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Teure Reinigung von SchadstoffenDarum wird Trinkwasser künftig deutlich teurer werden

Lesezeit 4 Minuten
Trinkwasser 150322

Trinkwasser aus dem Hahn 

München – Manfred Mödinger fischt sozusagen berufsbedingt im Trüben. „Verbesserungen sind die Ausnahme, meistens geht die Tendenz in Richtung Verschlechterung“, sagt der Ingenieur für Getränketechnologie und Brauwesen. Er meint damit den Zustand deutscher Wasservorkommen, die er seit Jahren für die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser erforscht.

Sein Fazit zur aktuell vierten Auflage des Wasserreports fällt in doppelter Hinsicht trübe aus. Zum einen nehmen die gemessenen Konzentrationen an Nitrat nicht ab und Pestizidnachweise sogar zu. Zum anderen ist die Datenlage in Bund und Ländern mit wenigen Ausnahmen lückenhaft und veraltet.

„Es gibt nur ein Bundesland, das Grundwasser flächendeckend und alle ein bis zwei Jahre analysiert“, weiß Mödinger. Das sei Baden-Württemberg. Für Bayern sei die Datenlage noch halbwegs brauchbar, dann werde es sehr dünn. Das gelte vor allem für östliche Bundesländer und Rheinland-Pfalz, wo 2013 letztmals Daten zum Zustand des Wassers veröffentlich worden seien. Selbst aus der rudimentären Datenlage sei aber ablesbar, dass deutsche Wasservorkommen in einen katastrophalen Zustand geraten sind.

„Bei 26,7 Prozent aller Grundwassermessstellen bundesweit liegen die Nitratkonzentrationen über dem gesetzlichen Grenzwert für Leitungswasser“, betont Mödinger. Nitrat sei der einzige Wasserschadstoff, der im bundesweiten Maßstab analysiert werde.

Fast 1000 Pestizide in Deutschland zugelassen

Alles andere wie Pestizide, Industrieschadstoffe wie PFC oder Arzneimittelrückstände werde – wenn überhaupt – nur auf Länderebene vereinzelt unter die Lupe genommen, wobei es für das Wenigste auch Grenzwerte gebe. So waren laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland 2020 fast 1000 Pestizide zugelassen, die auf ihrem Weg durch die Böden Richtung Grundwasser später teils giftige Zerfallsprodukte bilden.

Unmittelbare Gesundheitsgefahr bestehe nicht, sagt Mödinger. „Aber was der im Boden langsam nach unten durchsickernde Stoffcocktail an langfristigen Gesundheitsrisiken birgt, wissen wir nicht“, stellt der Experte klar. Das besorgt auch Franz Ehrnsperger. „Die Bedrohung unseres wichtigsten Lebensmittels durch Schadstoffe der Intensivlandwirtschaft, Industrie und Pharmazie sind in den vergangenen Jahren nicht kleiner, sondern in vielen Bereichen durch neue Messmethoden deutlich sichtbarer geworden“, sagt der Chef der Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser.

Schadstoffe lassen sich auch im Grundwasser finden

Bis der Gefahrencocktail das Grundwasser erreiche, sei es nur eine Frage der Zeit. Durch die Karstböden der Oberpfalz, wo die Qualitätsgemeinschaft ihre Heimat hat, würden Schadstoffe in einem halben bis drei Jahren sickern. Anderswo in Deutschland kann es mit 20 bis 30 Jahren weit länger dauern. „Wasser kann ein sehr langes Gedächtnis haben“, sagt Mödinger.

Aber es erinnert sich, zeigt das Schwarzbuch. So sind in Niedersachsen 61 Prozent aller Grundwassermessstellen mit 164 Pestiziden und deren Zerfallsprodukten belastet. In Baden-Württemberg finden sich in 63 Prozent aller Grundwassermessstellen Abbaustoffe von Pestiziden und in gut 45 Prozent auch PFC-Schadstoffe.

Um Trinkwasser dann gefahrlos trinkbar zu machen, gibt es zwei Methoden. „Entweder man mischt verunreinigtes Wasser aus belasteten Quellen mit solchem aus eher unbelasteten, bis Grenzwerte unterschritten werden, oder man reinigt kostspielig“, sagt Mödinger. Ersteres stoße an Grenzen, wenn verfügbare saubere Quellen seltener werden.

Die Kosten des Herausfilterns von Nitrat und Co.

Die Kosten für Wasseraufbereitung per Aktivkohleanlagen in Wasserwerken als verbleibende Alternative listet das Schwarzbuch exemplarisch auf. Bei zwei Kommunen in Niedersachsen seien wegen Verunreinigung durch Pestizide 25 Cent pro Kubikmeter Wasser fällig geworden. In zwei Landkreisen in Baden-Württemberg sei das Herausfiltern von PFC-Schadstoffen mit 58 Cent zu Buche geschlagen.

Bei einem durchschnittlichen Wasserpreis von deutschlandweit 2,20 Euro je Kubikmeter im Jahr 2019 entspricht das Verteuerungen von gut 10 bis knapp 30 Prozent, rechnet Mödinger vor. Muss Nitrat herausgefiltert werden, koste das sogar rund einen Euro je Kubikmeter.

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Wenn sich die Düngepraxis nicht ändert, könnte Trinkwasser in einigen Regionen Deutschlands wegen der Nitratbelastung um bis zu 62 Prozent teurer werden, warnt auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die durchschnittliche Wasserrechnung eines betroffenen Dreipersonenhaushalts könne dann von 217 auf 352 Euro steigen.

„Wir brauchen Bio-Landwirtschaft ohne Chemikalien“, fordert Ehrnsperger. Denn traditionell wirtschaftende Bauern, die auf ihren Feldern Pestizide verspritzten und mit Massentierhaltung für hohe Nitratbelastung sorgten, seien die größten Verursacher von Wasserschadstoffen.

Mödinger pflichtet dem bei. In Österreich, wo über 30 Prozent der bäuerlichen Anbaufläche ökologisch bewirtschaftet wird im Gegensatz zu einem Zehntel in Deutschland, sei das Wasser weit weniger mit Nitrat belastet. „Das ist kein Zufall“, sagt der Experte.