Wohnmobile der nächsten GenerationVom aufblasbaren Alkoven bis zum Elektroantrieb
Hannover – Konzeptfahrzeuge und Studien, wie man sie von den großen Automobilausstellungen dieser Welt kennt, gehören in der Caravaningbranche zu einer eher seltenen Spezies. Mit dem anhaltenden Boom in der Reisemobilindustrie allerdings entwickeln die Hersteller mehr und mehr ihre Innovationskraft. Ging es vor wenigen Jahren bei der jährlichen Neuheitenschau oft nur um geringfügige Abweichungen von Standardgrundrissen, neue Möbeldekore oder Polsterbezüge, gewähren zumindest die Big Player mit neuen Ideen jetzt immer öfter einen Ausblick auf die Zukunft – und setzen das auch noch schnell in die Serienproduktion um.
Aktuellstes Beispiel: Bürstner präsentiert zum Modelljahr 2022 mit dem Lyseo Gallery ein Fahrzeug mit einem aufblasbaren, ausfahrbaren Alkoven – was es so im Reisemobilbau noch nie gegeben hat. Zwar läuft der Fiat-Ducato-Aufbau mit dem flexiblen Erker über dem Fahrerhaus vorerst noch unter Konzeptfahrzeug, der Hersteller aus dem badischen Kehl verspricht aber, die serienreife Version des Wohnmobils noch 2022 an den Start zu bringen. Preislich dürfte sie etwa 10.000 Euro über einem vergleichbaren Teilintegrierten liegen.
Bürstner: Per Knopfdruck zum zweistöckigen Reisemobil
Die Vorteile? Während der Fahrt sieht der 2,95 Meter hohe Bürstner Lyseo mit eingefahrenem „Gallery Roof“ wie ein Teilintegrierter aus, lässt sich so auch einfacher manövrieren und konsumiert weniger Sprit als ein normales Alkovenmodell mit größerer Stirnfläche. Im Stand wird aus dem T-Modell dann ein 3,70 Meter hohes, zweistöckiges Reisemobil, nachdem per Knopfdruck Kompressorluft in die aus einem Luftkammerngewebe bestehenden Wände des flexiblen Alkovens gepumpt wurden.
Das könnte Sie auch interessieren:
Mit 1,10 Meter Höhe erweist sich das Oberstübchen als wahrer XXL-Schlafraum mit eigenem Tisch, Sitzgelegenheit und Handyladestation. Ebenfalls einzigartig: Zur ersten Etage führt ein bequemer Treppenaufgang, der zwar mehr Platz als eine simple Leiter beansprucht, bei dem aber jeder Kubikzentimeter Raum unter den Stufen sinnvoll als Stauraum genutzt wird.
Spätestens bei diesem Detail wird klar: Bürstner hat mit der aufblasbaren Dachkammer nebst Treppe zwei Komponenten der Zukunftsstudie Hymer Vision Venture adaptiert, weiterentwickelt und zum Patent angemeldet. Schließlich ist auch Bürstner ein Teil der Erwin-Hymer-Gruppe. Die Van-Vision auf Mercedes-Sprinter-Basis hatte 2019 auf dem Caravan-Salon mit einer völligen Neuinterpretation des Wohnraums für Furore gesorgt. Quasi ein Tiny House auf Rädern.
Ausklappbare Sonnenterrasse oder begehbare Heckgarage
Gut möglich, dass schon bald auch noch andere Elemente des Konzeptfahrzeugs bei der ein oder anderen Konzernmarke in die Serienproduktion einfließen. Die ausklappbare Sonnenterrasse im Heck etwa, mit Holzboden und herausziehbarer Elektro-Outdoor-Barbecue-Station, die sich an eine schicke Sitzgruppe aus zwei Face-to-Face-Längssitzbänken mit Tisch und angrenzender Edelküche samt Induktionskochstellen anschließt.
Oder eine weitere kleine, begehbare Aussichtplattform vor dem Schlafgemach im Obergeschoss. Selbst Carado, die Einsteigermarke aus dem Hymer-Konzern, präsentierte einen sieben Meter langen Integrierten als Konzeptfahrzeug, der viele Messebesucher vor allem wegen seiner begehbaren Heckgarage mit eigener Eingangstür begeisterte. Fahrräder und E-Bikes werden hier in einer Wandhalterung aufgehängt, und die deckenhohe Kabine mit Sitzplatz und Garderobenhäkchen ist so geräumig, dass sie beim Betreten mit nassen Klamotten als idealer Umkleideraum dient – mit Zugang zum Raumbad direkt nebenan.
Mercedes: Kommen die Alternativen zum Dieselantrieb?
Während die Designstudien der Camper-Vans von Knaus und Weinsberg, die dort unter der Bezeichnung CUV firmieren, oder der allradangetriebene Cliff-Van von Sunlight eher als Showcars zu betrachten sind, nähren die elektrifizierten Reisemobilkonzepte die Hoffnung, dass es in naher oder ferner Zukunft Alternativen zum alles beherrschenden Dieselantrieb geben könnte.
Wobei das e.Home von Dethleffs, ein mit Solarzellen bestücktes Alkovenmodell, sicher wesentlich weiter von einer Umsetzung in die Serie entfernt ist als das Mercedes-Conceptcar F-Cell. Die Stuttgarter haben den bereits im SUV-Modell GLC serienmäßig eingesetzten Plug-in-Antrieb mit einer Kombination aus Brennstoffzellen- und batterieelektrischem Antrieb in ein teilintegriertes Sprinter-Modell verpflanzt, das mit vier Wasserstofftanks im Unterbau bis zu 500 Kilometer weit kommen soll.
Die Umsetzung dauert an
Im Gegensatz zu dem bereits in der Serie umgesetzten Schnittstellenmodul MBAC (Mercedes-Benz Advanced Control), das über eine intelligente Vernetzung die Trennung zwischen Basisfahrzeug und Wohnbereich aufhebt und das Wohnmobil in ein Smarthome verwandelt, dürfte der F-Cell allerdings noch Zukunftsmusik sein.
Bisher ist nicht einmal der angekündigte Plug-in-Hybrid von Dethleffs verwirklicht, der auch bereits 2019 als Studie gezeigt wurde. Der Globevan e.Hybrid auf Basis eines Ford Tourneo Custom PHEV sollte zu Preisen ab 74.990 Euro längst bei den Händlern stehen. Nichts alles wird ebenso schnell umgesetzt wie der aufblasbare Alkoven von Bürstner.