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US-Präsident Biden in EuropaMehr Symbolik als Substanz?

Lesezeit 4 Minuten

Washington – US-Präsident Joe Biden reist demonstrativ nach Brüssel und an die Nato-Ostflanke in Polen. Es geht um weitere Militärhilfe für die Ukraine und Sanktionen gegen Russland. Auch über massive humanitäre Hilfsleistungen für die Geflüchteten dürfte gesprochen werden.

Illusionen hat er sich nie gemacht. „Ich denke nicht, dass Sie eine Seele haben”, sagte er laut eigenen Angaben schon 2011 dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Gesicht. Später nannte er seinen Gegenspieler im Kreml einen "Killer". Früh hat Joe Biden die Erkenntnisse seiner Geheimdienste über den drohenden russischen Überfall auf die Ukraine veröffentlicht und die Verbündeten zu Militärhilfe und Sanktionen gedrängt. Nun kommt US-Präsident Joe Biden persönlich nach Europa, wo Putin den schlimmsten Krieg seit sieben Jahrzehnten entfacht hat.

Biden für vier Tage in Europa

Vier Tage wird sich der 79-Jährige, der eigentlich Amerikas Demokratie im Inneren retten wollte und nun zum Führer des Westens im Kampf gegen den Aggressor Putin geworden ist, auf dem Kontinent aufhalten. Nach der Landung am Mittwochabend steht ihm am Donnerstag mit einem Nato-Gipfel, einem G7-Treffen und der Zusammenkunft des Europäischen Rats in Brüssel gleich ein Mammutprogramm bevor. Am Freitag fliegt Biden weiter nach Warschau, wo er am Samstag mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zusammentreffen soll.

Einen Überraschungsbesuch in der Ukraine, über den in Washington spekuliert worden war, plant Biden offenbar nicht. Entsprechende Gerüchte hatte seine Sprecherin Jen Psaki schon am Wochenende mit einem Tweet dementiert. Am Montag führte sie aus, der Besuch eines US-Präsidenten in einem Kriegsgebiet würde enorme sicherheitstechnische und logistische Herausforderungen mit sich bringen: „Wir haben diese Option nicht erwogen.”

Biden warnt vor Einsatz von biologischen oder chemischen Waffen in der Ukraine

Der Europa-Besuch Bidens kommt zu einer Zeit, da der russische Vormarsch in der Ukraine zu stocken scheint. Gerade deshalb wachsen in Washington die Sorgen, Putin könne zu noch verheerenderen und skrupelloseren Mitteln greifen, um den Eindruck einer militärischen Niederlage zu konterkarieren. Eindringlich warnt Biden seit Tagen vor dem möglichen Einsatz von biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen in der Ukraine, den Russland unter falscher Flagge durchführen könnte. Am Montag sprach Biden von verstärkten Hinweisen auf mögliche Cyberattacken gegen den Westen. Bei der gleichen Veranstaltung räumte er ein, dass die zuletzt von Moskau eingesetzten Hyperschall-Raketen „fast nicht zu stoppen” seien.

Knapp eine Stunde hatte sich Biden bereits am Montag telefonisch mit Kanzler Olaf Scholz und den Regierungschefs von Frankreich, Italien und Großbritannien beraten. Dass er nun persönlich nach Europa komme, berge wahrscheinlich „mehr Symbolik als Substanz”, analysiert die Washington Post. Doch ist es ein klares Zeichen. So demonstriere der Präsident, „dass er Teil der Koalition ist und nicht bequem auf der anderen Seite des Atlantiks sitzt”, sagte Daniel Hamilton, ein ehemaliger Leiter der Europa-Abteilung im State Department, dem Blatt.

Demonstrativer Schulterschluss der Verbündeten

Tatsächlich dürfte es bei den Begegnungen in Brüssel um einen demonstrativen Schulterschluss der Verbündeten, die weitere Unterstützung der Ukraine, mögliche neue Sanktionen gegen Russland und Hilfen für die Flüchtlinge gehen. Möglicherweise wird sich auch Kanzler Scholz ein paar kritische Fragen gefallen lassen müssen. Die Begeisterung über die "Zeitenwende" in Deutschland ist in Washington zuletzt jedenfalls deutlich abgekühlt. Das Festhalten an den Energielieferungen aus Russland und Berichte über schleppende Waffenlieferungen an die Ukraine werden in der Biden-Regierung genau registriert.

Der Besuch von Biden in Polen soll dem Land an der Ostflanke der Nato demonstrative Unterstützung signalisieren. Der Präsident wird nicht müde zu betonen, dass er eine direkte Beteiligung der USA und ihrer Verbündeten am Ukraine-Krieg ablehnt, die Gemeinschaft aber im Falle eines Angriffs auf ein Nato-Mitgliedsland jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen werde.

Überschattet werden dürfte das Gespräch mit Präsident Duda von der dramatischen humanitären Lage in Polen, wohin bislang bereits mehr als zwei Millionen Ukrainer geflohen sind. Die positive Rolle Warschaus bei der Aufnahme von Geflüchteten wird in Washington regelmäßig herausgestrichen. Die USA selbst haben bislang erst weniger als tausend Geflüchtete aufgenommen. Es wird erwartet, dass Biden kräftige Finanzhilfen für Polen verkündet.