Fünf Monate nach dem bis dahin letzten Bundesligasieg schlägt Köln den rheinischen Rivalen Borussia Mönchengladbach auf bewährte Art.
FC nach dem DerbysiegErdrückender Baumgart-Fußball und Waldschmidts Befreiung
Das Gefühl eines Sieges war beim 1. FC Köln bereits so tief verschüttet, dass mancher Fan sich noch am Montagmorgen gefragt haben dürfte, woher eigentlich die gute Laune rührte. Erfolgserlebnisse in Müngersdorf hatte der Verein sich und seinen Anhängern zuletzt beinahe abgewöhnt. Das letzte Bundesliga-Spektakel in Köln hatte Mitte Mai stattgefunden, damals schlug der FC die Hertha nach 1:2-Rückstand noch 5:2.
Mehr als fünf Monate war dieses Spiel am Sonntag her, doch ein Sieg musste nicht nur her, weil es mal wieder an der Zeit war: Nach einem Punkt aus sieben Spielen und mit der komplizierten Reise nach Leipzig vor der Brust hatte der FC einen Sieg so dringend wie nie gebraucht in der Ära Steffen Baumgart. Dass der Gegner Borussia Mönchengladbach hieß und es mithin also ein Derby zu gewinnen gab, dramatisierte die Lage noch weiter.
FC findet zurück zu seinem Erfolgsstil der vergangenen Jahre
Dass es klappte, bedeutete nicht nur einen Derbysieg in sportlich prekärer Lage. Der 1. FC Köln fand auch erstmals seit dem Sieg im Mai über die Hertha zurück zu jenem Fußballstil, den Steffen Baumgart in den Trainingseinheiten der vergangenen Monaten immer wieder lautstark eingefordert hatte. Am Sonntag gegen Mönchengladbach hatte sich nicht nur die Frage gestellt, ob der 1. FC Köln noch Spiele gewinnen kann. Es war auch das klare Bekenntnis der Mannschaft zum Kölner Fußball gefragt, der in diesen Zeiten untrennbar verbunden ist mit dem Fußball ihres Trainers.
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Steffen Baumgart wirkte nach der Partie mit den Kräften am Ende, was allerdings wohl überwiegend daran lag, dass der Trainer relativ schwer erkrankt an der Seitenlinie stand. Seine Spieler hatten Baumgart zuletzt mehrfach an den Rand der Verzweiflung getrieben. Abgesehen vom weiterhin sagenhaften läuferischen Aufwand war wenig geblieben vom rasanten Spiel, das den FC besonders in Baumgarts erster FC-Saison ausgezeichnet hatte.
Die Klarheit, der ausschließliche Weg nach vorn, die klare Orientierung zum schnellen Ballgewinn – Köln hatte sich kaum mehr ähnlich gesehen. Seit der zweiten Halbzeit des Testspiels gegen den FC Nantes in der Sommerpause war Baumgarts Fußball nur noch in Ansätzen zur Aufführung gekommen.
Gegen Mönchengladbach, immerhin mit sechs Punkten gestartet, legte Köln dann wieder eine Leistung hin, die den Gegner erstickte. Mehr als 60 Prozent Ballbesitz, 21 Torschüsse, 26 Flanken: Das sind Werte, die eine deutliche Dominanz dokumentieren. „Wir haben eine sehr gute erste Halbzeit gespielt, der Stand hätte höher sein können. Wie wir trotz der schwierigen Situation Fußball gespielt haben, gibt mir ein Lächeln im Gesicht. Wir sind immer mutig geblieben“, beschrieb Baumgart nach dem Spiel in einer Stimmung, die geprägt war von Rührung, Erleichterung und grippalem Infekt.
Allerdings hatte es bei aller Überlegenheit zwei Elfmeter und einer Roten Karte bedurft, um den Gegner nicht nur zu dominieren, sondern auch zu schlagen. Nach den jüngsten Rückschlägen eine schwierige Situation für die Mannschaft, die Schwierigkeiten hatte, den Ertrag einzufahren.
„Nach dem Ausgleich war das Spiel ausgeglichen. Dann gehen dir schon Sachen durch den Kopf. Die Jungs sind drangeblieben und haben versucht, es weiter nach vorn zu spielen“, stellte Baumgart fest. Nur sechs von 21 Versuchen gingen tatsächlich aufs Tor, 29 Prozent bedeuten eine schwache Quote, decken sich allerdings mit der bisherigen Kölner Saison-Ausbeute; 29,8 Prozent der Kölner Schüsse gehen aufs Tor, das ist der sechst-schlechteste Wert der Liga. „Ich bin erleichtert, trotzdem ist es nur ein Anfang. Wir haben vier Punkte, wir hinken der Situation hinterher. Wir waren aggressiv, giftig und haben auch mit Ball guten Fußball gezeigt.“
Luca Waldschmidt gelingt gegen Gladbach die Befreiung
Luca Waldschmidt ist im Sommer zum 1. FC Köln gewechselt, um die Offensive auf ein neues Niveau zu hieven. Der frühere Nationalspieler soll die Entscheidungsqualität im letzten Spieldrittel erhöhen helfen und mit seinem überragenden linken Fuß dafür sorgen, dass aus Torschussversuchen Tore werden. Die schlechte Quote war also auch Waldschmidt anzurechnen, doch am Sonntag gelang dem 27-Jährigen eine Befreiung.
Er erzwang nicht nur beide Kölner Strafstöße. Er ließ sich auch nicht entmutigen, als seine ersten Abschlüsse schiefgingen. „Ich hatte viele Bälle heute auf rechts, das hat mich genervt“, sagte er. Tatsächlich verzeichnete Waldschmidt in der ersten Halbzeit vier Schussversuche – sämtlich abgegeben mit rechts. Im zweiten Durchgang war der Offensivmann dann verstärkt in der Defensive gefordert – doch in der Schlussphase kam er doch noch zum Zuge: Zwischen der 84. Minute und dem Schlusspfiff gab er alle seine vier Schüsse der zweiten Halbzeit ab.
Alle mit links – und der letzte in der Schlussminute saß zum 3:1. „Es war schön, dass er am Ende auf dem linken Fuß lag. Wir nehmen das Gefühl jetzt mit und wollen darauf aufbauen“, sagte Waldschmidt, und Verteidiger Jeff Chabot fügte an: „Es war ordentlich anstrengend heute. Es fällt viel von uns ab. Der Knoten ist ein bisschen geplatzt und wir wissen, dass wir noch gewinnen können.“