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Virologe Streeck über Anfeindungen„Es gibt trotzdem fast garantiert einen Shitstorm“

Lesezeit 3 Minuten
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Professor Hendrik Streeck, Direktor des Institut für Virologie an der Uniklinik in Bonn

  1. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck äußert sich im Interview über die Anfeindungen gegen ihn.
  2. Außerdem spricht er über Mutationen und den Schutz von Alten in Pflegeheimen, „der nicht flächendeckend versucht wurde, das muss man ganz knallhart sagen“.

Herr Streeck, der Ablauf der Impfungen in Deutschland wird heftig kritisiert. Ist die Kritik gerechtfertigt?Hendrik Streeck: Die Vergabe der Impftermine ruckelt in der Tat. Was die Bestellungen betrifft, bin ich allerdings hin- und hergerissen. Man hätte im Juli wissen können, dass man nur noch auf drei Impfstoffe setzen könnte: Moderna, Astrazeneca und Biontech/Pfizer waren die Schnellsten im Rennen. Zudem ist der Impfstoff in der EU auch relativ spät bestellt worden, im Vergleich zu Großbritannien oder den USA.

Muss der derzeitige Lockdown sein?

Weil wir nicht gelernt haben, wie sich das Infektionsgeschehen verhält, bleibt uns als einziges Werkzeug im Moment nur dieser Hammer. Das ist auch richtig, wir müssen die Menschen vor hohen Infektionszahlen bewahren.

Derzeit breiten sich verschiedene Corona-Varianten aus. Warum?

Gerade wird auf das Coronavirus ein Selektionsdruck aufgebaut, denn weltweit versuchen Immunsysteme, es zu entfernen. Dagegen „wehrt“ sich das Virus natürlich und versucht auszuweichen. So können neue Varianten entstehen. Über B.1.1.7 wissen wir zum Beispiel, dass sie eine Mutation hat, durch die sie eine höhere Wahrscheinlichkeit der Übertragung hinzugewinnt.

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Wie sollten wir also mit diesen Mutationen umgehen?

Es ist richtig, dass wir diese Mutation engmaschig beobachten, damit wir schnell reagieren können. Das betrifft gerade solche Einfallstore wie beispielsweise den Frankfurter Flughafen. Das muss aber nicht unbedingt von dort sein, wo man es momentan erwartet, wie etwa Brasilien. Keiner von uns weiß, welche Varianten sich in Russland bilden oder in Indien oder in Serbien oder Kroatien, wo nicht viel sequenziert wird.

Was sollte die Politik tun?

Wäre ich Ministerpräsident für einen Tag, dann würde ich einen interdisziplinären Krisenstab einrichten, der mir für verschiedene Fragen Antworten und Pläne erarbeitet. Etwa, was passiert, wenn die Alten durchgeimpft sind und Lockerungen gefordert werden.

Und wie lautet Ihre Antwort?

Das ist eine komplexe Frage und nichts, was man eben mal kurz und knapp artikulieren kann. Am Ende ist das ja auch eine psychologische Fragestellung: „Jetzt sind die Alten geschützt, jetzt ist es doch auch mal gut, oder?“ Darauf brauchen wir auch psychologische Antworten.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es nicht gelungen, die alten Menschen als Gruppe zu schützen …

… weil es nicht flächendeckend versucht wurde, das muss man ganz knallhart sagen.

Muss man nicht erst die Infektionszahlen senken, um sich dann auf den Schutz von Risikogruppen konzentrieren zu können?

Das ist kein Entweder-oder, es ist ein dringendes „und“: Infektionen senken, aber auch parallel die Risikogruppen schützen.

Sie mussten bisher viele Anfeindungen aushalten. Belastet Sie das?

Das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Das dicke Fell wächst weiter. Ich habe festgestellt, dass, wenn man sich qualifiziert und differenziert äußert, es trotzdem fast garantiert einen Shitstorm gibt. Den ertrage ich dann auch.

Das Gespräch führte Anna Schughart (RND)