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DFL-InvestoreneinstiegDer 1. FC Köln setzt sich an die Spitze der Bewegung

Lesezeit 5 Minuten
Fans von Hannover 96 zeigen ihren Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz, darüber erklären sie mit Spruchbannern die Bedeutung dieser Darstellung.

Fans von Hannover 96 zeigen ihren Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz, darüber erklären sie mit Spruchbannern die Bedeutung dieser Darstellung.

Der 1. FC Köln ergreift in der Debatte um den Investoreneinstieg im deutschen Profifußball die Initiative.

Der 1. FC Köln hat Schritte angekündigt, um die Investorenfrage in der Deutschen Fußball-Liga (DFL) erneut zur Abstimmung zu bringen. Der Beschluss für ein Verhandlungs- und Abschlussmandat stehe „auf einem sehr fragilen Fundament“, schrieb die FC-Geschäftsführung in einem Brief an das DFL-Präsidium, der auch an die 35 weiteren in der DFL organisierten Klubs ging.

Der FC hatte anlässlich der DFL-Mitgliederversammlung am 11. Dezember 2023 zwar gegen eine Zusammenarbeit mit einem Private-Equity-Unternehmen votiert, anschließend aber erklärt, „das von der DFL-Mitgliederversammlung demokratisch gefasste Votum (…) vollauf mitzutragen“, hieß es in dem Schreiben der FC-Geschäftsführung, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Allerdings habe sich die Lage seither verändert. Angesichts der dürren Mehrheit, des fehlenden öffentlichen Rückhalts sowie offener Rechtsfragen kündigten die Kölner einen Antrag an, „das DFL-Präsidium vom durch die Mitgliederversammlung erteilten Abschlussmandat zu befreien“. Die Entscheidung über einen Investoren-Einstieg solle an die Klubs zurückfallen. Sollte es dafür eine außerordentliche Mitgliederversammlung benötigen, werde der FC diese ebenfalls beantragen.

Die Fans des 1. FC Köln protestierten am Sonntag in Sinsheim gegen Investoren in der DFL.

Die Fans des 1. FC Köln protestierten am Sonntag in Sinsheim gegen Investoren in der DFL.

Wegen der umstrittenen Rolle von Geschäftsführer Martin Kind von Zweitligist Hannover 96 bestehe der Verdacht, dass „durch ein etwaig rechtswidriges Abstimmungsverhalten der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA kein rechtswirksamer Beschluss“ und damit ein „Verstoß gegen die 50+1-Regel“ vorliege. Das DFL-Präsidium hatte zwar Rechtsgutachten eingeholt und mutig mitgeteilt, Kinds Abstimmungsverhalten sei nicht angreifbar. Doch hat das die Lage erwartungsgemäß nicht beruhigt.

Aus Sicht des 1. FC Köln braucht es allein deshalb einen neuen Prozess. Man sei der Ansicht, „dass eine der für den deutschen Profifußball historisch weitreichendsten Entscheidungen überhaupt mit einer Bindungsdauer von bis zu 20 Jahren nicht mithilfe rechtlicher Experteneinschätzungen und Gutachten, sondern auf Grundlage eines unstrittigen Beschlusses legitimiert werden muss“, hieß es aus dem Geißbockheim.

Die Hannoveraner Vereinsführung hatte Kind angewiesen, gegen den Investoren-Einstieg zu stimmen. Das Abstimmungsergebnis und die öffentlichen Bekenntnisse von Antragsgegnern lassen jedoch darauf schließen, dass Kind mit Ja gestimmt und dem DFL-Plan damit zur nötigen Mehrheit verholfen hat. Das bedeutete einen Verstoß gegen die 50+1-Regel, nach der stets der Verein das Recht zur letzten Entscheidung haben muss. „Wie ich gestimmt habe, das weiß nur ich“, sagte der 79-Jährige „NDR Info“.

1. FC Köln will umfassende Transparenz herstellen

Was die Kölner mit ihrem Vorstoß vor allem dokumentierten, war der Wille zu umfassender Transparenz. Abgesehen davon, dass Köln die Klubs ermuntert, einen erneuten Prozess als Gelegenheit anzunehmen, die „inhaltlich-kulturelle Passfähigkeit der Zusammenarbeit mit einem Private-Equity-Unternehmen am jeweiligen Standort mit seinen Mitgliedern und Fans zu besprechen, um aufbauend ein möglichst breites Verständnis für die jeweilige Club-Entscheidung zu schaffen“, setzt man auch auf eine offene Abstimmung. Es gelte, „das clubindividuelle Abstimmungsverhalten gegenüber den jeweiligen Mitgliedern und Fans umfassend zu erläutern“.

DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke hatte via „Bild“-Zeitung in Richtung der protestierenden Fans appelliert. „Wir müssen uns alle unserer Verantwortung für den deutschen Fußball bewusst sein. Bringt man ein Spiel zum Abbruch, schadet man massiv dem eigenen Verein“, sagte der 64-Jährige und offenbarte Schwierigkeiten, Ursache und Wirkung voneinander zu unterscheiden. Denn augenscheinlich sind die angesprochenen Fanszenen der Ansicht, mangelndes Verantwortungsbewusstsein für den deutschen Fußball sei vor allem aufseiten des DFL-Präsidiums zu finden.

Auch Fans von Union Berlin kritisierten eine „Lex Hopp“ des Deutschen Fußball-Bundes.

Auch Fans von Union Berlin kritisierten eine „Lex Hopp“ des Deutschen Fußball-Bundes.

Das Banner beim Zweitliga-Nordduell am vergangenen Freitag zwischen dem Hamburger SV und Hannover 96 mit 96-Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz nannte Watzke eine „abscheuliche Einzel-Entgleisung“. Auch da hatte Watzke sich offenbar nur oberflächlich informiert. Neben der Darstellung Kinds hatten die Fans weitere Banner präsentiert, die Aktion richtete sich nicht gegen Kind, sondern gegen den Umgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Diskriminierungen im Stadion. Der DFB hatte ursprünglich einmal den „Drei-Stufen-Plan“ entwickelt, um Diskriminierungen etwa wegen Alters, Behinderung, Geschlechts, Religion oder Weltanschauung, ethnischer Herkunft oder sexueller Identität zu stoppen.

Demnach solle der Schiedsrichter zunächst eine Lautsprecherdurchsage anregen. Sollte das Verhalten andauern, solle er die Partie in Stufe zwei unterbrechen und die Mannschaften in die Kabinen schicken. Im dritten Schritt würde das Spiel abgebrochen. Angesichts der Proteste gegen Dietmar Hopp (83), den Mäzen der TSG Hoffenheim, war die Regelung später angepasst worden. Im Jahr 2020 hatte der Schiedsrichter das Spiel des FC Bayern gegen die TSG unterbrochen, obgleich kein Anlass dafür vorlag. Der Stufenplan dürfe laut DFB-Statuten eben gerade „nicht angewendet werden, um Kritik oder Meinungsfreiheit einzuschränken. Kritik in Form von Transparenten, Sprechchören o.ä. kann sehr direkt, unhöflich, unsachlich oder geschmacklos sein“, hieß es in der damaligen Fassung.

Um Dietmar Hopp zu schützen, erweiterte der DFB die Regel später um den Tatbestand „personifizierte Gewaltandrohung“ und nahm das Merkmal „Portrait einer Person im Fadenkreuz“ auf. Fans kritisieren das, weil der DFB in der Vergangenheit mitunter allzu großzügig über Ausfälle rassistischer oder sexistischer Art hinweggesehen habe, im Falle Dietmar Hopps jedoch gleich eingeschritten sei – und auch noch erst nachträglich die Rechtsgrundlage dafür geschaffen hatte.

Deshalb war es wichtig, den Kontext des Banners mit Kind im Fadenkreuz zu sehen. Denn im Stadion war neben Kind im Fadenkreuz ein Spruchband zu sehen, das die neue Entschlossenheit des deutschen Fußballs bei der Anwendung des Drei-Stufen-Plans persiflierte: „Konsequentes Handeln bei personifizierten Gewaltandrohungen. Spielabbruch jetzt!“, stand dort zu lesen. Und eben nicht: „Tötet Martin Kind“.

Allerdings zeigte sich Watzke auch bereit, die Proteste von Fans und Vereinen ernst zu nehmen. „Wir als Präsidium haben ein bindendes Abschlussmandat erteilt bekommen. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass die Mehrheit das im März nicht mehr will, werden wir unser Votum sicher nicht gegen deren Willen geben“, sagte Watzke nun. (mit dpa)