VerfassungsschutzDer Druck auf die AfD wächst
Berlin – Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, waren vorzeitig in die Bundespressekonferenz gekommen. Zunächst ließen sich die zwei mit dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 ablichten.
Dann saßen sie, bevor es losging, knapp acht Minuten lang vor den zahlreich erschienenen Journalisten – acht Minuten, in denen nahezu völlige Stille herrschte. Auch sonst wohnte dieser Pressekonferenz etwas Besonderes inne.
Wie Routine wirkte der Hinweis, dass die Gefahr, die von Extremisten ausgeht, wächst – und dass dabei unter anderem die Zahl der Gewaltdelikte kontinuierlich steigt.
So zählte der Verfassungsschutz zuletzt allein 32.080 Rechtsextremisten, rund 8.000 mehr als bisher. 13.000 von ihnen gelten als gewaltbereit. Seehofer betonte mehrfach, dass vom Rechtsextremismus die größte Bedrohung ausgehe – und sich keine Bundesregierung ihr so intensiv gewidmet habe wie diese.
IS drängte auf Hygieneregeln
So habe man den Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt personell massiv aufgestockt. Man habe ein Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet verabschiedet und das Waffenrecht verschärft – sowie einen eigenen Kabinettsausschuss gegen den Rechtsextremismus gebildet.
Der Minister verwies schließlich darauf, dass die Sicherheitsbehörden nach Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst bis in die eigenen Reihen hinein forschten und er persönlich eine ganze Reihe rechtsextremistischer Gruppen verboten habe. Die letzte trug den Namen “Nordadler” und agierte überwiegend online.
Zugleich vergaßen beide den Linksextremismus nicht. So erinnerte Haldenwang an tätliche Angriffe auf Polizisten oder eine Immobilienmaklerin, erklärte Leipzig zum neuen Hotspot der Szene und erläuterte, dass seine Behörde die Plattform “Indymedia” als Verdachtsfall eingestuft habe. Auf der Plattform werden Aufrufe zu Aktionen und Bekennerschreiben veröffentlicht.
Natürlich war auch der Islamismus mit immer noch 650 Gefährdern ein Thema – wobei der “Islamische Staat”, wie der Chef des Verfassungsschutzes schilderte, seine Kämpfer beizeiten dazu aufgerufen habe, sich angesichts der Corona-Pandemie an die Hygieneregeln zu halten.
Von dieser Routine abgesehen war die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts dennoch keineswegs wie immer. Ein Grund war die AfD – genauer gesagt, deren rechtsextremistischer “Flügel”, den der Verfassungsschutz kürzlich zum Beobachtungsobjekt erklärte.
Etwa 8000 Mitglieder im rechtsextremistischen Flügel der AfD
Die etwa 8.000 “Flügel”-Mitglieder werden in dem Bericht nämlich offiziell den Rechtsextremisten zugeschlagen. Daraus ergibt sich deren Wachstum von rund 24.000 auf rund 32.000.
Haldenwang sagte auf Nachfrage, dass sich die Zahl nicht zuletzt auf Angaben von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland stütze, wonach ein Drittel der AfD-Mitglieder dem “Flügel” anhänge. Haldenwang sagte auch, man werde darauf achten, wie die Mitglieder des inzwischen offiziell aufgelösten “Flügel” auf die Gesamtpartei wirkten – und ob man daraus weitere Maßnahmen ableiten müsse.
Während Seehofer Berichten widersprach, er habe es abgelehnt, die 8.000 “Flügel”-Anhänger künftig als Rechtsextremisten zu zählen, ist eines jedenfalls gewiss: Der Druck des Inlandsgeheimdienstes auf die AfD wächst.
Kritische Nachfragen
Dass die Vorstellung des Berichts weniger gewohnheitsmäßig wirkte als sonst, ergab sich überdies aus dem zu Wochenbeginn artikulierten Nein des Bundesinnenministers zu einer Studie über “Racial Profiling”, also anlasslose Kontrollen von fremd wirkenden Menschen durch die Polizei.
Er unterstrich, eine solche Studie anders als behauptet nie befürwortet zu haben – weshalb man nun auch nicht von einer Kehrtwende sprechen könne. Ferner wandte sich der Minister gegen die Stigmatisierung bestimmter Berufsgruppen.
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Ganz zum Schluss sagte Horst Seehofer angesichts manch kritischer Nachfragen: “Gehen Sie mal davon aus, dass wir nicht einmal halb so schlimm sind, wie wir eingeschätzt werden.” Er lächelte derweil sein Seehofer-Lächeln – und verließ bald darauf mit Thomas Haldenwang den Saal. (RND)