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Kommentar

FC-Kolumne Dauerkarte
Das erste Endspiel dieses Frühjahrs

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Timo Schultz und seine Assistenten sind bislang nicht bereit, die Nerven zu verleren.

Timo Schultz und seine Assistenten sind bislang nicht bereit, die Nerven zu verleren.

Am Samstagnachmittag braucht der 1. FC Köln einen Sieg über den VfL, um seine Chancen auf den direkten Klassenerhalt zu retten.

Am Mittwoch war ich in Leverkusen beim Pokalspiel und traf dort auf viele Kollegen, die sich sonst ebenfalls überwiegend mit dem 1. FC Köln befassen. Die wurden zwar im gewohnt hervorragenden Rahmen des Leverkusener Medienzentrums versorgt, informiert und bewirtet, auch in dieser Hinsicht ist Leverkusen dem rheinischen Nachbarn um Lichtjahre voraus. Doch als Kölner Reporter muss man sich im Pressesaal der Bay-Arena selbstverständlich lauernde Fragen der Leverkusener Kollegen gefallen lassen: Na – auch mal richtigen Fußball gucken?

Der Fußball war dann tatsächlich sehr gut, Leverkusen spielt mit kaum vorstellbarer Präzision und Ballfertigkeit. Die „Süddeutsche Zeitung“ nennt Xabi Alonsos Mannschaft in ihrer heutigen Ausgabe ein „Teuflisches Metronom“, und tatsächlich ist es für jeden Gegner ein Grauen, dieser Passmaschine ausgeliefert zu sein. Allerdings fühlten wir uns alle ein wenig um ein gutes Fußballspiel gebracht, mit Frimpongs Führung in der siebten Minute war es ja eigentlich vorbei. Am Ende stand das langweiligste 4:0, das ich je gesehen habe.

Leverkusens Xabi Alonso wünschte Fortuna-Coach Thioune am Mittwoch viel Erfolg für die Relegation – gegen den 1. FC Köln?

Leverkusens Xabi Alonso wünschte Fortuna-Coach Thioune am Mittwoch viel Erfolg für die Relegation – gegen den 1. FC Köln?

Dennoch waren wir selbstverständlich nicht nur deshalb im Stadion, um den wohl kommenden Meister mal wieder live aus der Nähe zu erleben. Die Düsseldorfer bewerben sich schließlich derzeit nachhaltig um den Relegationsplatz zur Bundesliga, und längst stellen sich viele Kölner die Frage, ob man im Fall der Fälle lieber gegen Ex-Trainer Steffen Baumgart und den HSV oder gegen die rheinischen Nachbarn aus Düsseldorf antreten wollte. Falls es denn überhaupt zu einer Kölner Relegationsteilnahme käme, auf Rang 16 stehen derzeit ja die Mainzer.

Klar ist, dass Friedhelm Funkel im Pokalfinale mit seinen Kaiserslauterern einen deutlich defensiveren Ansatz wählen wird, wenngleich er gegen Alonsos Leverkusener wohl dennoch kaum eine Chance hat. Funkel und Berlin – oft war in den vergangenen Tagen die Rede von Funkels Endspielteilnahme vor 43 Jahren, als er mit dem 1. FC Kaiserslautern als Spieler gegen Eintracht Frankfurt 1:3 verlor. So lange ist das her, dass das Finale übrigens noch gar nicht in Berlin ausgetragen wurde. Das Spiel fand damals im Stuttgarter Neckarstadion statt. Ich habe allerdings ganz andere Gedanken, wenn ich an Friedhelm Funkel und Berlin denke.

Nämlich an den 15. Mai 2021, als der 1. FC Köln am vorletzten Spieltag der Saison ein 0:0 bei Hertha BSC im Corona-bedingt menschenleeren Olympiastadion ermauerte, um eine Woche später durch Bornauws Tor in der 86. Minute gegen Schalke an Werder Bremen (2:4 in Mönchengladbach) vorbei auf den Relegationsplatz zu springen. Dann verlor der FC auch noch das Relegations-Hinspiel 0:1, und nie werde ich vergessen, wie leichenblass Horst Heldt in diesen Tagen durch die Gegend geisterte. Nur Friedhelm Funkel stand immer nur da und verströmte eine stoische Zuversicht, die im unvergessenen 5:1 von Kiel endete. Ich kann mir bis heute keine knappere Rettung vorstellen, und dennoch wirkte Friedhelm Funkel in jenen Tagen nicht annähernd aufgeregt.

Friedhelm Funkel erklärt Horst Heldt, warum das 0:0 in Berlin der Klassenerhalt war.

Friedhelm Funkel erklärt Horst Heldt, warum das 0:0 in Berlin der Klassenerhalt war.

Als Friedhelm Funkel sein erstes Pokalfinale bestritt, war Xabi Alonso noch nicht geboren. Nun scheint es, als würde zwischen dem Spanier und dem Double aus Meisterschaft und Pokal am 25. Mai in Berlin nur noch die deutsche Trainerlegende aus Neuss stehen. Verrückte Geschichte.

Immerhin wird Funkel nicht als Relegationsgegner des 1. FC Köln auftauchen, das böte erhöhten Anlass zur Sorge angesichts der Stärke des 70-Jährigen in entscheidenden Momenten. Wie stark Fortuna Düsseldorf ist, war zumindest nach den Eindrücken des Pokalspiels nicht zu beurteilen. Gegen die Leverkusener in ihrer aktuellen Form sieht jeder Zweitligist aus wie eine Schülertruppe. Grundsätzlich muss man allerdings festhalten, dass zwischen den beiden Bundesligen eine deutliche Lücke klafft. Die Relegation zu erreichen, wäre für den 1. FC Köln schon ein gewaltiger Schritt zur Rettung.

Jürgen Kohler und Paul Steiner; es schießt: Bochums Jupp Nehl.

Jürgen Kohler und Paul Steiner; es schießt: Bochums Jupp Nehl.

Dafür muss morgen ziemlich dringend ein Sieg über den VfL Bochum her. Auch da fällt mir ein großes Spiel ein: Am dritten Spieltag der Saison 1987/88 unternahm ich mit Vater und Bruder eine der ersten Auswärtsfahrten, an die ich mich erinnern kann. Köln spielte im Ruhrstadion vor 18.000 Zuschauern mit einer Mannschaft, die die Saison auf dem dritten Platz beenden sollte und anschließend zweimal nacheinander Vizemeister wurde. Doch an jenem Tag in Bochum spielten Häßler, Olsen, Povlsen, Thomas Allofs und all die anderen einen vollständigen Murks, die Partie endete 0:0. Am Sonntag darauf bin ich wie immer nach der Kirche beim Büdchen vorbei und habe den Express gekauft, der damals treffend von einer „Fehlpassorgie im Gurkenspiel“ berichtete, wie ich nie vergessen habe.

Morgen würde dem FC ein 0:0 noch deutlich weniger reichen als damals. Zwar spielen vorn weder die Granden der späten Achtziger noch hinten Verteidiger wie Kohler, Steiner und Prestin. Doch wer den Sieg besorgt, spielt längst keine Rolle mehr. Wenngleich Timo Schultz sagte: „Ich gehe davon aus, dass die wichtigsten Spiele der Saison noch kommen werden.“ Das kann natürlich sein, 2021 entschied sich das Kölner Schicksal ja auch erst in der letzten Partie.