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Analyse zum 1. FC Köln gegen WolfsburgDas jähe Ende der kölschen Geburtstagsparty

Lesezeit 5 Minuten
Steffen Baumgart ärgerte sich am Samstag beim Spiel des 1. FC Köln gegen den VfL Wolfsburg besonders über die Schiedsrichter, mit dem Einsatz seiner Spieler war der Kölner Trainer dagegen einverstanden.

Steffen Baumgart ärgerte sich am Samstag besonders über die Schiedsrichter, mit dem Einsatz seiner Spieler war der Kölner Trainer einverstanden

Nach spektakulärer Choreografie endet die Kölner Geburtstagsparty in der vierten Spielminute mit dem Wolfsburger 1:0. Der Rest war viel Einsatz und wenig Ertrag.

Im Moment des Schlusspfiffs blieb Steffen Baumgart starr stehen, sekundenlang verharrte der Trainer des 1. FC Köln in seiner Coachingzone, wo er sonst kaum einmal zur Ruhe kommt. Ein Assistent legte Baumgart den Arm um die Schulter, entfernte sich aber rasch wieder. Dann kam seine Sprecherin vorbei, ebenfalls mit einer tröstenden Geste. Doch Baumgart stand nur da und vervollständigte das Bild der Enttäuschung, das am Samstag gegen 17.20 Uhr Köln-Müngersdorf prägte.

Dabei hatte der Fußballtag fantastisch begonnen. Kurz vor dem Anpfiff hatten sich die letzten Schauer verzogen, der Himmel strahlte in schönstem Blau. Zum Ende der Hymne hielten die Fans Papierbahnen über ihre Köpfe, aus denen sich ein riesiges Gemälde ergab: Die Wappen der Gründungsvereine KBC 01 und Sülz 07, die im Februar 1948 zum 1. FC Köln fusioniert waren, erschienen auf der Osttribüne. Im Norden eine Darstellung des legendären Vereinsgründers Franz Kremer, dessen Satz „Wollen Sie mit mir Deutscher Meister werden?“ auf der Westtribüne prangte. Zudem das Wappen des FC mit Dom in einem Meer aus Rot und Weiß im Süden. Ein prächtiger Anblick zum Anstoß.

FC-Verteidiger reklamieren und stellen die Arbeit ein

Als die Gäste dann vier Minuten später zum 1:0 trafen, hatte die Geburtstagsparty ein jähes Ende gefunden – und auf den Rängen waren vor allem fragende Gesichter zu sehen. Konnte das sein? Den Eindruck des Unwirklichen verstärkten die Kölner Profis noch. Jeff Chabot hatte gegen Yannick Gerhardt scheinbar geklärt, doch der Ball war noch zu Marmoush gelangt. Die Kölner reklamierten; offenbar ging es um ein Handspiel, so richtig wusste das später niemand mehr. Doch der Angriff lief weiter. Wie schon in der Woche zuvor beim Stuttgarter Führungstreffer standen im Kölner Strafraum plötzlich alle Räume offen. Marmoush legte zurück auf Gerhardt, der zum 1:0 traf, weil Schwäbe den Schuss nicht kommen sah. „Ich sehe den Ball sehr spät. Dass er direkt neben mir einschlägt, ist ärgerlich“, kommentierte der Torwart.

Meine Jungs haben viel für das Spiel getan. Aber im Moment fällt es uns einfach schwer, klare Tormöglichkeiten herauszuspielen
Steffen Baumgart

Eine Kombination aus Torwart- und Abwehrfehler also, die zu einem drastischen Stimmungskiller führte. Der Energiefluss im Stadion brach zusammen. Köln hatte zwar den Ball und durchaus Kontrolle über das Geschehen. Doch schaffte es die Mannschaft nicht, Druck zu entwickeln. „Zehn Zentimeter fehlten überall. Aber so ist es im Moment“, resümierte Baumgart nach dem Schlusspfiff. Die Regungslosigkeit des Trainers lag wohl auch daran, dass es unmittelbar nach dem Schlusspfiff wenig zu tun gegeben hatte für ihn. Kein Kölner Spieler hatte sich nachhaltig darum beworben, angeschrien zu werden. Auch das Publikum reagierte leise: Es gab deutlich mehr aufmunternden Applaus zu hören als Pfiffe, „man sieht, dass hier etwas zusammenwächst“, sagte Baumgart.

Mehr als eine Stunde war seine Mannschaft dem Rückstand hinterhergelaufen, hatte sich abgearbeitet am massiven Defensivblock der Gäste mit einem erneut taktisch hervorragenden Maximilian Arnold, der mit der Wolfsburger Innenverteidigung ein Schwarzes Loch bildete, das alle Kölner Energie verschluckte.

Dann war Kilian Fischer, Wolfsburgs junger Rechtsverteidiger, im Kölner Strafraum aufgetaucht und dort von Jonas Hector zu Boden geschickt worden. Elfmeter, Arnold verwandelte. Hübers traf zwar noch zum vermeintlichen Anschlusstreffer, hatte dabei jedoch im Abseits gestanden.

„Meine Jungs haben viel für das Spiel getan. Aber im Moment fällt es uns einfach schwer, klare Tormöglichkeiten herauszuspielen. Das war auch gegen Stuttgart und Schalke so. Wir haben viel, woran wir arbeiten müssen. Es ist meine Aufgabe, die Jungs dahin zubringen“, erklärte Baumgart.

Schon in der zurückliegenden Trainingswoche hatten die FC-Profis an Abläufen gearbeitet, wie man hinter die Abwehrreihe des Gegners kommt. Doch die Variante mit den Mittelstürmern Steffen Tigges und Davie Selke funktionierte am Samstag nicht. Zwar spielte Köln mehr als doppelt so viele Flanken wie der Gegner. Doch kaum einmal wurde es gefährlich – und aus dem Mittelfeld gelang es Mathias Olesen nicht, torgefährliche Aktionen einzuleiten. „Ich bin froh, dass wir in die Strafräume kommen. Aber wir waren schon mal torgefährlicher, um es so auszudrücken“, sagte Baumgart.

Die Kölner Fans präsentierten am Samstag vor dem Anpfiff der Partie zwischen dem 1. FC Köln und dem VfL Wolfsburg eine gewaltige Choreografie über alle vier Tribünen des Rhein-Energie-Stadions.

Die Kölner Fans präsentierten am Samstag vor dem Anpfiff eine gewaltige Choreografie über alle vier Tribünen.

Geärgert hatte sich der Kölner Trainer über den Schiedsrichter, und nach dem Spiel machte er diesen Ärger auch öffentlich, was selten vorkommt. „Alles“ habe ihn gestört an Frank Willenborg: „Auftreten, Verhalten“, vor allem aber die Regelauslegung. Die Wolfsburger hatten den Kölnern das Leben zusätzlich schwer gemacht, indem sie mit der Führung im Rücken immer wieder den Spielfluss unterbrochen hatten. Für eine Umschaltmannschaft wie den FC bedeutete das unlösbare Probleme: Aus den vielen Ballgewinnen konnten sie kaum einmal Tempo entwickeln, weil ständig taktisch gefoult wurde, ohne dass der Referee persönliche Strafen verhängt hätte. „Es gab einige Sachen, die mich heute geärgert haben“, befand Baumgart.

Auch Davie Selke trauerte nach seinem ersten Einsatz über 90 Minuten im FC-Trikot den verpassten Chancen auf einen Erfolg im eigenen Stadion nach. „Sie machen mit der ersten Aktion das Tor und gehen dann auf Konter. Wir sind sehr gut aus der Halbzeit gekommen und haben den Druck erhöht. Dann machen sie mit dem Elfmeter das 2:0. Das ist brutal bitter“, sagte der Stürmer, und Abwehrchef Timo Hübers fügte an: „So richtig schlau werde ich aus dem Spiel noch nicht.“