Auch der VfB-Boss und langjährige FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle hat mit dieser Leistungsexplosion nicht gerechnet. Bei Trainer Hoeneß gibt er sich ganz entspannt.
Veränderte Vorzeichen vor DuellStuttgart hat plötzlich 30 Punkte mehr als der FC
Wenn am kommenden Samstag (15.30 Uhr, Sky) der 1. FC Köln beim VfB Stuttgart antritt, dann haben sich die Vorzeichen für dieses Duell der Traditionsklubs im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit fundamental verändert. Der VfB ist in der Bundesliga ohne Zweifel der Verein, der im Vergleich zur Spielzeit 2022/23 den größten Sprung gemacht hat. Der FC dagegen zählt zu den Klubs, die den größten Absturz hingelegt haben.
Nach 22 Spieltagen trennen die Stuttgarter auf Platz drei (46 Punkte) und die Kölner auf Rang 16 (16) erstaunliche 30 Punkte. Während die Schwaben auf dem besten Weg in die Champions League sind, muss der FC akut um den Klassenerhalt zittern. Der Vorletzte Mainz liegt nur noch einen Punkt zurück, Platz 15 ist sechs Punkte entfernt.
1. FC Köln war in den vergangenen beiden Spielzeit klar vor Stuttgart
Auch der Ex-Kölner Alexander Wehrle ist von dieser Entwicklung überrascht – von der seines Vereins Stuttgart. „Natürlich war es nicht zu erwarten, dass wir nach 22 Spieltagen bereits 46 Punkte auf dem Konto haben. Vor allem nicht nach den Erfahrungen der vergangenen beiden Spielzeiten und dem großen Umbruch im vergangenen Sommer“, sagt der heutige VfB-Vorstandsvorsitzende im Gespräch mit dieser Zeitung. Schließlich hatten die Stuttgarter 2022 erst am 34. Spieltag den Klassenerhalt gesichert – dank des 2:1-Siegtreffers von Wataru Endo in der Nachspielzeit. Gegner damals: der 1. FC Köln. Für den hielt sich der Ärger allerdings in engen Grenzen, schließlich stand für das Baumgart-Team in der Endabrechnung ein hervorragender siebter Platz zu Buche, der zur Teilnahme am Europapokal berechtigte.
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In der vergangenen Spielzeit blieb dem VfB nach einer äußerst unruhigen Saison die Relegation allerdings nicht erspart. 33 Punkte reichten nicht für den Klassenerhalt, in dieser Saison dürfte diese Marke locker die Rettung bedeuten. Die Relegation meisterten die Schwaben dann allerdings souverän gegen den Hamburger SV (3:0, 3:1), doch vom Anspruchsdenken des Klubs war das weit entfernt. Der FC hatte die Bundesliga-Saison bereits zuvor als solider Elfter abgeschlossen.
Doch jetzt trennen die Klubs auf einmal sportliche Welten. Und das war nicht nur aufgrund der jüngeren Vergangenheit nicht derart zu erwarten gewesen. Was zum einen mit den mannigfachen Problemen des FC zu tun hat, die sicher nicht aus heiterem Himmel kamen, aber die in dem Ausmaß auch nicht prognostiziert worden waren. Zum anderen war auch der große Aufschwung des VfB in der Form nicht vorhersehbar. Aus Gründen.
VfB nach großem personellen Umbruch in der Erfolgsspur
„Wir hatten 27 Transfer-Aktivitäten zu bewerkstelligen. 17 Spieler verließen uns, zehn kamen – davon fünf auf Leihbasis. Der Umbruch war immens. Das Ziel war deshalb erst einmal, eine ruhige Saison zu spielen und möglichst früh 40 Punkte auf dem Konto zu haben“, sagt Wehrle, der von 2013 bis 2022 Geschäftsführer beim 1. FC Köln war. Unter anderem hatten den VfB die Leistungsträger Konstantinos Mavropanos (zu West Ham), Wataru Endo (zum FC Liverpool) und Borna Sosa (zu Ajax Amsterdam) verlassen, dafür spülten die Abgänge allerdings auch knapp 50 Millionen Euro in die Kasse.
Etwas mehr als 20 Millionen Euro wurden davon äußerst sinnvoll investiert: Vom FC Bayern beziehungsweise Brighton wurden Torwart Alexander Nübel und Stürmer Deniz Undav ausgeliehen. Der VfB verpflichtete zudem für neun Millionen Euro fest den zuvor von Rennes ausgeliehenen Torjäger Serhou Guirassy, der in jungen Jahren zwischen 2016 und 2019 sein Glück beim 1. FC Köln nicht gefunden hatte. Und für insgesamt rund neun Millionen Euro kamen die Mittelfeldspieler Angelo Stiller und Woo-yeong Jeong aus Hoffenheim und Freiburg. Als Glücksgriff erwies sich auch der Transfer von Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt, der für nur rund eine halbe Million Euro von Hertha BSC geholt wurde. Der VfB machte summa summarum einen Transferüberschuss von rund 28 Millionen Euro und griff im Winter erneut in Brighton zu, lieh Ex-Nationalspieler Mo Dahoud aus.
Dass sich nahezu alle Zugänge als Volltreffer entpuppten und Guirassy sogar zu einer Liga-Attraktion avancierte, das alles war freilich nicht einmal für Insider zu erwarten gewesen. „Da haben insbesondere Fabian Wohlgemuth und Sebastian Hoeneß mit seinem Trainerteam einen super Job gemacht“, lobt Wehrle den Sportdirektor und den Chefcoach, die Ende 2022 beziehungsweise im April 2023 nach Stuttgart kamen und somit vom VfB-Vorstandschef geholt wurden. Der 44-jährige Wohlgemuth habe bereits bei Holstein Kiel und dem SC Paderborn bewiesen, dass er auch mit weniger Geld ein starkes Team zusammenstellen könne, so Wehrle. „Und Sebastian hat einfach ein besonderes Gespür für die Mannschaft. Er hat nicht nur aus bereits guten Einzelspielern eine echte Mannschaft geformt, bei der die Mischung aus Jugend und Erfahrung stimmt. Sondern er hat auch eine ganz klare Spielidee implementiert, in der viele Automatismen greifen.“
Wehrle bei Hoeneß gelassen: „Gehe fest davon aus, dass Sebastian bleibt“
Der VfB-Boss weiß aber auch, dass Hoeneß erfolgreiche Arbeit Begehrlichkeiten weckt. So etwa beim FC Bayern, der sich im Sommer von Trainer Thomas Tuchel trennt und den 41-jährigen Coach, Neffe von Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß, auf seiner Kandidatenliste haben soll. „Wir sehen das völlig entspannt. Wir sind mit Sebastian im täglichen Dialog. Er fühlt sich in Stuttgart richtig wohl und will etwas mit dem VfB erreichen. Ich gehe fest davon aus, dass er bei uns bleibt“, sagt Wehrle. Aber auch etliche Spieler waren zuletzt in aller Munde. Chris Führich, von 2017 bis 2019 beim 1. FC Köln, darf sich seit dieser Saison Nationalspieler nennen. Undav darf mit einer Berufung im März rechnen, Verteidiger Waldemar Anton hat beste Chancen, Mittelstädt und Nübel werden ebenfalls beim DFB gehandelt.
Und die Hoffnung beim VfB ist groß, dass diese Spieler nicht direkt weggekauft werden. Sie speist sich auch aus der Tatsache, dass der Klub durch den Einstieg des Stuttgarter Luxus-Autobauers Porsche als Investor jetzt finanziell größere Spielräume hat. Wehrle fädelte den Deal ein, der insgesamt ein Volumen von rund 100 Millionen Euro hat. Diese Themen stellen sich aktuell beim 1. FC Köln nicht, der FC hat sich zudem auch klar gegen den Einstieg jedwedes Investors ausgesprochen. Und hat deshalb auch in Zukunft andere Voraussetzungen als der VfB.
Am Samstag ab 15.30 Uhr zählt das aber alles nicht. Da hofft der FC auf eine Überraschung, die kein aussichtsloses Unterfangen sein dürfte, da auch die Stuttgarter Personalsorgen haben und unter anderem auf Nübel und Undav verzichten müssen. Beim Schultz-Team könnte Justin Diehl von Beginn an eine neue Chance erhalten. Und die Kölner hoffen, dass der Auftritt des 19-jährigen Offensivtalents, dessen Vertrag ausläuft, kein Vorspielen ist. Denn es ist kein Geheimnis, dass der VfB zu den aussichtsreichsten Interessenten bei Diehl zählt.