waging am See wurde der dortige Wirt Sebastian Schuhbeck auf den jungen Mann aufmerksam – nicht wegen dessen Gitarrenkünsten, sondern wegen seines Interesses am Kochen. Er adoptierte ihn als Sohn, bis dahin hatte sein Name noch Alfons Karg gelautet. Aus dem Kurhausstüberl machte Schuhbeck ein hochgeschätztes Gourmetlokal, in das es die Prominenz zog, Feinschmecker und solche, die das sein wollten – aus München, Oberbayern und dem Salzburger Raum.
Schon 1990 stellte ihn der Bayerische Rundfunk (BR) als jungen Kochstar vor. Die Moderatorin Carolin Reiber reiste nach Waging und ließ sich von ihm damals noch recht konventionell bekochen mit Ente, Blaukraut und Fingernudeln. Sein Geltungsdrang war da klar zu erkennen, er hatte schon Arnold Schwarzenegger und Mitglieder der Kennedy-Familie bekocht. Zuvor war er auf Wanderschaft gewesen zu Spitzenköchen in Salzburg, Genf, Paris und London. Den „letzten Schliff“ habe er, so erzählte er mal, beim Sternekoch Eckhard Witzigmann in dessen Münchner Aubergine erhalten.
In Waging am See wurde es Schuhbeck zu klein, 2002 zog er nach München ans Platzl, weltbekannt durch das ebenfalls dort gelegene Hofbräuhaus. Dort eröffnete er einen Betrieb nach dem anderen – die beiden Restaurants, einen Gewürzladen, Schubecks Kochschule.
Rechnungen sollen gefehlt haben
Der Gerichtssaal wirkt prachtvoll mit hoher Decke und Verzierungen an den Wänden. Die Steuerfahnderin ist nun an der Reihe. Sie rattert Zahlenkolonnen runter, die nicht nur Schuhbeck nicht versteht. Auf der einen Seite eines Schaubilds zeigt sie erklärte Umsätze, auf der anderen nicht erklärte. 200.000 bis 300.000 Euro seien dort im Jahr vor der Versteuerung aus der Kasse genommen worden, 12 Prozent der Rechnungsnummern gestrichen. 2014 zum Beispiel hätten 571 Rechnungen gefehlt.
Die Vorsitzende Richterin am Landgericht München, Andrea Wagner, erwähnt, dass bei 1100 untersuchten Tagen nur an 61 nichts entwendet worden war. Die Rede ist von durchschnittlich 380 abgezwackten Euro am Tag, an Silvester waren es auch mal 2100. Auch war im Computer ein ominöser „Kellner null“ verzeichnet, der Abend für Abend nur Verluste einbrachte. Der mitangeklagte EDV-Experte W. sagt, dieses ganze System zur mutmaßlichen Steuerhinterziehung sei „total bescheuert“ gewesen.
Alfons Schuhbeck hört sich die ganzen Zahlenfluten völlig teilnahmslos an, seine Hände sind gefaltet. Der Tisch vor ihm ist leer, er hat nicht wie seine Verteidiger und die Staatsanwältinnen einen Laptop vor sich aufgebaut. Er hat nicht einmal einen Block Papier und einen Stift dabei, um sich womöglich etwas zu notieren. Ein Mann hat sich aufgegeben, so wirkt das.
Klar ist: Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann wäre Schuhbeck ein Steuerbetrüger mit ziemlich viel krimineller Energie. Schon 1994 war er wegen Steuerhinterziehung zu einem Jahr auf Bewährung und 250.000 D-Mark Geldstrafe verurteilt worden. Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
Wo sind die Millionen hin?
Was er mit den Millionen gemacht hat, kann Schuhbeck nicht so richtig erklären. Mal hat es in einer seiner Firmen einen Engpass gegeben, mal in der anderen. Anders als bei ihm selbst wollte er seine vier Kinder studieren lassen, erzählt er. Vieles wisse er auch nicht mehr, woraufhin die Richterin Wagner bemerkt: „Erinnerungslücken sind in solchen Verfahren nicht hilfreich.“ Sein Anwalt fügt an, Schuhbeck habe 2013 und 2014 für Investitionen Darlehen in Millionenhöhe aufgenommen, die bedient werden mussten.
Im vergangenen Jahr meldete Schuhbeck für sein Imperium Insolvenz an, denn Corona-Hilfen seien nicht angekommen. Die Finanzverwaltung indes sagt, alle berechtigten Mittel seien ausgezahlt worden. Seine Unternehmen gehören ihm nicht mehr, sondern unbekannten Großinvestoren. Womöglich wäre Alfons Schuhbeck von vielem verschont geblieben, hätte er einen ordentlichen kaufmännischen Geschäftsführer für sein Reich eingestellt und sich nicht mit der Überlistung der Kassen-EDV befasst.
Schuhbeck ist auch Koch der FC-Bayern-Kicker auf Auslandsreisen wegen der Champions- League-Spiele, hat unzählige Kochbücher herausgegeben und an TV-Sendungen mitgewirkt. Mit seinem Namen steht er für die noble Teatro-Dinnershow in München, bei der zu einem Varietéprogramm erlesene Speisen serviert werden. Auf der Homepage ist nun zu lesen: „Das Teatro ist nicht Gegenstand des Prozesses um Alfons Schuhbeck.“
Schon einmal stand in diesem Gerichtssaal 134 ein Prominenter wegen Steuerbetrugs vor Gericht: Uli Hoeneß, Patriarch des FC Bayern München, das war im März 2014. Dessen vorbehaltloses Geständnis über 28,5 Millionen Euro Steuerhinterziehung ersparte ihm nicht das Gefängnis, er erhielt dreieinhalb Jahre Haft. Nach sieben Monaten in Landsberg am Lech wurde er Freigänger und kam später auf Bewährung frei.
Kein Promi-Bonus zu erwarten
Prominente haben vor Gericht einen schweren Stand. Anders als in ihrem beruflichen Leben geben im Verhandlungssaal nicht sie den Ton an. Das sind sie nicht gewohnt. Auch wollen Richter sich nicht nachsagen lassen, einen „Promibonus“ zu gewähren. Schuhbeck plauderte in seiner ersten Aussage launig über alles Mögliche, etwa die großartige Bedeutung von Gewürzen. Die Richterin ließ ihn gewähren, doch er muss selbst bemerkt haben, dass das keinen Einfluss auf das Urteil haben wird.
Was für ein Menschenfischer dieser Alfons Schuhbeck war, erkennt man rasch auch beim nur willkürlichen Reinschauen in frühere Fernsehsendungen. In der Kochshow mit Johannes B. Kerner würdigte er einst seine Currysuppe mit zweierlei Linsen – die sei „gut fürs Herz und fürs Hirnkastl“. Dem Nachfolger Markus Lanz attestierte er, dieser habe „Hebammenhänderl“, die aber sehr gut für das Formen kleiner Fleischpflanzerl geeignet seien. Und im FC-Bayern-TV bereitet er mit dem Kicker Thomas Müller locker plaudernd Gemüse, Backhendl und Kartoffel-Gurken-Salat zu. Im Laufe des Prozesses hat der BR Schuhbeck nun gefeuert, schon fertig produzierte Sendungen mit ihm werden nicht ausgestrahlt, so der Sender.
Alfons Schuhbeck muss ein mitunter generöser Mensch sein. In München wird berichtet, dass er vielen FC-Bayern-Beschäftigten opulente Weihnachtsgeschenke machte. Als eine Frau aus der High Society mal ein Ganserl bestellte, brachte er es persönlich bei ihr daheim vorbei. Und der Zeuge Wolfgang H., der als Restaurantfachkraft den Ablauf in den Südtiroler Stubn organisiert und die Rechnungen in die Kasse eingibt, erzählt: „Herr Schuhbeck hat immer wieder Leute gratis aufs Haus bewirtet.“
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Der Ingwer. Das von Alfons Schuhbeck über alle Maßen gepriesene Gewürz, mit dem er selbst den Schweinsbraten einreibt, hat in dem Verfahren seinen festen Platz. Das Gericht gab dem Prozess den Namen „Ingwer“, das steht auch auf den Pressekarten. Vom „Ingwer-Prozess“ ist die Rede. Die Münchner „Abendzeitung“ titelt: „Ingwer und Insolvenz“. Schuhbecks Beschäftigter F. wird genau vernommen, welche Rechnungen wie in die Kasse eingegeben werden. Was passiert, wenn Gäste getrennt zahlen wollen. Richterin Wagner fällt da noch ein: „Und was geschieht an der Kasse, wenn der Gast sein Gericht abändern will? Wenn er etwa keinen Ingwer im Essen haben möchte?“ Da lächelt Alfons Schuhbeck ein wenig, doch es sieht schmerzvoll aus.
An diesem Donnerstag findet der letzte Prozesstag statt. Geplant sind die Plädoyers und die Urteilsverkündung.