Trainer Steffen Baumgart spricht in Teil 2 des Interviews über seine eigene und die Zukunft des 1. FC Köln sowie über den möglichen Standort Marsdorf.
Steffen Baumgart im Gespräch„Hier in Köln und beim FC scheppert es am meisten“
Steffen Baumgart, dessen Vertrag in Köln bis zum 30. Juni 2024 läuft, zeigt sich mit seiner Situation beim FC und der Entwicklung des Klubs sehr zufrieden. „Ich denke, man sieht es mir an, dass ich sehr gerne beim FC arbeite und jeden Tag Freude habe.“ Wie zuletzt erklärt, will Baumgart mit den Kölner Verantwortlichen nicht mehr verhandeln und auch nicht mehr Geld fordern, sollte diese mit ihm über das Vertragsende 2024 hinaus eine Weiterbeschäftigung anstreben.
Es gebe klare Absprachen mit den Verantwortlichen. „Was bereits ausgehandelt wurde, ist für mich zufriedenstellend“, erläuterte Baumgart. Mögliche Angebote anderer Klubs würden ihn derzeit nicht ins Grübeln bringen: „Welcher Verein ist jetzt wirklich größer als der 1. FC Köln? Es stimmt, der FC ist nicht jede Saison erfolgreich, aber hier in Köln und beim FC scheppert es am meisten. Hier ist alles emotional aufgeladen – positiv wie negativ. Ich bin immer und überall Trainer des FC – und das sehr gerne. Selbst beim Bäcker und im Rewe um die Ecke. Doch das strengt mich nicht an oder nervt mich.“
Herr Baumgart, Sie sind jetzt anderthalb Jahre beim 1. FC Köln. Hängen Sie schon emotional am Klub?
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Steffen Baumgart: Das entwickelt sich nach und nach. Ich werde jetzt keine Lobeshymne auf den FC anstimmen. Ich denke, man sieht es mir an, dass ich sehr gerne beim FC arbeite und jeden Tag Freude habe. Vieles funktioniert gut. Wir haben mit allen Mitarbeitern einen tollen Umgang. Alles ist zielgerichtet, so stelle ich mir Arbeit vor. Das Ganze sollte weiter wachsen. Zudem finde ich die Stadt und ihre Menschen toll, selbst an das Kölsch habe ich mich mittlerweile gewöhnt (lacht). Doch der Profifußball ist natürlich äußerst schnelllebig. Das betrifft auch die Bewertung meiner Arbeit.
Ihre Arbeit wird gelobt, es geht ruhig am Geißbockheim zu. Erstaunlich ruhig?
Es gibt seit anderthalb Jahren keine großen Probleme, mein Trainerteam und ich können in Ruhe arbeiten. Da habe ich auch ganz andere Geschichten von früher gehört. Doch aus meiner Sicht schippern wir seit anderthalb Jahren in ruhiger See. Und dann kommt meistens auch etwas Gutes bei raus. Wir sind jedenfalls auf einem guten Weg.
Dem „Express“ sagten Sie jüngst, dass Sie nicht mehr verhandeln wollen und auch nicht mehr Geld fordern, sollte der Verein mit Ihnen über das Vertragsende 2024 hinaus eine Weiterbeschäftigung anstreben. Das ist äußerst ungewöhnlich in der Branche.
Es gibt klare Absprachen zwischen den Verantwortlichen und mir. Und an die sollte man sich dann auch halten. Wenn alle Seiten der Meinung sind, dass wir über 2024 hinaus in dieser Konstellation weiterarbeiten wollen, dann steht dem nichts im Wege. Was bereits ausgehandelt wurde, ist für mich zufriedenstellend.
Und ein Top-Angebot eines anderen Klubs würde Sie nicht ins Grübeln bringen?
Das weiß ich nicht, aber ich bin doch gar nicht in dieser Situation. Ich finde es immer lustig, wenn mir gewisse Leute sagen, dass ich nach dem FC doch folgerichtig Verein X oder Y übernehmen müsste. Warum? Welcher Verein ist jetzt wirklich größer als der 1. FC Köln? Es stimmt, der FC ist nicht jede Saison erfolgreich, aber hier in Köln und beim FC scheppert es am meisten. Hier ist alles emotional aufgeladen – positiv wie negativ. Ich bin immer und überall Trainer des FC – und das sehr gerne. Selbst beim Bäcker und im Rewe um die Ecke.
Ist es schön oder vielleicht sogar anstrengend, das „Gesicht des FC“ zu sein?
Das ging ja nicht von mir aus, sondern ist vielleicht mit der Zeit so gekommen. Es strengt mich aber nicht an oder nervt mich. In einem solchen Verein zu arbeiten, das alles zu erleben und am besten noch Erfolg zu haben, wo gibt es das denn sonst vergleichbar? Da fallen mir nur ganz, ganz wenige Klubs ein. Zudem fühlen wir uns in Köln wohl.
Aber es gibt ja auch Klubs, die vielleicht mehr Geld als der FC zur Verfügung haben und für die Sie in Zukunft nicht mal umziehen müssten. Leverkusen und Gladbach zum Beispiel…
Das sind gute Vereine, aber ich kann doch nicht beim FC tätig sein und kurz darauf nach Gladbach wechseln. Das schließt sich aus. Ich kann meine Jungs nicht auf ein heißes Derby vorbereiten – und zwei Jahre später bin ich selbst beim Gegner. Das wäre unglaubwürdig. Genauso unglaubwürdig wäre es, wenn ich mich jetzt hinstellen und sagen würde, dass ich auf ewig beim FC bleiben möchte. Was ich meine: Ich fühle mich sehr wohl beim FC und habe hier einen gültigen Vertrag. Und wenn es für alle weiterhin alles passt, dann verlängere ich zu den verhandelten Konditionen. Mein Ziel ist es, den FC weiter zu mitentwickeln und hier etwas erreichen. Ich will nicht nur gegen den Abstieg spielen.
Was ist denn beim 1. FC Köln überhaupt möglich?
Es ist alles möglich. Im Sport kann man doch nicht sagen, dass von vornherein nicht alles möglich ist. Natürlich bedarf es dafür gewisser Umstände. Doch wieso sollte beim 1. FC Köln nicht alles möglich sein?
Was heißt denn „alles“?
Alles heißt alles. Jürgen Klopp hat einst Borussia Dortmund übernommen, da war das Team Zwölfter. Und es ging kontinuierlich nach oben. Ich bin mir sicher: Als er damals beim BVB Trainer wurde, da hatte das keiner so erwartet.
Aber in den Top-Ligen gibt es doch kaum noch Überraschungen oder Sensationen…
Weil die finanzielle Schere zwischen den Klubs immer weiter auseinanderklafft. Aber das heißt doch nicht, dass man nicht daran arbeiten kann, sie zumindest wieder etwas zu schließen und sich dabei selbst weiterzuentwickeln.
Zum Beispiel wie die Eintracht aus Frankfurt, die 2011 noch aus der Bundesliga abgestiegen war?
Die Entwicklung von Eintracht ist das Ergebnis kontinuierlicher Arbeit und der richtigen Personalentscheidungen. Das begann im sportlichen Bereich mit Niko Kovac und Fredi Bobic und ging über Adi Hütter bis heute hin zu Oliver Glasner und Markus Krösche. Frankfurts Beispiel zeigt, das mit der Zeit alles möglich sein kann. Oder nehmen wir den SC Freiburg, der fast 20 Jahre gebraucht hat, um da zu stehen, wo er jetzt steht. Heute finden es die Leute normal, dass die beiden Klubs so weit oben stehen und Erfolg haben.
Sind Frankfurt und Freiburg also Vorbilder für den FC?
Nein, ich brauche keine Vorbilder. Mit dem SC Paderborn sind wir sportlich in die Regionalliga abgestiegen, und zwei Jahre später waren wir dann in der Bundesliga. Nur: Die Aufmerksamkeit rund um den FC ist natürlich eine ganz andere.
Diese Vereine sind auch in puncto Infrastruktur gewachsen. Da hat der 1. FC Köln noch erheblich Nachholbedarf.
Noch müssen wir aus diesem alten Standort am Geißbockheim, der aus meiner Sicht eigentlich super ist, das Bestmögliche herausholen. Aber das ist natürlich mehr oder weniger Flickwerk.
Und wie finden Sie den neuen Standort in Marsdorf?
Es gibt doch noch keinen neuen Standort. Wissen Sie: Versprechungen der Politik glaube ich nicht mehr groß. Und das meine ich allgemein und nicht nur auf Köln und den FC bezogen. Ich würde jetzt keine Wette eingehen, dass der FC in zehn Jahren ein neues Trainingszentrum hat. Und ganz bestimmt nicht, weil der Verein es nicht will. Denn hier beim FC arbeiten viele Personen jeden Tag daran, den FC weiter nach vorne zu bringen. Doch nachdem, was hier in Köln alles passiert ist und wie die Umstände aktuell sind, können wir uns nicht mehr auf andere verlassen, sondern wir müssen es selbst in die Hand nehmen.
Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews, in dem Steffen Baumgart über die gefährliche sportliche Situation, den Kader und die Zukunft von Jonas Hector spricht.