Optimismus mag als Lebenseinstellung funktionieren - als Basis für verantwortungsvolle Krisenpolitik taugt er leider nicht. Wer daran bislang zweifelte, lernt das gerade in Form einer zweiten Corona-Welle, die die erste in Sachen Tödlichkeit und Überlastung der Krankenhäuser weit übertrifft.
Ermöglicht wurde sie durch Landesregierungen, die zu lange vom Besten ausgegangen sind: dass die Bevölkerung auch ohne strikte Vorgaben corona-konform lebt, dass ein zweiter Lockdown und vor allem erneute Schulschließungen ganz sicher vermeidbar sind - und schließlich, dass ein Länder-Wirrwarr an Beschränkungen und ein “sanftes“ Herunterfahren des öffentlichen Lebens das Schlimmste abwenden können.
Ein Plan B, den es in vielen Bereichen nicht gibt
All das ist nicht eingetreten, sodass nun der Plan B greifen muss - den es in vielen Bereichen allerdings nicht gibt. Zwar wurden die Intensivbetten aufgestockt, aber langfristige Perspektiven für Schulen, Kitas, Arbeitnehmer und Risikogruppen fehlen noch immer weitgehend.
Schlimmer noch: Während Deutschland in der zweiten Welle strampelt, droht die Politik ihren Fehler zu wiederholen. Der Lockdown gilt als Lösung - und danach wieder das Prinzip Hoffnung: Sinken die Infektionszahlen genug, könnten wir uns ja bis zum Sommer durchwurschteln, mit viel Staatsgeld und noch mehr Daumendrücken dafür, dass die Impfstoffe alle weiteren Probleme vor dem Herbst 2021 lösen.
Ein Lockdown ist keine Therapie
Das birgt nicht nur das Risiko, dass die Hoffnung ein weiteres Mal enttäuscht wird. Denn die Lehre aus dem aktuellen Schlamassel muss sein: Ein Lockdown ist keine Therapie, sondern bremst das Virus nur für eine Zeitlang aus. Die Virologen und Vorsichtigen, aber auch die Bundeskanzlerin hatten das schon im Spätsommer betont, als die Ministerpräsidenten aus Angst vor Anti-Corona-Demos oder um ihre Beliebtheitswerte noch die Augen vor den steigenden Zahlen verschlossen.
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Die Abfuhr, die Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer schärferen Vorsichtsmaßnahmen mit dem Satz “Keine Hysterie, bitte!“ erteilte, kam nur acht Wochen vor seiner Ankündigung, seinen Freistaat in einen harten Lockdown zu schicken. Dabei war auch damals schon klar, dass sich jede Maßnahme erst nach zwei bis drei Wochen auf die Infektionszahlen auswirkt. Prävention ist also Planung, nicht Hysterie.
Doch wenn die Politik es dabei belässt, so lange von Lockdown zu Lockdown zu lavieren, bis der Impfstoff wirkt, wäre das nicht nur riskant. Es wäre zudem eine verpasste Chance, jene Reformen im Corona-Turbo umzusetzen, die ohnehin nötig sind: in der Pflege, im Gesundheitssystem, in der Digitalisierung der Schulen und der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf, etwa durch flexibles Arbeiten und digitales Homeoffice. Hatte der Bundestag nicht gerade mehrfach seine fehlende Beteiligung beklagt?
Selbst wenn dieses Mal die Optimisten Recht behalten und der Corona-Albtraum 2021 endet: Diese Verbesserungen würden auch einem pandemiefreien Deutschland gut zu Gesicht stehen.