Köln – Salih Özcan, das darf man mit Fug und Recht behaupten, ist Derby-Spezialist. Der formstarke Mittelfeldspieler des 1. FC Köln hat eine blütenweiße Weste in Bundesliga-Duellen gegen Borussia Mönchengladbach. Vier Spiele, vier Siege: Der Ehrenfelder stand bereits mit 18 Jahren im November 2016 auf dem Platz und gab die entscheidende Vorlage, als der FC dank eines Traumtores von Marcel Risse in der 90. Minute im Borussia-Park mit 2:1 gewann. Er zählte zur Mannschaft, die daheim im Februar 2018 den großen Rivalen in der sechsten Minute der Nachspielzeit mit 2:1 niederrang. Er gehörte zu den Kölnern, die im Februar 2021 im Geisterderby in Gladbach mit 2:1 die Oberhand behielten. Und er war in der Hinrunde einer der FC-Stützten beim herausragenden 4:1-Erfolg. In den anderen Duellen, in denen es für den FC nichts zu holen gab, wurde er nicht eingesetzt, fehlte oder war ausgeliehen (2019/20 an Kiel).
Derby-Spezialist Özcan
„Ich hoffe, dass meine Serie weitergeht. Das Derby wird jeder Spieler genießen, wir werden heiß darauf sein“, kündigt Özcan vor dem 94. Duell der Erzrivalen am Samstag (18.30 Uhr, Sky) an, warnte aber zugleich vor dem Gegner, der nach seiner Krise zuletzt im Aufwind war: „Die Gladbacher sind individuell sehr stark. Nach einem 1:4 will jede Mannschaft ein anderes Gesicht zeigen. Wir erwarten eine eklige Truppe, aber wir wissen auch, wozu wir fähig sind.“
Zu Großem fähig ist Özcan, das Talent aus den eigenen FC-Reihen, das mit 24 Jahren gereift ist, jetzt das Vertrauen des Cheftrainers verspürt und zu einer Schlüsselfigur in der Mannschaft von Steffen Baumgart geworden ist. Der Trainer hatte den robusten und dynamischen Mittelfeldspieler nach dem 3:2-Sieg gegen Mainz sogar als „unersetzbar“ bezeichnet. „Es macht mich glücklich, so etwas zu hören. Vor ein paar Monaten hatte mir das wohl keiner zugetraut. Ich genieße das und versuche weiter, meine Leistung zu bringen“, so Özcan. Sein Blitz-Comeback gegen Mainz nach kurzer Krankheit schildert er etwas drollig: „Man sagt immer, wenn man im Urlaub ist, vermisst man Fußball. Die Bluttests waren sauber, ich hab mich gefreut aufzulaufen und hatte einfach Bock drauf.“
Özcan, der nach einer enttäuschenden Saison 2020/21 den FC fast schon verlassen hatte und nur durch ein entscheidendes Gespräch mit Baumgart umgestimmt wurde, hat sich in dieser Spielzeit in den Vordergrund gespielt. So sehr, dass er gleich für zwei A-Nationalmannschaften hätte debütieren können. Der langjährige deutsche Junioren-Nationalspieler entschied sich für die Türkei, dem Land, in dem seine Eltern geboren wurden. Und für das Team von Nationaltrainer Stefan Kuntz, mit dem er im Sommer 2021 noch U21-Europameister mit dem DFB geworden war. Er habe mit Bundestrainer Hansi Flick, Kuntz und seiner Familie über die nicht einfache Entscheidung viel geredet. „Meine Familie hat gesagt, das sei meine Entscheidung, sie seien stolz auf mich. Ich habe Hansi Flick dann meine Entscheidung mitgeteilt, er hat sie akzeptiert und mir Glück für meine Laufbahn gewünscht“, schildert der FC-Profi. Am 29. März war es soweit, Özcan gab in Konya vor den Augen seines Vaters Ilyas gegen Italien sein Türkei-Debüt.
Diese Frage ist also geklärt, die nach seiner Vereinszukunft wird sich dagegen wohl nach der Saison entscheiden. Seine Auftritte sind natürlich der Konkurrenz nicht verborgen geblieben. Der FC will daher alles daran setzen, den bis 2023 datierten Vertrag langfristig zu verlängern. Die Verantwortlichen wollen Özcan zu einer „prägenden Figur“ aufbauen und sprachen davon, ein „gewisses Risiko“ einzugehen. Das deutlich verbesserte Angebot werde der Profi zeitnah erhalten. Aber reicht das auch aus?
„Liebe – auf jeden Fall"
Mit dem zeitlichen Fahrplan des Klubs kann sich Özcan jedenfalls arrangieren. Er selbst sagt: „Es wird keine Entscheidung vor Saisonende geben. Ich habe es so kommuniziert, dass ich die Saison noch zu Ende spielen will und daher keinen Kopf für andere Sachen habe. Wenn es dann so weit ist, werde ich das Gespräch mit dem Trainer suchen und dann eine Entscheidung fällen.“ Die Bindung zum FC und zu Köln sind aber nicht nur weiche Faktoren für einen Verbleib. Auf die Frage, ob er sich im Zweifel für Geld oder Liebe entscheiden müsste, antwortete er prompt: „Liebe – auf jeden Fall! Ich bin hier aufgewachsen, Kölner durch und durch. Ich wohne immer noch in Ehrenfeld. Ich denke, ich bin auch schon eine Identifikationsfigur für viele Jungs in Köln. Die Verhandlungen über meine Zukunft laufen über meinen Berater.“ Und Dirk Hebel sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Jeder weiß, dass Salih sich beim FC und in Köln sehr wohlfühlt. Der Fokus liegt ganz klar darauf, die aktuelle Saison, die für den FC und für Salih hervorragend verläuft, zu einem tollen Abschluss zu bringen. Das hat auch was mit Respekt gegenüber dem Verein der Mannschaft und Steffen Baumgart zu tun, die ganz tolle Arbeit abliefern. Jetzt öffentliche Nebenkriegsschauplätze aufzumachen gehört sich nicht. Natürlich sind Salihs Leistungen auch anderen Vereinen nicht verborgen geblieben, aber auch das werden wir alles in Ruhe bewerten. Wer den Jungen kennt, der weiß, dass das für ihn aktuell kein Thema ist. Salih will und wird sich von solchen Themen nicht ablenken lassen.“ Dem Klub und seinen Fans dürften diese Wortmeldungen sehr gefallen.