Nach dem schwachen Saisonstart läuft beim 1. FC Köln die Suche nach den Ursachen. Der Spielstil ist der Mannschaft zuletzt verlorengegangen.
Fehlstart des 1. FC KölnBaumgarts Mannschaft sucht ihre verlorene Identität
Ein Punkt aus sechs Spielen – nie ist der 1. FC Köln schwächer gestartet als in diese Bundesligasaison. Nach Rang 7 in der Spielzeit 2021/22 und einem besonders angesichts der Mehrfachbelastung durch den internationalen Wettbewerb sehr soliden elften Platz im Vorjahr scheint sich der FC nun auf längere Schwierigkeiten einstellen zu müssen.
Steffen Baumgart merkte zuletzt mehrfach an, seine Mannschaft sei von ihrem Weg abgewichen. Der Stil, der zwei Jahre lang hervorragend funktionierte, kommt derzeit weniger zum Tragen. Das zeigt auch der Blick in die Spieldaten der Kölner Mannschaft.
Der 1. FC Köln läuft und läuft
In den vergangenen zwei Jahren überzeugte der FC mit riesigem Aufwand. Das Pensum der FC-Profis ist nach wie vor gewaltig – und es wächst sogar noch. 118,9 Kilometer pro Partie legte Baumgarts Team in der Vorsaison zurück und war damit die Nummer 1 der Liga. In dieser Saison sind es bislang durchschnittlich 121,1 Kilometer. Allerdings ist den Kölnern ein neuer Konkurrent erwachsen: Aufsteiger 1. FC Heidenheim rennt noch mehr (122,2 Kilometer pro Spiel).
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Die Laufleistung ist allerdings von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Bleiben zum Beispiel in einer Partie beide Mannschaften unter ihren üblichen Werten, liegt das womöglich daran, dass es viele Unterbrechungen und weniger Netto-Spielzeit gegeben hat. Steigende Werte wie im Fall der Kölner könnten vor allem darin ihre Ursache haben, dass der FC kaum noch am Ball ist. In der Saison 2022/23 stand Baumgarts Team in der Ballbesitz-Tabelle mit 50 Prozent auf dem neunten Rang. Jetzt ist Köln mit 45 Prozent nur noch 15. – das Spiel des FC hat sich verändert, die Mannschaft läuft überwiegend dem Ball hinterher.
Der Ballbesitz hängt von der Passquote ab. In der Vorsaison brachte Köln noch 80 Prozent der Bälle an den Mitspieler, das bedeutete Rang zehn. Nun sind es noch 78 Prozent – Relegationsplatz.
Auch da lohnt der Vergleich mit Heidenheim: Die Dauerläufer von der Ostalb sind die Mannschaft mit dem deutlich geringsten Ballbesitzanteil der Liga und der zweitschlechtesten Passquote. Allerdings treffen sie klar besser, der Aufsteiger hat schon zehn Saisontore erzielt, Köln erst vier.
In der Torschuss-Statistik ist der FC Letzter, keine Mannschaft benötigt mehr Versuche pro Tor. Schon im Vorjahr war Köln nur 13., die Abschlussqualität galt vor der Saison als großes Problem. Daher verpflichtete man Luca Waldschmidt, den Mann mit dem gesegneten linken Fuß. Doch auch der ehemalige Nationalspieler schafft es derzeit nicht, sich entscheidend einzubringen. Zuletzt kam er nur von der Bank. In Baumgarts erstem Jahr hatte Köln mit Anthony Modeste noch die sechstbeste Quote. Der Versuch, die Qualität mit Sargis Adamyan zu erhöhen, darf mittlerweile als gescheitert angesehen werden. Der Armenier sucht auch nach anderthalb Jahren in Köln den Anschluss, war gegen Stuttgart nicht einmal mehr als Joker gefragt.
Entsprechend gering ist die Kölner Spielkontrolle. Keine Mannschaft der Liga hat so wenig Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte wie der FC. Neben Luca Waldschmidts bislang geringem Einfluss spielt auch die Schwäche des Kapitäns eine Rolle: Florian Kainz präsentiert sich zwar kämpferisch tadellos, spielte aber in dieser Saison überwiegend auf der zentralen Offensivposition, wo er sich offenbar auch in der Gesamtverantwortung sieht: Kainz schleppt Bälle tief in der eigenen Hälfte, gewinnt Zweikämpfe – darunter leiden seine Beiträge zur Offensive.
Unter anderem seine Flanken von links, wo Linton Maina zwar dank seines Tempos immer wieder aussichtsreiche Aktionen hat. Jedoch kaum einmal eine Szene zu Ende bringt. „Die Präzision hat uns gefehlt. Gut war, wie viele Situationen wir uns rausgespielt haben. Nicht gut war, wie viel wir liegen gelassen haben“, beschrieb Christian Keller nach dem 0:2 gegen Stuttgart. Die Qualitätsfrage verbat sich der Sportchef bis „nach dem 34. Spieltag“. Steffen Baumgart blieb kein anderer Ausweg, als sich wieder an die Arbeit zu begeben: „Wir müssen besser werden“, wiederholte er.
Viel wurde zuletzt über die Flanken gesprochen. Aus Baumgarts erstem Jahr ist Modestes sagenhafte Quote in Erinnerung, als Köln ein Kopfballtor nach dem anderen erzielte. In der vergangenen Saison sank bereits die Zahl der Flanken in den Strafraum, wenngleich Köln insgesamt noch immer die meisten Flanken der Liga schlug.
In dieser Saison bleibt es dabei: Kein Team hat in den ersten sechs Spielen öfter geflankt als der FC. Doch der Anteil an Flanken in den Strafraum sinkt weiter: Nach Platz drei in der Vorsaison bringt der FC nun nur noch die zehnt meisten Flanken in die gefährliche Zone vor dem Tor. Entsprechend übel ist die Quote, am Samstag gegen Stuttgart lag sie bei noch 15 Prozent. „Vorne spielen wir viele Situationen durch“, beschrieb Davie Selke: „Wir müssen dann die Bälle besser an den Mann bringen.“
Stürmer leiden unter der schlechten Flankenqualität
Weil der Stürmer mit einem Ballverlust die Niederlage eingeleitet hatte, war er offenbar in der Stimmung, Schuld auf sich zu laden. Doch lag er falsch, als er befand, die Flankenmisere habe auch mit der Positionierung der Stürmer zu tun. Denn wo die Kölner Flanken derzeit runterkommen, gehört kein Stürmer hin.
In der Luft offenbart der FC aktuell ohnehin eine enorme Qualitätseinbuße. In der vergangenen Saison hatte der FC die viertbeste Quote in Kopfballduellen. Nun liegt Köln auf dem direkten Abstiegsplatz 17, wie in der aktuellen Bundesliga-Tabelle.