28 Prozent weltweiter ExportePutins Ukraine-Krieg treibt Weizenpreis in die Höhe
Berlin – Getreide wird knapp und die Preise steigen drastisch. Frachtschiffe in den Schwarzmeerhäfen können nicht beladen werden. Auch die nächste Ernte ist schon in Gefahr. Der Krieg in der Ukraine versetzt auch die Agrarmärkte in den Krisenmodus. Nach Expertenschätzungen fehlen schon jetzt Millionen Tonnen Getreide aus der Schwarzmeerregion auf dem Weltmarkt.
Die großen Verbraucher decken sich aus Sorge vor weiteren Engpässen vorsorglich ein - und treiben die Preise noch höher. An der Börse kostet eine Tonne Weizen aktuell gut 360 Euro und damit ein Drittel mehr als vor einem Monat. Experten warnen vor dauerhaft hohen Preisen in reichen Ländern und vor Versorgungskrisen in den Ärmeren.
28 Prozent weltweiter Weizenexporte
Nach Zahlen des Deutschen Raiffeisenverbands sorgen die Ukraine und Russland insgesamt für 28 Prozent der weltweiten Weizenexporte, bei Mais und Raps sind es rund 20 Prozent. Das Gebiet gilt traditionell als Kornkammer Europas. Außerdem entfällt mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion von Sonnenblumenkernen auf die beiden Länder. Nun fallen beide als Lieferanten weitgehend aus. „Durch die Kriegshandlungen ist in den Schwarzmeerhäfen die Schiffsverladung unterbrochen“, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands. Zudem „scheint eine reguläre Frühjahrsbestellung der Äcker wegen des Krieges nicht mehr möglich“.
„In Deutschland und der EU wird es nicht unbedingt Versorgungsengpässe in den kommenden Monaten geben, aber steigende Preise“, sagt Guido Seedler, Referent beim Deutschen Raiffeisenverband. Unterm Strich sei Deutschland beim Getreide nach wie vor Selbstversorger, Weizen bezieht die Bundesrepublik vor allem aus den Nachbarländern Tschechien und Polen.
Abnehmer in Nordafrika und Asien
Das Getreide aus der Ukraine und Russland geht vor allem nach Nordafrika und Südostasien - also in weniger wohlhabende Regionen der Welt. „Die Verlierer sind die armen Länder“, sagt Seedler. Nach Informationen des Verbands hat Ägypten als einer der größten Weizenimporteure bereits eine Ausschreibung zurückgezogen, weil keine Angebote kamen. Mögliche Lieferanten bevorzugten offenbar zahlungskräftigere Abnehmer.
„Die mit dem Krieg in der Ukraine einhergehende Beeinträchtigung des Handels treffen vor allem Länder im Nahen Osten und Afrika, die teilweise 70 Prozent ihres Weizens importieren“, warnt Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe. Aber auch arme Menschen in westlichen Ländern könnten steigende Lebensmittelpreise zu spüren bekommen. „Der Krieg führt nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit zu Menschenrechtsverletzungen“, sagt Schneider. „Das Menschenrecht auf angemessene Ernährung wird für Millionen Menschen in fahrlässiger Weise bedroht.“
Hoher Gaspreis macht Dünger teuer
Neben Anbau-, Ernte und Handelsschwierigkeiten infolge des Krieges werden auch Preissprünge für Rohöl zum Problem. „In der Vergangenheit waren es vor allem die Energiekosten, die Lebensmittel teurer gemacht haben“, sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin der Hilfsorganisation Oxfam mit Blick auf Kosten für Treibstoffe und Transport. „Selbst wenn es den ukrainischen Landwirten gelingen sollte, ihre Felder zu bestellen und zu ernten, würde der Krieg wegen der steigenden Energiepreise Nahrungsmittel immer noch teurer machen“, sagt Wiggerthale.
Die höheren Preise für Weizen und Mais treffen auf Gesellschaften im globalen Süden, die wegen der Corona-Krise ohnehin stark leiden. „Die Menschen dort haben keine Reserven mehr“, warnt Wiggerthale. „Steigende Lebensmittelpreise werden in vielen Regionen zu mehr Hunger führen.“
Auch Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe erwartet eine Verschlechterung der weltweiten Ernährungssituation. Bis zu 811 Millionen Menschen weltweit litten schon heute unter Hunger, deren Zahl könne sich durch die Kriegsfolgen vergrößern. Dagegen müssten die Industriestaaten schon jetzt etwas tun, fordert Schneider. „Länder wie Deutschland sind gefordert, ihre Unterstützung für Hungerbekämpfung und ländliche Entwicklung auszubauen.“
Russland und Ukraine bereits bei Exporten im Rückstand
Baldige Entspannung ist nicht zu erwarten, auch weil die globale Nachfrage steigt. „Die Getreideversorgung ist weltweit seit Jahren eng“, sagt Raiffeisen-Experte Seedler. „Wir werden jedes Jahr 80 Millionen Menschen mehr, das bedeutet 40 Millionen Tonnen mehr Getreide.“ In den vergangenen Jahren seien Angebot und Nachfrage ungefähr ausgeglichen gewesen, aber bei den wichtigsten Produkten Weizen und Mais zeichne sich nun Mangel ab.
Die Ukraine und Russland seien bereits bei den geplanten Exporten im Rückstand. „In diesem Wirtschaftsjahr fehlen mehr als zehn Millionen Tonnen Weizenexporte und 15 Millionen Tonnen Maisexporte aus der Schwarzmeer-Region dem internationalen Markt“, sagt Seedler. „Bei eng versorgten Märkten macht das Angst.“
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Der Deutsche Bauernverband sieht noch ein weiteres Problem: Weil nicht nur die Preise für Öl, sondern auch die für Gas steigen, von denen wiederum der der Kunstdüngerpreis abhängig ist, könnte es auch hier zu Engpässen kommen. „Stickstoffdünger ist der wichtigste Dünger in der Landwirtschaft“, sagt DBV-Mann Hemmerling. „Die Gefahr, dass mangels Verfügbarkeit von Dünger Erntemengen zurückgehen, ist groß.“