Dennis Diekmeier, seit kurzem Trainer, trifft mit Sandhausen am Sonntag auf Köln. Im Interview spricht er auch über seine bewegte Karriere.
Interview vor Pokal-DuellDarum hat Sandhausens Diekmeier nur gute Erinnerungen an den FC
Dennis Diekmeier bestritt 398 Pflichtspiele als Profi. Vielen Fußballfans ist der heute 34-Jährige sicherlich noch als Rechtsverteidiger des Hamburger SV bekannt, für den er insgesamt acht Jahre auflief. Seit nunmehr über fünf Jahren steht Diekmeier beim SV Sandhausen unter Vertrag, dem kommenden Pokalgegner des 1. FC Köln (Sonntag, 15.30 Uhr). Erst ab Januar 2019 als Spieler, nach seinem Karriereende nach der vergangenen Saison hat nun ein neuer Lebensabschnitt für den früheren Verteidiger begonnen, der als Co-Trainer des ambitionierten Drittligisten tätig ist.
Im Interview mit dieser Zeitung spricht Diekmeier nicht nur über das Pokal-Duell und was ihm mit dem FC verbindet, sondern auch über seine ereignisreiche Karriere, einen Rekord, auf den er wohl gerne verzichtet hätte, der ihm aber auch noch zusätzliche Bekanntheit bescherte. Und auch darüber, warum er keine Probleme hat, in TV-Formaten auch Einblicke in sein Familienleben zu gewähren.
Herr Diekmeier, nach Ihrem Karriereende sind Sie nun seit wenigen Wochen Co-Trainer des SV Sandhausen. Wie fühlt sich der Wechsel auf die Trainerbank an?
Dennis Diekmeier: Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, dann hatte ich schon eine geile Zeit, für die ich enorm dankbar bin. Es waren über 15 Jahre mit ganz vielen positiven und wenigen negativen Erlebnissen. Erst im Sommerurlaub habe ich dann richtig realisiert, dass diese Zeit nun endgültig vorbei ist. Es war heftig, meinen Traumberuf aufgeben zu müssen. Der Kopf wollte, dass ich weitermache, doch mein Sprunggelenk ließ es nicht mehr zu. Die Schmerzen nahmen Überhand. Aber ich bin froh, dass mir der SV Sandhausen den direkten Übergang in den Trainerbereich ermöglicht hat. Bereits während meiner aktiven Zeit konnte ich die B-Plus-Trainerlizenz erwerben. So war ich auf die Zeit danach gut vorbereitet. Jetzt bin ich weiter nah an den Jungs dran, aber mehr in der Beobachterrolle. Wir haben eine tolle Mannschaft und ein cooles Trainerteam mit Sreto Ristic und Roberto Pinto, die nach ihrer aktiven Karriere vor einer ähnlichen Situation standen wie ich jetzt. Ich kann viel von ihnen lernen. Ich komme jeden Tag unheimlich gerne zur Arbeit.
Sie waren viele Jahre für die Traditionsklubs HSV, Werder und Nürnberg aktiv. Mittlerweile sind Sie bereits seit Januar 2019 beim SV Sandhausen und sagten, dass Ihnen der Verein „ans Herz gewachsen“ sei. Wie kam es dazu?
Der HSV wird immer mein Lieblingsverein bleiben, schon als Kind war ich HSV-Fan und wollte unbedingt dort mal spielen. Aber als dann meine Zeit in Hamburg nach acht Jahren und unwirklichen 16 Trainern vorbei war, blieb ich ein halbes Jahr vereins- und somit arbeitslos. Das war für mich eine völlig ungewohnte, komische Situation. Ich hatte zwar einige Anfragen, aber bei allen hatte es nicht so gepasst. Als dann im Winter 2018/19 ein konkretes Angebot aus Sandhausen kam, dachte ich ganz ehrlich: Das machst du jetzt einfach mal für ein halbes Jahr, damit du dich in der 2. Bundesliga präsentieren und wieder ins Gespräch bringen kannst – und danach bist du ohnehin wieder weg. Und aus den sechs Monaten sind mittlerweile schon fünfeinhalb Jahre geworden. Ich fühle mich einfach pudelwohl im Klub, meine Familie und ich leben hier auch sehr gerne. Ich genieße in Sandhausen eine große Wertschätzung – das war in meiner Karriere so nicht immer der Fall.
Sie haben in Ihrer Laufbahn auch gelegentlich auf und neben dem Platz polarisiert, oder?
Ich denke, ich bin ein Typ, der geradeaus ist, der ehrlich seine Meinung äußert und sich nicht verstellt. Dass das nicht immer bei allen gut ankommt, damit kann ich leben. Ich bleibe mir treu. Ich habe für meine Mannschaften immer alles gegeben und bin stets vorangegangen – auch wenn fußballerisch bei mir vielleicht nicht immer alles geklappt hat. Klar, der geborene Torjäger war ich nie – Sie wissen schon (lacht).
Sie erreichten eben auch durch Ihre Serie von 203 torlosen Bundesligaspielen in Folge größere Bekanntheit. Ein Rekord für die Ewigkeit?
Das weiß ich nicht, aber ich werde noch heute auf diese Serie angesprochen. Manch einer hat darüber gelacht, medial war das natürlich damals in Hamburg auch ein großes Thema. Das ist aber alles kein Problem, da stehe ich drüber. Ich war mir auch damals sicher, dass ich irgendwann treffen würde. Ich habe mich immer gerne aus der Abwehr nach vorne eingeschaltet. Und es war ja nicht so, dass ich keine Torchancen hatte. Und als ich dann doch traf, war es auch noch Abseits.
Nach 26.415 torlosen Minuten durften Sie sich im Mai 2020 im 294. Profi-Einsatz endlich über ihren ersten Profi-Treffer freuen. Oder waren Sie traurig, weil Sie sich ihre sagenhaft saubere Bilanz selbst verhagelt hatten?
Das ist jetzt aber nicht nett von Ihnen (lacht). Ich habe mich schon sehr gefreut, aber ich hatte danach auch für mehrere Tage keine Ruhe mehr. Es war der Wahnsinn: unzählige Anrufe, Nachrichten, Interview-Anfragen. Mein Handy stand nicht mehr still. Aber der Torjäger hatte halt zugeschlagen (lacht).
Allerdings in einem Geisterspiel ohne Fans in Wiesbaden (1:0) während der Corona-Pandemie. Undankbar, oder?
Das war sicherlich etwas schade, zumal mir dann schon kurz darauf mein nächster Treffer ausgerechnet beim HSV in einem leeren Volksparkstadion gelang. Zum Glück ist mir dann noch gegen Schalke ein Tor vor vollen Rängen gelungen.
Außerhalb des Platzes sind Sie vielleicht auch nicht-fußballafinen Zuschauern als Teilnehmer diverser TV-Formate bekannt, in denen Sie Einblicke in das Privatleben Ihrer Familie gaben.
Haben Sie das mal bereut? Im Gegenteil. Während meiner Hamburger Zeit bin ich mehrfach drauf angesprochen worden, ob das was für uns wäre. Wir hatten und haben kein Problem damit, einen Einblick in unser Leben zu gewähren. Wir sind eine offene, moderne Familie. Ich habe eher ein Problem damit, dass Leute über mich urteilen, die mich eigentlich überhaupt nicht kennen.
Was viele wohl nicht mehr wissen: Sie haben 2008 die Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten U19-Spieler gewonnen. Damit stehen Sie in einer Reihe mit Florian Wirtz, Kai Havertz, Antonio Rüdiger oder Marc-André ter Stegen. Danach machten Sie eher als rustikaler Rechtsverteidiger von sich reden.
Sehen Sie… (lacht). Das war noch zu Zeiten in der Werder-Jugend nach dem Gewinn der U19-EM unter Trainer Horst Hrubesch. Die Auszeichnung hat mir für meine Karriere geholfen – wenn auch nicht bei Werder. Doch wenige Monate später bin ich zum 1. FC Nürnberg gewechselt, beim „Club“ nahm dann meine Profi-Karriere richtig Schwung auf.
Bis zum Oktober 2009, da erlitten Sie im Abschlusstraining einen Allergieschock. Als Auslöser wurde später eine Rasenschimmelallergie diagnostiziert.
Das war anfangs dramatisch. Ich bekam erst Atemnot, dann schwoll mein Gesicht an. Es wurde sogar ein Notarzt per Rettungshubschrauber eingeflogen. Aber danach bekamen wir die Sache gut in den Griff. Bei meinen Klubs hatten die Physios immer ein Notfallmedikament dabei. Größere Probleme tauchten zum Glück nicht mehr auf.
Ihr Bundesliga-Debüt feierten Sie im März 2011 gegen den kommenden Gegner, den 1. FC Köln. Welche Erinnerungen haben Sie?
Nur gute. Wir gewannen mit dem HSV mit 6:2. Ich war davor leider lange verletzt und musste monatelang auf mein Debüt hinarbeiten. Am Spieltag war ich erst sehr nervös und stand gleich in der Startelf. Aber dann passte für uns alles gegen Lukas Podolski und Co. Ein tolles Erlebnis.
Und was erwarten Sie am Sonntag im Pokal-Duell zwischen einem ambitionierten Drittligisten und einem Bundesliga-Absteiger?
Erst einmal herrscht bei uns allen große Vorfreude auf dieses Spiel gegen einen absoluten Traditionsklub, in das der FC natürlich als klarer Favorit geht. Köln ist für mich weiterhin ein gefühlter Erstligaverein. Wir sind aber mit zwei Siegen gegen Osnabrück und in Saarbrücken erfolgreich in die Saison gestartet. Wir müssen alle von Anfang an hellwach sein und individuelle Fehler vermeiden, wollen uns aber auch nicht verstecken. Aber unseren Matchplan werde ich Ihnen jetzt nicht verraten (lacht).
Zur Person
Dennis Diekmeier, geboren am 20. Oktober 1989 in Thedinghausen (bei Verden), durchlief ab 2003 die Jugendabteilung von Werder Bremen. 2008 wurde der Junioren-Nationalspieler mit der U19 Europameister. Nach seinem Wechsel im Januar 2009 zum 1. FC Nürnberg gelang ihm beim „Club“ der Durchbruch als Profi. 2010 schloss sich Diekmeier dem Hamburger SV an, dessen Fan er seit Kindheit war. Für den HSV lief der Rechtsverteidiger acht Jahre auf. Im Januar 2019 folgte der Wechsel zum SV Sandhausen folgte. Insgesamt bestritt Diekmeier 398 Profi-Einsätze. Seit dieser Saison ist der Vater von vier Kindern Co-Trainer in Sandhausen.