Titandioxid steckt in Kaugummis, in Backwaren, in Suppen und Salatsoßen – aber auch in Zahnpasta, Medikamentendragees und Lippenpflegestiften. Der Zusatzstoff gibt den Produkten ihre weiße Farbe und sorgt für eine glänzende, ansprechende Oberfläche.Wegen möglicher Krebsrisiken hat die EU-Kommission den Farbstoff nun in allen Lebensmitteln verboten. Man könne die Sicherheit nicht mehr gewährleisten, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides.
Das Problem: Die Wissenschaftler der zuständigen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) können nicht mehr ausschließen, dass Titandioxid genotoxisch wirkt. Das bedeutet, dass der Stoff das Erbgut schädigen könnte und eventuell die Entstehung von Krebs begünstigt.
Zwar sei die Aufnahme von Titandioxidpartikeln über den Magen-Darm-Trakt gering, der Stoff könne sich jedoch im Körper ansammeln, schreibt der Vorsitzende des EFSA-Sachverständigengremiums, Maged Younes, in einer Stellungnahme.
Da die EFSA keine akzeptable oder zulässige tägliche Aufnahmemenge von Titandioxid festlegen konnte, wird der Stoff in Lebensmitteln nun EU-weit komplett verboten. Frankreich war dem bereits zuvorgekommen: In dem Land ist Titandioxid schon seit Januar 2020 nicht mehr in Lebensmitteln erlaubt. Einige große europäische Hersteller hatten daraufhin bereits vorsorglich angekündigt, ihre Rezeptur abändern zu wollen.
Sechs Monate Übergangszeit
Nun sind sie dazu EU-weit verpflichtet. Allerdings innerhalb einer Frist: Die Lebensmittelhersteller haben noch sechs Monate Zeit, E 171 in ihren Rezepturen zu ersetzen. Ab dem Sommer dürfen dann in europäischen Supermärkten nur noch Produkte ohne Titandioxid verkauft werden.
Anders sieht das bei Kosmetikprodukten und Medikamenten aus. Denn da bleibt der Stoff erlaubt. Kritiker monieren, dass das einer gewissen Logik entbehrt, werden doch auch Medikamentendragees oral eingenommen und landen somit im Magen-Darm-Trakt. Gleiches gilt für Zahnpasta und zum Beispiel für Lippenpflegestifte, die immer auch zu Teilen verschluckt werden.
Medizin: Keine Engpässe riskieren
Zum Thema Zulassung in Medizinprodukten schreibt die Europäische Kommission, die European Medicines Agency (EMA) erlaube Titandioxid weiterhin als Zusatzstoff, um Engpässe bei Medikamenten zu vermeiden. Um Titandioxid zu ersetzen, brauch es demnach breite Tests von Alternativen, um die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Medikamente weiterhin zu gewährleisten. In drei Jahren wolle man ein Verbot dann erneut prüfen. Die Pharmabranche solle bis dahin alles ihr Mögliche tun, um Titandioxid in zugelassenen und neuen Medizinprodukten zu ersetzen.
Kosmetik: Titandioxid in Sprays verboten
In Kosmetika ist Titandioxid derzeit nur verboten, wenn ein Einatmen über die Lunge möglich wäre – also zum Beispiel in Sprays. Denn wenn die feinen Nanopartikel eingeatmet werden, können sie zu chronischen Entzündungen führen und möglicherweise die Bildung von Lungentumoren begünstigen.
Über die Haut wird Titandioxid dagegen nach bisherigem Kenntnisstand nicht aufgenommen. Laut Bundesamt für Risikobewertung (BfR) ist der Stoff, der vor allem als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln vorkommt, unbedenklich beim Auftragen sowohl auf intakte als auch auf sonnenbrandgeschädigte Haut.
Auch in Kinderzahnpasta kommt Titandioxid vor
Kritischer sieht das BfR dagegen den weit verbreiteten Einsatz in Zahnpasta. Fast alle weißen Zahncremes enthalten den Stoff, der auf der Tube meist als CI 77891 oder unter der englischen Bezeichnung Titanium Dioxide deklariert ist.Besonders bedenklich ist laut Experten der Einsatz in Kinderzahnpastas, weil Kleinkinder den Schaum noch nicht ausspülen können und somit die gesamte Menge im Organismus verbleibt. Das BfR empfiehlt den europäischen Behörden eine erneute Prüfung in dieser Produktkategorie. Wer bis dahin lieber Zahnpasta ohne Titandioxid nutzen möchte, muss die Liste der Inhaltsstoffe auf jeder Tube genau studieren.
Lippenstifte ebenfalls belastet
Bedenklich kann der Einsatz auch in Lippenstiften sein. Stiftung Warentest hat Titandioxid in ihrem aktuellen Lippenstifttest deshalb das erste Mal als Schadstoff eingeordnet. Das Ergebnis ist ernüchternd: Alle 17 getesteten Produkte enthielten den umstrittenen Farbstoff – auch Naturkosmetik. Über die Note Befriedigend kam deshalb keiner der Lippenstifte im Test hinaus.