Der Sieg über Borussia Mönchengladbach hat den FC von den größten Sorgen befreit, doch die Chancenverwertung bleibt die größte Baustelle für Baumgart und sein Team.
1. FC Köln vor LeipzigTrainer Steffen Baumgart muss harte Entscheidungen treffen
Am Donnerstagmittag übten die Profis des 1. FC Köln wieder Abschlüsse, wie gewohnt näherten sich die Offensivspieler dem Tor hauptsächlich über die Flügel. Steffen Baumgart hatte nach dem Derbysieg gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) bei aller Freude auch Raum für weitere Verbesserung gesehen. „Wir haben zu viele Chancen liegengelassen“, hatte der Trainer in dieser Woche noch einmal betont und einmal mehr seine Trainingsarbeit auch daran ausgerichtet.
Allzu treffsicher präsentierten sich die Kölner Angreifer auch am Donnerstag nicht. „Ich habe gleich Pressekonferenz“, rief Baumgart, als seine Leute enorme Schwierigkeiten dabei offenbarten, die vom Trainer geforderte Zahl an Treffern zu erreichen. Anderthalb Stunden blieben dem Trainer da noch bis zum Termin mit den Journalisten, und irgendwann waren dann tatsächlich ausreichend Bälle im Netz gelandet.
Genesener Dietz zeigt sich im Training treffsicher
Florian Dietz hatte einigen Anteil daran gehabt. Der Mittelstürmer hat sich zuletzt in der Kölner Regionalliga-Reserve etwas Wettkampfpraxis verschafft und erweckte am Donnerstag den Eindruck, er könne durchaus eine Alternative sein für Steffen Baumgarts Leipzig-Kader, den er am Freitag benennen wird. Immerhin war es Dietz, der am zweiten Spieltag der Vorsaison beim Kölner 2:2 in der Red-Bull-Arena zum 1:1 traf.
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Es war der erste Bundesligatreffer des 25-Jährigen, bislang ist kein weiterer hinzugekommen: Im Spiel gegen die TSG Hoffenheim erlitt Dietz am 30. Oktober 2022 wenige Minuten nach seiner Einwechslung einen Kreuzbandriss. Fast auf den Tag ein Jahr später könnte er am Samstagabend (18.30 Uhr, Sky) zu seinem Bundesliga-Comeback kommen, sollte ihn der Trainer in den Kader berufen.
Baumgart wird angesichts seines beinahe leeren Lazaretts mehrere Härtefälle zu entscheiden haben. Seine Langzeitverletzten sind wieder spielfit, der Coach hat die freie Auswahl. Ein Spieler bereitet ihm weiterhin das größte Kopfzerbrechen: Jan Thielmann, Kölns 21-jähriger Nachwuchs-Nationalspieler mit der dicken Krankenakte. „Ich bin bei Jan noch auf der Bremse. Er hat viele Verletzungen gehabt, da sind wir ein bisschen vorsichtiger“, erklärt Baumgart. Im Training hat ihn Thielmann zuletzt beeindruckt, „leistungsmäßig brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Aber er ist ein Kandidat, bei dem ich lieber noch eine Woche warte. Das tut ihm weh, deswegen ist er auch sauer auf mich. Aber wegen seiner Vergangenheit zögere ich bei ihm mehr als bei anderen.“
Zur neuen Energie eines vollständigen Kaders kommt der jüngste Erfolg im Derby. Baumgart erlebt eine Veränderung in der täglichen Arbeit, wenngleich er nach wie vor nicht in Euphorie verfallen möchte nach dem 3:1 gegen enttäuschende Gladbacher. „Die Leichtigkeit im Training ist jetzt etwas anders, aber wir haben nach wie vor erst vier Punkte, das ist nicht der heilige Gral. Wir sind noch relativ weit unten. Wir haben den ersten Sieg eingefahren, das freut uns. Aber mehr ist es dann auch nicht. Vier Punkte aus acht Spielen sind zu wenig.“
Das Kölner Leistungsniveau hätte grundsätzlich bereits vor dem Derby ausgereicht, um einen Sieg zu holen. Doch zwischen Einsatz und Erfolg stand zuletzt eine schwache Torausbeute. Die Mannschaft ist gemessen am Aufwand viel zu wenig torgefährlich, ihre Schussquote lausig: Unter 30 Prozent der Kölner Versuche gehen überhaupt aufs Tor. Erst sieben Tore in acht Spielen, davon drei Elfmeter, bedeuten eine indiskutable Bilanz. Nur der VfL Bochum hat bislang weniger Treffer erzielt als Köln.
Die Frage, was seine Mannschaft nun aus dem ersten Sieg der Saison ins Spiel bei RB Leipzig mitnehmen könne, beantwortete Baumgart am Donnerstag eher nüchtern. Man sei mutig aufgetreten, habe Räume gefunden und sich viele Chancen erspielt. Dass die Mannschaft bedingungslos des Kölner Intensitätsfußball der vergangenen zwei Jahre zur Aufführung brachte, obwohl angesichts des Fehlstarts Zweifel verständlich gewesen wären, ließ Baumgart ebenso nicht unerwähnt. Und auch in Leipzig fordert Baumgart seine Mannschaft auf, mutig aufzutreten.
Doch nahmen die Kölner aus dem Sieg über Mönchengladbach dieselben Aufgaben mit wie aus den Niederlagen zuvor: „Wir haben noch einiges zu erledigen, sprich: Torchancen erarbeiten, Torchancen nutzen – darum wird es gehen“, erklärte Baumgart.
Dabei ist es nicht so, dass die Kölner es nicht versuchten. Mit bislang 104 abgegebenen Schüssen liegt der FC im Mittelfeld der Tabelle, RB Leipzig etwa hat nur 96 abgegeben und rangiert damit sieben Plätze hinter Köln auf dem drittletzten Platz. Doch die Sachsen gehen mit vollkommen anderer Präzision vor: 19 Tore und damit die viertmeisten der Liga haben sie erzielt, mit 47,9 Prozent haben sie die beste Torschussquote der Liga.
Leipzig hat mehr Torschützen als der 1. FC Köln Tore
Für den FC kommt erschwerend hinzu: Man weiß nie, wer bei Leipzig trifft: Zehn verschiedene Torschützen hatte RB bereits in dieser Saison und damit mehr Schützen, als Köln überhaupt Tore hat. Auch das ist ein Bestwert. Zwar hat Leipzig im Sommer prominentes Personal verloren, etwa Dominik Szoboszlai, Josko Gvardiol und Christopher Nkunku.
Doch erst am Mittwochabend beim 3:1 über Roter Stern Belgrad in der Champions League zeigte sich die Qualität des Kaders, der mit aufregenden Spielern wie etwa Traumtorschütze Xavi Simons (ausgeliehen von Paris St. Germain) verstärkt wurde. „Die dazugekommen sind, sind auch nicht blind, wie wir ja gerade sehen“, kommentierte Baumgart: „Sie werden eine gute Mannschaft mit viel Geschwindigkeit auf dem Platz haben. Es wird ein sehr intensives Spiel. Wir müssen unseren Mut mitnehmen, unseren Fußball zu spielen – egal, gegen wen.“