AboAbonnieren

„Man schießt sich selbst ins Knie“Weniger Teilzeitstellen in Schulen? – Verbände kritisieren neue NRW-Lehrerpläne

Lesezeit 3 Minuten
Schülerinnen und Schüler einer nordrhein-westfälischen Grundschule sitzen in ihrem Klassenraum - an den Schulen in Nordrhein-Westfalen sind aktuell rund 8000 Lehrerstellen nicht besetzt.

An den Schulen in Nordrhein-Westfalen sind aktuell rund 8000 Lehrerstellen nicht besetzt.

Verbände und Gewerkschaften verwerfen auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Pläne der Bildungsministerin, Teilzeitstellen abzubauen. Mit mehr Vollzeit will Dorothee Feller den Lehrkräftmangel bekämpfen.

Auf dem heimischen Schreibtisch stapeln sich Klassenarbeiten, die korrigiert werden wollen. Im Schulkollegium häufen sich die Krankheitsfälle und damit die Vertretungsstunden für die verbliebenen Lehrkräfte – dazu kommen Gespräche mit Eltern und den Schülerinnen und Schülern, Konferenzen, und reguläre Unterrichtsstunden soll man schließlich auch noch geben. Auch angesichts dieser zahlreichen Aufgaben ziehen in NRW 37,5 Prozent der hauptberuflichen Lehrkräfte die Konsequenz, auf eine Teilzeitstelle zu reduzieren.

Neben familiären Gründen hält Sven Christoffer, Vorsitzender des Verbands Lehrer NRW, Stress für ein zentrales Motiv, die Arbeitszeit zu reduzieren: „Der Hauptgrund dürfte darin liegen, dass diese Kolleginnen und Kollegen eine Belastungsgrenze erreicht und für sich entschieden haben, auch auf Geld zu verzichten.“

An dieser Stelle aber will Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) nun die Axt ansetzen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen fürchten. „Anträge der Lehrkräfte auf Teilzeitbeschäftigung, die nicht im Zusammenhang mit familiären Gründen stehen (zum Beispiel Kinderbetreuung oder Pflege eines nahen Angehörigen), werden intensiv geprüft, ob im Einzelfall dienstliche Gründe einer Genehmigung (im beantragten Umfang) entgegenstehen“, so heißt es im „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“, mit dem die Ministerin den Lehrkräftemangel bekämpfen will. Neben der Reduzierung der sogenannten voraussetzungslosen Teilzeit will sie überdies auch den früheren Eintritt in den Ruhestand erschweren.

NRW schlägt den falschen Weg ein, meinen Kritiker

198.040 hauptberufliche Lehrkräfte waren in Nordrhein-Westfalen laut der Statistik des Düsseldorfer Schulministeriums zum Stichtag 23. Juni 2022 beschäftigt – 119.659 Vollbeschäftigten stehen dabei 78.381 Teilzeitkräfte gegenüber. „Nach meiner Information beträgt die Zahl derjenigen Lehrkräfte, die eine voraussetzungslose Teilzeit genehmigt bekamen, 13.000“, so Sven Christoffer vom Lehrerverband.

Mit Vertretern anderer Verbände sowie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist sich Christoffer auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einig, dass die Ministerin den falschen Weg einschlägt, wenn sie die Möglichkeit zur Teilzeit beschränkt. „Man schießt sich selbst ins Knie, wenn man einerseits den Lehrerberuf attraktiver gestalten will und gleichzeitig Menschen abschreckt, für die etwa die Möglichkeit zur Teilzeit ein Anreiz wäre, diesen Beruf zu ergreifen.“

Die Attraktivität des Lehrberufs steigern und die Wertschätzung für das Lehrpersonal erhöhen, genau das ist auch ein erklärtes Ziel Fellers. Dazu gehöre für viele Lehrkräfte jedoch auch die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, so Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW in NRW. „Wer die Teilzeitregelung jetzt verschärft, verschlechtert die Arbeitsbedingungen zusehends.“

Auch Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbands in Nordrhein-Westfalen, bewertet die Pläne des Bildungsministeriums kritisch. „In aller Regel gibt es gute Gründe für den Wunsch, weniger arbeiten zu wollen. Viele Kolleginnen und Kollegen nehmen angesichts der enormen Belastung durchaus finanzielle Einbußen in Kauf, um sich vor Überbelastung zu schützen.“ Verbände und Gewerkschaften fürchten, dass durch den Wegfall von Teilbeschäftigungsmöglichkeiten der Krankenstand weiter steigen könnte und die Attraktivität des Berufs zusätzlichen Schaden nimmt.