Köln – Während sich die Parteien nach der Bundestagswahl in Sondierungsgesprächen erst noch beschnuppern, hat Köln schon einen Nachfolger im Amt für Angela Merkel gefunden. „Steffen Baumgart wird Kanzler“, hallte es am Freitagabend auf die Melodie von „Seven Nation Army“ immer wieder von den Rängen in Müngersdorf. Der neue Trainer, die Mannschaft und die Fans haben auf Anhieb zueinander gefunden. Spätestens nach dem 3:1-Erfolg des 1. FC Köln über Greuther Fürth und den mit zwölf Punkten nach sieben Spielen besten Bundesliga-Saisonstart seit fünf Jahren steht zumindest für die Fans fest, dass Baumgart der unumstrittene, gefeierte Anführer der Koalition Rut-Wiess ist.
Der neue „Regierungschef“ gab sich nach dem dritten Sieg im vierten Heimspiel der Saison (bei einem Remis gegen Leipzig) gewohnt uneitel. Der Kölner Trainer ordnete den kölschen Humor der Anhänger und die Überhöhung seiner Person gleich ein. „Jetzt kommen wir alle mal wieder runter“, sagte der 49-Jährige, der seit seiner Amtsübernahme den bis dato eher dahinsiechenden und zweimal knapp dem Abstiegs-Tod von der Schippe gesprungenen 1. FC Köln zu neuem Leben erweckt hat.
Ellyes Skhiri überragt mit zwei Treffern
Es war aber ein Abend, der so ganz nach dem Geschmack der 40.000 Fans war, die am Ende über ein Fußballfest jubelten und die wiedergewonnen Freiheiten genossen. Das Spiel hatte einen gewaltigen Spannungsbogen. Erst kam der FC ganz schwer in die Gänge und hatte Glück, nicht höher als mit 0:1 ( Marco Meyerhöfer, 7.) zur Pause zurückzuliegen, da Fürths Jeremy Dudziak in der 32. Minute gleich zweimal den Innenpfosten getroffen hatte. Doch nach Baumgarts Halbzeitansprache kehrte der personell nicht veränderte FC wie verwandelt zurück. Angetrieben von den Rängen, drehten die Kölner die Partie zu ihren Gunsten und kamen durch das erste Saisontor von Sebastian Andersson (50.) und durch zwei Treffer des erneut überragenden Ellyes Skhiri (55., 89.) noch zu einem am Ende verdienten 3:1-Erfolg.
„Der Teamspirit und natürlich der neue Coach treiben uns an. Wir arbeiten zusammen“, sagte ein glücklicher Skhiri, der insgesamt wieder knapp 13 Kilometer auf dem Rasen abgespult hatte. Und Sportdirektor Jörg Jakobs befand: „Es war wieder mal ein sehr intensives Spiel. Das scheint unser Thema zu sein. Das ist keine Überraschung, aber wiederholt sich Woche für Woche in unterschiedlichen Ausprägungen. Fürth hat uns alles abverlangt, aber am Ende haben wir verdient gewonnen.“
Doch die Kölner heben jetzt nicht ab und wissen, wo sie herkommen. „Wir müssen auf dem Teppich bleiben. Unser Gesicht soll dieses Jahr sein, dass wir niemals aufgeben“, sagte Abwehrchef Rafael Czichos, der nach einem Zwischentief seine Souveränität wiedergefunden hat. Und Baumgart befand: „Wir wissen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Die Jungs arbeiten gut, wir marschieren gut. Wir machen noch Fehler, sind aber auf einem sehr, sehr guten Weg. Insgesamt sehen Sie mich lächeln“, sagte der Coach – aber lächelte nicht, höchstens innerlich.
Steffen Baumgart setzt auf Attacke und Aggressivität
Dass der eingeschlagene Weg stimmt, ist offensichtlich. Denn der FC hat nach sieben Partien bereits so viele Punkte geholt wie in der vergangenen Saison nach 16 Spieltagen. Die Mannschaft hat den auf Attacke und Aggressivität angelegten Vollgas-Fußball von Baumgart erstaunlich schnell adaptiert. Die Kölner wirken zudem widerstandsfähiger und selbstbewusster, ein Rückstand wirft die Mannschaft im Gegensatz zu den Vorjahren nicht mehr aus der Bahn. Und sie ergreifen viel mehr die Initiative, hatten gegen Fürth fast 70 Prozent Ballbesitz und feuerten insgesamt 18 Torschüsse ab. Alles wirkt mutiger, leidenschaftlicher, wacher. Vor allem dank des Trainers, der in der Lage scheint – so ist es von den Spielern zu hören – die Trainingsinhalte und seine Spielidee der Mannschaft perfekt zu vermitteln. Denn die ist nahezu unverändert, nur Rückkehrer Mark Uth trug in der vergangenen Saison nicht das FC-Trikot. Dazu profitiert der FC ungemein von der Rückkehr der Fans. „Wir haben eine unbeschreibliche Atmosphäre. Auch als wir 0:1 zurücklagen, haben die Fans uns gepusht. Es ist ein gutes Zusammenspiel“, lobte Skhiri.
Und wie war das mit der von den Kölner Fans angetragenen Kanzlerschaft für Trainer Steffen Baumgart? „Das wäre ein mächtiges Land“, sagte Stürmer Sebastian Andersson mit einem Schmunzeln. Baumgart kommentierte die Lobhudelei gewohnt trocken: „Das Kanzleramt muss noch ein bisschen warten. Wir müssen wissen, wo wir herkommen.“