Der FC hat wie in der bisher letzten Abstiegssaison nur einen Punkt nach sieben Partien – Ein Vergleich der Spielzeiten
Die Kölner sind TabellenletzterWo sich die FC-Lage zur Abstiegssaison ähnelt – und wo sie sich unterscheidet
Es ist fast genau sechs Jahre her, da nahm der 1. FC Köln nach dem siebten Bundesliga-Spieltag ebenfalls mit nur einem Punkt den letzten Tabellenplatz ein. Jetzt erinnert die aktuelle Saison an die Saison 2017/18, als der FC mit 22 Punkten sang- und klanglos abstieg. Oder doch nicht? Ist die aktuelle Situation zwar absolut ernst, aber weniger dramatisch? Ein Vergleich der Spielzeiten. Es gibt Hoffnungsschimmer, aber auch Alarmzeichen.
Die Ausgangslage
Der Saisonstart vor sechs Jahren war noch katastrophaler. Nach einer Spielzeit voller Euphorie, Platz fünf und der Qualifikation für die Europa League leistete sich der FC früh Pleiten daheim gegen den späteren Mit-Absteiger HSV (1:3) oder in Augsburg (0:3). In Dortmund geriet der FC 0:5 unter die Räder, der einzige Punktgewinn gelang in Hannover (0:0). Das Torverhältnis war miserabel (2:15). Das Startprogramm in dieser Saison war schwieriger; Köln spielte bei Spitzenreiter Leverkusen (0:3), gegen den Zweiten Stuttgart (0:2), beim Vierten Dortmund (0:1), gegen den Fünften Hoffenheim (1:3) und bei heimstarken Frankfurtern (1:1). Und hat (schwache) vier Tore erzielt und 14 kassiert. Doch im Gegensatz zu 2017 hat der FC keine zusätzliche Belastung durch internationale Spiele.
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Die Kaderplanung
In diesem Vergleich liegen die größten Unterschiede. Im Sommer 2017 hatte der FC nach der direkten Europokal-Qualifikation und vor allem aufgrund des Verkaufs von Torjäger Anthony Modeste für über 30 Millionen Euro Ablöse nach China (Ende 2018 kam Modeste ablösefrei zurück!) ein ganz anderes Budget zur Verfügung. Das gab der FC mit vollen Händen wieder aus, 34 Millionen Euro flossen alleine in die Sommertransfers Jhon Córdoba, Jannes Horn, Jorge Meré und João Queirós. Chris Führich, heute ein Nationalspieler in spe, wurde ablösefrei aus der Jugendabteilung von RW Oberhausen geholt. Das Drama: Keiner der teuren Neuen half dem FC auf Anhieb.
Heute ist der FC bedingt durch die Corona-Pandemie und Altlasten bekanntlich zum Sparen gezwungen. Lediglich für die feste Verpflichtung von Jeff Chabot zahlte der FC eine relevante Summe (2,5 Millionen Euro). Alle anderen Spieler kamen ablösefrei (Pacarada, Christensen, Pentke, Nickisch) beziehungsweise wurde ausgeliehen (Waldschmidt, Alidou, Carstensen), kosten dafür womöglich in der Zukunft Ablöse.
Während der jüngsten Mitgliederversammlung gab die Klubführung aber einen Jahresgewinn nach Steuern von 12,4 Millionen Euro bekannt (2017 waren es 11,1 Millionen nach Steuern). Geld, das kaum in den Kader, sondern in den Abbau des Schuldenbergs investiert wurde. Der hat bei den Verantwortlichen eine größere Priorität. Kein Klub in der gesamten Liga gab weniger aus. Es ist ein Vabanquespiel. Und zwar eines vor dem Hintergrund einer möglichen Transfersperre im Winter.
In der Winterpause 2017/18 hatte der neue Sport-Geschäftsführer Armin Veh noch einmal nachgelegt, holte Simon Terodde (erzielte in der Rückrunde fünf Tore) und Vincent Koziello für insgesamt rund sechs Millionen Euro. Doch das kam alles zu spät, die Kölner hatten da mit indiskutablen sechs Punkten bereits neun Zähler Rückstand auf Platz 15. Was die Besetzung und die Namen angeht, war der Kader 2017 dennoch stärker einzuschätzen als der aktuelle. Top-Torjäger Modeste war seinerzeit der einzige Leistungsträger, der den FC vor der Saison verlassen hatte. Vor dieser Saison hatte das Baumgart-Team unter anderem Kapitän Jonas Hector und Ellyes Skhiri verloren, kompensiert das aber nicht wirklich. Vor sechs Jahren hatten sich dafür andere Dramen abgespielt.
Die Verletzungen
Auch in dieser Saison haben die Kölner Verletzungspech. Mark Uth, Jan Thielmann und Florian Dietz fallen schon seit Monaten aus (Uth praktisch seit 14 Monaten), andere (Benno Schmitz, Eric Martel oder Linton Maina) immer mal wieder. Doch das ist kein Vergleich zur Saison 2017/2018, als den Kölnern zeitweise bis zu 15 Profis gleichzeitig fehlten – vor allem wegen Muskelverletzungen. Hector war sogar monatelang ausgefallen. Es gab ganz offensichtlich große Probleme bei der Trainings- und Belastungssteuerung, der Athletiktrainer wurde wegen fehlender Loyalität zu Stöger, wie es hieß, freigestellt. Das Team wirkte nicht fit. Im Gegensatz zum aktuellen, dem einiges abgeht, aber nicht die Fitness: Was die Laufleistung angeht, spult der FC hinter Heidenheim und Hoffenheim die meisten Kilometer ab.
Die Trainer/Manager
Peter Stöger war vier Jahre lang ein Glücksfall für den FC und hatte den Klub von der 2. Bundesliga in die Europa League geführt. Der Wiener passte auch mit seiner charmanten Art zum Klub und der Stadt. Doch der Coach gab später selbst zu, dass er in seinem fünften Jahr in Köln eine gewisse Leere gespürt hatte.
Diesen Eindruck vermittelt Steffen Baumgart in seiner dritten FC-Saison nicht. Im Gegenteil: Der Coach brennt weiterhin. Und das Verhältnis zu seinen Spielern scheint absolut in Takt zu sein – das war aber auch unter Stöger lange der Fall. Zwar waren zuletzt Baumgarts personelle Entscheidungen nicht immer glücklich und er wurde für diese auch kritisiert, doch er genießt nach zwei starken Jahren verdientermaßen viel Kredit – beim Großteil der Fans und hoffentlich auch bei der Vereinsführung. Baumgart galt nicht nur lange als Bessermacher, sondern ist zu dem Gesicht des Klubs geworden. Und füllt damit auch ein Vakuum aus.
Die größte Kritik muss derzeit Sport-Geschäftsführer Christian Keller einstecken. Der war im Frühjahr 2022 vom Vorstand nicht nur als Sportchef, sondern auch als Sanierer installiert worden. Zweifellos ein gewaltiger Spagat, ein schwieriger Job. Keller verteidigt seinen Kader derzeit fast schon trotzig. Abgerechnet werde nach 34 Spieltagen, der Kader habe „absolut das Zeug“ für die Bundesliga. Damit setzt der Sportchef natürlich auch Baumgart unter Druck, die auf einer Arbeitsebene aber immerhin miteinander sprechen.
Das war 2017 zwischen Trainer und Sportchef irgendwann überhaupt nicht mehr der Fall gewesen. Der zuvor in Köln erfolgreiche Jörg Schmadtke hatte im Sommer komplett das Gespür für Transfers, für Maß und Mitte verloren. Der erfahrene Manager und Trainer Stöger bildeten lange Zeit ein Duo, das dem Klub gut zu Gesicht stand. Doch dann kam es zum Zerwürfnis zwischen beiden, man hatte sich nicht mehr viel zu sagen, die sportlichen Absprachen litten darunter. Ende Oktober trennten sich der Verein und Schmadtke in „beiderseitigem Einvernehmen“, wie es hieß. Doch vielmehr hatte Schmadtke mit einer saftigen Abfindung im Gepäck den FC verlassen. Es blieb Geschäftsführer Alexander Wehrle. Armin Veh, mit dem Wehrle einst beim VfB Stuttgart erfolgreich zusammengearbeitet hatte (2007 Meister), übernahm ab Mitte Dezember. Anfang Dezember hatte sich der Klub zuvor von Stöger getrennt. U19-Trainer Stefan Ruthenbeck trat im Chaos und mit nur drei Zählern auf dem Konto die Nachfolge an.
Das Umfeld
Vor der Saison 2017 herrschte rund um den Verein eine große Euphorie. Erstmals seit einem Vierteljahrhundert hatte sich der FC wieder für den Europapokal qualifiziert. Zum ersten Spiel in der Europa League Mitte September bei Arsenal wurde der FC von über 20000 Fans nach London begleitet. Doch der Boom war gleichzeitig auch Gift. Das Gesamt-Gebilde war weniger gefestigt als gedacht, der Ernst der Lage wurde viel zu lange verkannt. Der Klub verharrte ewig in einer Schockstarre. Die Fans blieben ebenso ruhig wie die Medien, keiner traute sich ernsthaft, in der kommoden Wohlfühl-Atmosphäre den Finger in die Wunde zu legen – ein Fehler, wie man später leidvoll erkennen musste.
Erstaunliche 6400 Mitglieder waren Ende September 2017 zur Mitgliederversammlung gekommen. Dort ging es doch hoch her: In der Lanxess-Arena drehte sich viel um die Stadionfrage, die Investorenfrage, um einen (gescheiterten) Satzungsänderungsantrag einer Mitgliederinitiative – und um Gratis-Kapuzenpullis – bei deren Ausgabe es Tumulte gab. Um Sport ging es nur am Rande. Déjà-vu: Auch während der Mitgliederversammlung zuletzt wurde über sehr vieles auch lautstark diskutiert, aber nur unwesentlich um den Kern eines Profi-Klubs mit 132000 Mitgliedern: um den Zustand und die Zukunft der Bundesliga-Mannschaft.