- Mit dem Spiel gegen Schalke 04 startet der 1. FC Köln in die neue Saison.
- Kölns Trainer Steffen Baumgart spricht im Interview über sein Wirken beim FC, Fußballromantik und seine Ziele für die kommende Saison.
- Und er spricht über einen Song von Udo Lindenberg. Denn der erinnert ihn an eine aktuelle Situation, die ihm Sorgen bereitet.
Köln – Herr Baumgart, warum passen Sie so gut nach Köln wie der Dom und der Geißbock?Gegenfrage: Warum habe ich so gut zum SC Paderborn gepasst? Das ist ein völlig anderer Klub als der FC, und auch die Mentalität der Westfalen ist ganz anders als die der Rheinländer. Egal ob Cottbus oder Rostock, Wolfsburg oder Berlin – ich hatte eigentlich nie das Gefühl, nicht dorthin zu passen, wo ich gerade arbeite. Verbrannte Erde habe ich jedenfalls nie hinterlassen.
Einige Experten vergleichen Ihre Bedeutung für den FC schon mit der von Hennes Weisweiler und Christoph Daum.
Das finde ich grenzwertig. Vergleiche mit erfolgreichen Trainern aus der Vergangenheit hinken. Jeder Trainer hat seine Zeit, jede Zeit hat ihre Besonderheiten. Natürlich wünsche ich mir, ähnlich erfolgreich mit dem FC zu sein. Aber solche Urteile kommen ohnehin meist von außen, von Leuten, die nicht den direkten Einblick hatten und ihn auch jetzt nicht haben.
Gefällt es Ihnen besser, wenn ein internationaler Star wie kürzlich Olivier Giroud Ihre Arbeit lobt?
Wir in Deutschland sollten unser Licht nicht immer unter den Scheffel stellen. Die Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt, und so, wie ich mich im italienischen, spanischen, französischen und englischen Fußball auskennen sollte, erwarte ich von internationalen Spielern und Trainern, dass die wissen, wie es in der Bundesliga aussieht und mit wem sie es zu tun bekommen in einem solchen Spiel – zumal wir uns in der vergangenen Saison mit gutem Fußball Aufmerksamkeit erarbeitet haben. Trotzdem ist es ein schönes Kompliment, wenn Giroud so etwas sagt.
Was ist in dieser Saison drin?
Wir wollen eine Entwicklung machen, dem FC wieder ein klares Gesicht geben. Unser Ziel lautet nicht Platz sechs, sondern muss die dauerhafte Etablierung in der Bundesliga sein. Sollten wir mit einer ähnlichen Leistung wie im Vorjahr nun Zehnter werden, wäre das für mich ein gutes Ergebnis. Auch, weil es in dieser Saison angesichts der Aufsteiger Schalke und Werder keinen klassischen Abstiegskandidaten gibt. Ich glaube vielmehr, dass neun, zehn Teams gegen den Abstieg spielen werden. Und eins davon sind wir.
Die Erwartungen in Köln dürften gestiegen sein.
Das wird dem Kölner gerne mal nachgesagt. Tatsächlich aber glaube ich, dass der Kölner die Situation schon realistisch einschätzen kann. Was ihn auszeichnet ist, dass er die Arbeit auf dem Platz anerkennt, dass er zufrieden ist, wenn die Jungs sich für den FC den Hintern aufreißen.
Wie lange hat Ihr Körper gebraucht, um die erste Saison beim FC zu verarbeiten?
Es war eine lange Saison, und ich war auch froh, als sie vorbei war. Aber negativen Stress hatte ich nie. Ich bin niemand, der dann drei Wochen Abstand braucht. Warum auch? Hinter uns lag eine positive Saison, ich habe mich weder müde noch gestresst oder gar überfordert gefühlt.
Sie sind das Gegenteil von dem, was man Laptoptrainer nennt. Wie empfinden Sie die inzwischen sehr verkopfte Fußballsprache?
Wir haben viele interessante Begriffe im Fußball: falsche Neun, abkippender Sechser oder die heute so gehypte Dreierkette. Bloß ist das überhaupt nichts Neues. Mit Dreierkette bin ich 1995 mit Hansa Rostock in die Bundesliga aufgestiegen. Das Neue daran ist allenfalls, dass viele Teams, die nominell auf eine Dreierkette setzen, tatsächlich mit einer Fünferkette hinten drin stehen und sich nur über das Umschaltspiel definieren. Das ist nicht mein Ansatz. Ich glaube, dass es beim Fußball nach wie vor darum geht, Tore zu erzielen und immer nach vorne spielen zu wollen.
Spricht da der Fußballromantiker?
Ich würde eher sagen der Traditionalist. Ich stamme aus einer Generation, die mit all den genannten Begriffen nur wenig anfangen kann. Bei mir ist ein Tackling ein Tackling und kann genauso schön sein wie ein Torschuss ins Kreuzeck. Ich möchte auch keine Play-offs, um die vermeintlich fehlende Spannung in der Bundesliga zu erhöhen, oder größere Tore, damit mehr Treffer fallen. Der Einwurf soll bitte nicht zum Einkick werden, und der Wettbewerb soll so bleiben, wie er ist, mit Aufstieg und Abstieg. Es ist doch gerade diese Klarheit, die den Fußball ausmacht und wofür er geliebt wird.
Sterben Typen wie Sie allmählich aus?
Glaube ich nicht. Es gibt genug Typen, ich nenne nur Christian Streich und Urs Fischer. Wir haben ein ganz anderes Problem. Wenn heute jemand eine klare Meinung hat, dann geht es oft gar nicht mehr darum, sich damit auseinanderzusetzen, sondern nur noch darum, diese Meinung zu diskreditieren. Da wird im Netz verfälscht, anonym beleidigt und gepöbelt. Dann sollte man sich aber auch nicht darüber wundern, wenn die viel beschworenen Typen immer leiser werden und keine Lust mehr haben, sich solchen Attacken auszusetzen. Aber das Ganze geht ja noch weiter.
Inwiefern?
In der DDR habe ich erleben müssen, dass Udo Lindenbergs Song „Sonderzug nach Pankow“ verboten wurde. Musikalisch war der Titel nicht mein Fall, aber er hatte eine Aussage. Und die hat den Machthabern damals nicht gefallen. Wie gesagt, das war in der DDR. Jetzt aber fängt man auch hier an, Musiktitel zu verbieten, weil irgendwer irgendeinen Blödsinn über eine – Pardon – Puffmutter singt. Der Song an sich interessiert mich überhaupt nicht. Aber wer entscheidet, was richtig oder falsch, was gut oder schlecht ist? Und wo ist die Grenze? Darüber mache ich mir mittlerweile Sorgen.