Der 1. FC Köln feiert seinen 75. Geburtstag. In diesem Interview aus unserem FC-Archiv von 2018 erinnert sich FC-Ikone Wolfgang Weber an Erfolge und Dramen.
Der FC feiert seinen 70. Geburtstag. Sie haben eine erfolgreiche Ära entscheidend mitgeprägt. Eilen Sie jetzt von einem Erinnerungstermin zum nächsten?
Wolfgang Weber: Es sind ein paar Termine, aber ich mache sie ja gerne. Sie wären mir noch lieber, wenn der FC nicht Tabellenletzter wäre. Dass wir in dieser Saison um den Klassenerhalt zittern müssen, das hätte wohl keiner gedacht. Der Absturz vor allem in der Hinrunde ist kaum zu fassen. Das ist schon eine abartige Situation nach Platz fünf zuletzt und der super Performance – das sagt man doch so, oder?
Durchaus, das kann man so sagen. Geht der FC in dieser Situation mit dem Geburtstag richtig um?
Ich würde ihn diskret feiern, aber das macht der Verein ja im Großen und Ganzen auch. Für das Datum der Gründung kann ja keiner der heutigen Verantwortlichen etwas. Einige Spieler waren jetzt im Rosenmontagszug dabei. Ich finde es gut, dass sie sich nicht verstecken und schön, dass einige Spieler offenbar etwas mit dem Kölner Karneval anfangen können.
Haben Sie noch Hoffnung, dass der FC den Klassenerhalt schafft?
Für den FC geht es wohl nur noch um den Relegationsrang. Aber den kann die Mannschaft noch erreichen, wenn sie eine Serie hinlegt. Denn der HSV und Mainz machen auf mich bestimmt keinen besseren Eindruck. Gegen Hannover ist jetzt aber mal wieder dringend ein Sieg notwendig, und ich bin mir sicher, dass der auch gelingt.
Sollte es der FC doch nicht schaffen, wäre der sechste Abstieg in der Vereinsgeschichte besiegelt. Fast schon Normalität, oder?
Mit Jungfräulichkeit hat ein sechster Abstieg bestimmt nichts mehr zu tun. Aber Normalität? Nein. Das Wort Abstieg in Zusammenhang mit dem FC fällt mir immer noch schwer. Das liegt an den vielen Erfolgen in den 60er- und 70er Jahren. Aber ich erinnere mich an das Frühjahr 1969. Da waren erst im Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger am FC Barcelona gescheitert und mussten in der Bundesliga bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt bangen. Zum Glück retteten wir uns mit einem 3:0 gegen Nürnberg. Der Club stieg dann ab – als amtierender Meister! Auch verrückt, oder?
In der Tat. Wie hat sich für Sie der erste Abstieg 1998 angefühlt?
Das war der Schlimmste, eine Katastrophe, da ein Abstieg des FC für mich und die anderen Spieler meiner Generation immer jenseits unserer Vorstellungskraft war.
Im Sommer schien der Klub auf dem besten Weg seit Jahren. Welche Fehler wurden dann gemacht?
Es wurden sicher Fehler gemacht, ich will sie aus der Distanz aber nicht beurteilen. Die unfassbare Verletzungsmisere hat eine große Rolle gespielt. Wenn bis zu zehn Stammspieler ausfallen, kann man das nicht mehr auffangen.
Was empfinden Sie heute, wenn Sie am Geißbockheim sind?
Da kommen sofort positive Gefühle und Erinnerungen hoch. Das ist heute noch immer so wie damals. Ich freue mich sehr, wenn ich da bin und Bekannte treffe.
Optisch hat sich dort ja auch nicht so viel verändert.
Bis auf den neuen Vorbau sieht wirklich vieles noch so wie früher aus. Für mich ist heute das größte Problem, einen Parkplatz zu finden (lacht). Für den Klub ist es sicherlich die in weiten Teilen veraltete Infrastruktur.
Was denken Sie über die heutige Spielergeneration?
Das Geld regiert die Fußballwelt, und das färbt natürlich auch auf die Spieler ab. Ich mache ihnen da noch nicht mal den größten Vorwurf. Vereine sind heute Wirtschaftsunternehmen. Aber die Ablösesummen und Gehälter sind für mich unvorstellbar. Ich überlese das mit Absicht oder höre da gar nicht mehr richtig hin. Ich will mir darüber keinen Kopf mehr machen. Die Zahlen sind der Wahnsinn und keinem Fan mehr zu vermitteln. Und sie versauen einige Spieler, die oft von ihren Beratern den Kopf verdreht bekommen.
Was haben Sie in Ihrer ersten Saison 1963 beim FC verdient?
500 D-Mark Grundgehalt, dazu kamen Punktprämien und eine Aktivitätszulage. Ich hatte das selbst mit dem Verein ausgehandelt und war stolz. Am Ende meiner Karriere 1976/77 waren es rund 10.000 D-Mark pro Monat. Das war nicht so schlecht, aber ich habe reichlich Steuern bezahlt (lacht).
Sind Sie mit Ihrer Karriere rundum zufrieden?
Absolut, auch wenn ich leider mit einigen Verletzungen zu tun hatte. Ich habe über 13 Jahre lang rund 660 Spiele für den FC bestritten, davon 470 Pflichtspiele. Wir wurden Meister, Pokalsieger und standen alleine viermal in einem Europapokal-Halbfinale.
Ihre Laufbahn ist auch mit sportlichen Dramen verbunden. Im Europapokal-Viertelfinale 1965 gegen Liverpool spielten Sie mit gebrochenem Wadenbein weiter, doch der FC schied dann nach Münzwurf aus. Im WM-Finale 1966 gegen England erzielten Sie ein Tor, Ihr Team verlor dann aufgrund des Wembley-Tores. Als Deutschland bei der Heim-WM 1974 den Titel holte, fehlten Sie, da Bundestrainer Schön Sie trotz einer starken Saison nicht berufen hatte.
Ich hadere nicht damit, im Sport muss man auch mal Niederlagen einstecken. Nur die Ausbootung vor der WM 1974, die hat mich gewurmt. Mit englischen Teams hatte ich also nicht so viel Glück, aber mein Tor im Finale hat mir dann ja doch was gebracht (lacht).
Das wäre?
Meinen eigenen Fanklub in Hong Kong, die „Weber Boyz Hong Kong“. Der wurde zwar erst 2010 gegründet, angeblich aus dem Grund, da ich gegen die in Hong Kong nicht gerade beliebten Engländer getroffen hatte. Wir haben immer noch Kontakt, ich schicke den Jungs auch Fanartikel vom FC. Sie nennen mich immer „Dear Uncle Weber“. Ich finde das lustig.