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Zehn Jahre NSU-EnttarnungLeere Wiese statt mahnender Gedenkstätte

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Eine Passantin vor dem durch eine Explosion zerstörten Haus in der Frühlingsstraße in Zwickau.

Zwickau – Die Frühlingsstraße, im Norden von Zwickau. Eine grüne Wiese, ein Spielplatz. Mehr ist nicht übrig von dem Ort, an dem sich einmal das letzte Versteck des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) befand. Während Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mordend durchs Land zogen, hielt ihre Freundin Beate Zschäpe hier die bürgerliche Fassade des Terrortrios aufrecht. Sie lud Nachbarn auf Pizza und Prosecco ein, blieb für einen Schwatz stehen.

Vor zehn Jahren, am 4. November 2011, fand die Polizei in einem Wohnmobil in Eisenach die Leichen von Mundlos und Böhnhardt. Sie hatten zuvor eine Sparkasse überfallen und wussten durch das Abhören des Polizeifunks, dass die Beamten ihnen auf den Fersen waren. Zschäpe zündete derweil die gemeinsame Wohnung an und begab sich auf eine ziellose Flucht. Sie warf mindestens zwei von insgesamt 15 Bekenner-DVDs in den Briefkasten, die in den Folgetagen an politische, kulturelle und religiöse Organe und Redaktionen versandt wurden. Am 8. November stellte sich Zschäpe in Jena der Polizei.

Zwickau war Rückzugsort des NSU-Trios

Zwickau war der Rückzugsort des Trios. Dass so etwas hier möglich war, ein scheinbar normales Leben und eine zehnjährige Mordserie, daran erinnert hier heute nichts mehr. Das Haus mit der NSU-Wohnung ist abgerissen. Bei manchen in Zwickau weckt das Unverständnis. Die leere Wiese steht für sie symbolisch dafür, dass sich die Stadt nicht ausreichend mit dem NSU auseinandersetzt. Und mit der Frage, warum das Terrortrio ausgerechnet hier unbemerkt unterkommen konnte. Aber es gibt auch das andere Zwickau. Jenes, das sich nach zehn Jahren nach einer Art Schlussstrich sehnt. Und hat der der NSU seine Taten nicht in ganz anderen Städten verübt, in Dortmund, Kassel und Nürnberg? Und ist er nicht auch in anderen Städten untergekommen, etwa in Chemnitz und Jena?

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Mitten in das Gedenken an die Opfer des NSU platzt ein Streit, wie weit Gedenken überhaupt gehen darf. Um den Streit zu verstehen, kann man bei einer Frau anfangen, die ihr Büro fünf Kilometer südlich von der grünen Wiese hat. Constance Arndt, 44, hat früher ein Modegeschäft geführt. Vor einem Jahr wurde sie für die „Bürger für Zwickau“ zur Oberbürgermeisterin gewählt. Für die leere grüne Wiese kann Arndt nichts. Ihre Vorgängerin Pia Findeiß ließ das Haus abreißen, das der NSU dort bewohnte.

„Die Morde machen mich bis heute betroffen“

Wie halten Sie es mit dem NSU, Frau Arndt? „Die Morde machen mich bis heute betroffen“, sagt sie. Auch deshalb habe sie kürzlich zugesagt, als die Macher einer Theateradaption des NSU-Prozesses sie für eine Rolle anfragten. Sie musste einmal darüber schlafen, dann sagte sie zu. Auf einer Bühne in Weimar las sie die Aussagen einer Zeugin des Prozesses vor, an dessen Ende Beate Zschäpe verurteilt wurde. „Ich habe dadurch einiges neu verstanden“, sagt sie. Und schlussfolgert: Man muss auch künftig in Zwickau die Frage aufwerfen, wie es sein konnte, dass das mordende Trio hier unbemerkt leben konnte. „Der NSU konnte in Zwickau untertauchen, weil er hier ein Netzwerk hatte“, sagt sie.

Am Donnerstag, dem zehnten Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU, wird Zwickau einen Gedenktag abhalten. Constance Arndt wird im Zwickauer Dom der Opfer des NSU gedenken. Auch die Stadtoberhäupter von Jena und Chemnitz werden dabei sein, dort war der NSU auch aktiv. Danach will man gemeinsam an den Gedenkbäumen im Zwickauer Schwanenteichpark Kerzen abstellen. Die Bäume wurden 2019 in Erinnerung an die zehn Todesopfer des NSU gepflanzt.

Wenige Wochen später jedoch wurde einer von ihnen abgesägt – mutmaßlich von Rechtsextremisten.

„Es gibt in Zwickau immer noch starke Neonazi-Strukturen“

Für Zwickauer wie Jakob Springfeld war das Absägen ein Signal, dass die Unterstützer des NSU weiterhin in der Stadt aktiv sind. Der heute 19-Jährige brachte damals mehr als 100 Schülerinnen und Schüler in der Hofpause dazu, mit Blumen für eine Schweigeminute zu dem abgesägten Baum zu spazieren. Heute sagt er: „Es gibt in Zwickau immer noch starke Neonazi-Strukturen.“ Er habe das selbst erlebt. Als er die ersten Fridays-for-Future-Demonstrationen seiner Stadt mit organisierte, wurden er und andere plötzlich in seiner Stadt angefeindet. „Das waren Bedrohungen, man wird angespuckt, es steht plötzlich ein Nazi vor deiner Tür“, sagt er. Auch die Plauener Neonazi-Partei „III. Weg“ entdeckt Zwickau derzeitig als strategischen Raum. Ihre Plakate im Bundestagswahlkampf mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ wollte Oberbürgermeisterin Arndt verbieten – aber das Verwaltungsgericht Chemnitz entschied, dass sie bleiben durften. Personen, die sich in Zwickauer Vereinen gegen rechts engagieren, berichten von Bedrohungen.

Darauf, dass es in Sachsen bald einen festen Ort geben soll, der sich mit dem NSU auseinandersetzt, hat man sich aber mittlerweile in der sächsischen Regierung festgelegt. Man wolle die Errichtung „eines Dokumentationszentrums für die Opfer der Taten des in Sachsen untergetauchten NSU unterstützen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die örtliche Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) soll zudem ein Ort mit Archiv und Ausstellungsraum werden, zum Erinnern und für Abendveranstaltungen. Und viele, die sich für ihn einsetzen, können sich gut vorstellen, dass er an einen markanten Ort kommt: Die leere grüne Wiese im Norden.