US-Präsident Trump hat in einer schwindelerregenden Woche gefühlt mehr Aktivitäten entfaltet als sein Vorgänger Joe Biden in der ganzen Amtszeit.
Der Trump-TsunamiGigantische Masse der Tabubrüche überwältigt die Kritiker
Das Geräusch des kratzenden Filzschreibers schmerzt in den Ohren. Man hat es unzählige Male gehört in den vergangenen Tagen - immer dann, wenn Donald Trump einen neuen Erlass abzeichnete. Nachhaltig ist auch der visuelle Eindruck der wuchtigen Unterschrift, die der Präsident anschließend stets demonstrativ in die Kameras hält: ein zackiges Statement mit drei messerscharfen Spitzen.
Gerade einmal eine Woche ist Donald Trump im Amt. Doch der Präsident hat in seinen ersten sieben Tagen gefühlt mehr Aktivitäten entfaltet als sein Vorgänger Joe Biden in der ganzen Amtszeit. Mehr als 50 präsidiale Dekrete hat er abgefeuert, um den Kongress zu umgehen, dazu dutzende Personalentscheidungen, beispiellose Begnadigungen und zahllose behördliche Verordnungen. Es ist ein regelrechter politischer Tsunami - zu jeder Tages- und Nachtzeit live übertragen im Fernsehen. Wenn der 78-Jährige nicht hinter seinem mächtigen Schreibtisch thront, gibt er Pressekonferenzen oder hält Reden. Seit dem Moment seiner Vereidigung besitzt Trump die totale globale Lufthoheit.
Die Liste von Donald Trumps Tabubrüchen wirkt endlos
Die Liste seiner Tabubrüche wirkt endlos: In kürzester Zeit hat er das Asylrecht in den USA außer Kraft gesetzt, den Putschversuch vom 6. Januar 2021 offiziell zur Heldentat umdeklariert, die Klimaschutzpolitik seiner Vorgängers abgewickelt und die Bundesbehörden politisch gesäubert. Er hat das Militär mutmaßlich verfassungswidrig an die Grenze zu Mexiko geschickt, die Küsten des Landes und die Naturschutzgebiete Alaskas für Öl- und Gasbohrungen freigegeben, die internen Betrugskontrolleure der Behörden gefeuert und die Auslandshilfen der USA eingestellt.
Nebenbei hat er neben Außenminister Marco Rubio und Heimatschutzministerin Kristi Noem auch den höchst umstrittenen Verteidigungsminister Pete Hegseth durch den Senat gebracht. In einem Akt ebenso kleingeistiger wie zynischer Rachsucht hat er seinem Ex-Sicherheitsberater John Bolton, seinem Ex-Außenminister Mike Pompeo und seinem Ex-Corona-Berater Anthony Fauci den Personenschutz entzogen.
Trumps Erlass-Lawine besteht aus historischen Kurswechseln wie der Begnadigung von 1500 Kapitolstürmern und Absurditäten wie der Umbenennung des Golfes von Mexiko in „Golf von Amerika“. Manches - wie die Abschaffung des in einem Verfassungszusatz garantierten Geburts-Staatsangehörigkeitsrechts, die von einem Richter vorerst gestoppt wurde - wird am Ende wohl vor dem Supreme Court landen. Anderes - wie die Aufhebung des TikTok-Bannes - geht dauerhaft nicht ohne den Kongress.
Aber viele Entscheidungen haben unmittelbare Folgen: So hängen in Afghanistan nach der Streichung ihrer Flüge rund 15.000 ausreiseberechtigte Menschen fest. An der Grenze von Mexiko stranden tausende Asylbewerber, obwohl sie über eine Regierungs-App legal einen Termin bei den amerikanischen Behörden vereinbart haben. Millionen irregulären Migranten, die seit Jahren in der amerikanischen Landwirtschaft, der Gastronomie oder im Baugewerbe arbeiten, droht nun jederzeit die Abschiebung.
Präsident Trump redet immer und überall
Der donnernde Aufschlag des neuen Präsidenten ist präzise wie ein militärischer Mehrfrontenkrieg geplant. Der „Brückenkopf“ sei gelandet, hat Steve Bannon, der Chefstratege der Trumpisten, erklärt: „Jetzt fluten wir den Raum.“ Zum Dauerbombardement der Verordnungen kommen Drohungen an die Nachbarländer Kanada und Mexiko und permanente Einschüchterungen von Panama und Dänemark. Der Präsident redet immer und überall - vor seinem Hubschrauber Marine One, im Oval Office, bei einem Auftritt mit Tech-Milliardären im Roosevelt Room, bei Fernseh-Interviews, einer Videoschalte zum Weltwirtschaftsforum in Davos und einer Großkundgebung in Las Vegas.
Das erzeugt bei Trumps Anhängern den Eindruck einer beeindruckenden Tatkraft und überdeckt die Defizite bei zwei zentralen Wahlkampfversprechen - dem Kampf gegen die Inflation und der Beendigung des Ukraine-Krieges „in 24 Stunden“ - wo der Präsident keinerlei Fortschritte erzielt hat. Trumps Kritiker aber wissen gar nicht, wo sie ansetzen sollen. „Es ist schwierig, auf soviel Chaos zu reagieren“, gesteht die demokratische Abgeordnete Veronica Escobar. Genau das ist das Kalkül. „Die überwältigende Menge ist der ganze Punkt“, analysiert die Kolumnistin Susan Glasser im „New Yorker“: „Bei zu vielen gleichzeitigen Skandalen ist das System überlastet und bricht zusammen. Es kann sich nicht konzentrieren. Es kann nicht zurückschlagen. Es gibt einfach zu viele Ablenkungen.“
Am Samstagabend, nach einer Tour durch North Carolina und Kalifornien, bei der er schon unzählige Nachrichten produzierte, hatte Trump immer noch nicht genug. Auf dem Rückflug lud er die mitreisenden Journalisten an Bord der Air Force One zu einem 20-minütigen Pressegespräch. Er redete über seine Präsidentschaft ("außergewöhnlich"), den demokratischen kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom ("ich war nett zu ihm") und den Sender CNN ("die gehen pleite"). Nebenbei sprach er die nächste Ungeheuerlichkeit aus: Die Palästinenser im Gaza-Streifen sollten „vorübergehend oder langfristig“ nach Ägypten und Jordanien ausreisen. Dann könne man „die Abrissbrache“ einmal „gründlich reinigen“, plädierte der Immobilienmogul im Plauderton für die Vertreibung eines ganzen Volkes.