Lena Lotzen war Nationalspielerin, hat studiert und steht nun dem FC-Nachwuchs zur Seite. Sie erklärt, warum eine berufliche Ausbildung bei Fußballerinnen so wichtig ist.
„Wer bin ich, wenn ich nicht Fußball spiele?“Ex-Nationalspielerin Lena Lotzen bereitet Kölner Talente auf Karriere und Leben danach vor
Der Frauenfußball befindet sich im Aufwind. Die EM in England im vergangenen Jahr hat bewiesen, wie schnell, wie athletisch – wie hoch das Level auf europäischer Ebene geworden ist.
Seitdem steigen die Zuschauerzahlen in deutschen Stadien, und mit der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland steht in diesem Sommer bereits das nächste große internationale Turnier an. „Wenn kleine Jungs und Mädels, die sonst eigentlich nur Messi und Ronaldo kennen, auf einmal sagen, sie kennen Spielerinnen wie Alexia Putellas oder Alexandra Popp, merkt man, dass der Frauenfußball eine ganz andere Strahlkraft und Aufmerksamkeit hat“, sagt auch Lena Lotzen, Jugendkoordinatorin des 1. FC Köln.
Die 29-Jährige, einst in 122 Bundesligaspielen für den FC Bayern und den SC Freiburg am Ball, betreut den Nachwuchsbereich der Kölner Fußballerinnen. Neben der Koordination des Trainingsbetriebes sämtlicher U-Mannschaften, fungiert die ehemalige Nationalspielerin auch als Schnittstelle zwischen der U-20- und der ersten Damenmannschaft. „Da liegt ein spezieller Fokus drauf, weil das quasi unsere Übergangsmannschaft zwischen der U17 und der ersten Mannschaft ist. Dort haben wir viele Spielerinnen, die auf dem Sprung nach oben sind und bereits in der ersten Mannschaft mittrainieren“, berichtet die gebürtige Würzburgerin.
Frauenfußball: Viele absolvieren noch ein Studium
Parallel dazu ist sie auch für die Förderung der Top-Talente am Geißbockheim zuständig. Dabei kümmert sie sich individuell um junge Spielerinnen, in denen der Verein großes Potenzial sieht: „Ich unterstütze sie zum Beispiel im athletischen Bereich, in der Kommunikation mit den Trainern oder plane die Trainingswoche, damit sie einfach jemanden an der Seite haben, der nicht zum Trainerstab gehört, aber vielleicht auch nicht die Eltern sind.“
Auch bei schulischen oder beruflichen Fragen steht sie den Nachwuchskickerinnen zur Seite: „Wo soll es hingehen? Was sind Studiengänge oder Unis, die infrage kommen? Da versuchen wir parallel, duale Karrieren voranzutreiben.“ Denn kaum jemand weiß besser als sie, wie wichtig eine Ausbildung neben dem Leistungssport ist.
Im März 2021 beendete sie nach dem dritten Kreuzbandriss im Alter von 27 Jahren die aktive Laufbahn. Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang „Sportbusiness-Management“ an der IST-Hochschule untersuchte die ehemalige Profisportlerin die dualen Karriereverläufe von Spielerinnen aus der 1. und 2. Bundesliga.
Das Ergebnis: Viele absolvieren parallel zum Fußball noch ein Studium oder eine Ausbildung und sind damit einer Doppelbelastung ausgesetzt. Dadurch leide letztlich die fußballerische Qualität, weil der Fokus nicht zu 100 Prozent auf dem Sportlichen liegen könne. „Die meisten Spielerinnen haben nach ihrer aktiven Karriere eben keine Millionen beiseitelegen können, sodass sie zwangsläufig wieder in den Beruf einsteigen müssen“, sagt die Europameisterin von 2013.
Duale Karriere als Teil der Nachwuchsbetreuung
„Natürlich ist es dann schwierig, wenn ich erstmal zehn Jahre lang Fußball spiele und dann eine Ausbildung beginne, in der ich wenig verdiene. Wir sprechen dann wahrscheinlich von einem Alter zwischen 30 und 40, deshalb sollten die Spielerinnen sich schon vorher darauf vorbereiten“, sagt Lotzen.
Eine duale Karriere könne viele auch davor bewahren, nach der aktiven Zeit im Profifußball in ein Loch zu fallen. „Wenn ich aber weiß: hey, das eine endet, aber ich kann direkt an etwas Neuem anknüpfen, dann fällt es vielen deutlich leichter“, ist die ehemalige FC-Spielerin, die nie ein Spiel für Köln bestritt, überzeugt.
Beratung in diesem Bereich versteht Lotzen deshalb als Teil ihres Jobs der Nachwuchsbetreuung. Mithilfe ihrer Masterarbeit will sie das Thema auch bei Vereinen und Verbänden in den Fokus rücken. Weder in Freiburg noch bei Bayern München habe sie hinsichtlich ihrer dualen Karriere Unterstützung erfahren. Darauf bestanden haben ihre Eltern.
Verband und Vereine können Angebote schaffen
„Vereine können zum Beispiel helfen, indem sie Kooperationen mit Universitäten oder Unternehmen eingehen. Dabei geht es vor allem um Möglichkeiten, die mit den Trainingszeiten vereinbar sind“, sagt Lotzen.
Aus diesem Grund sei ein Fernstudium für viele die beste Option. „Willst du aber zum Beispiel Medizin oder ein anderes Fach, bei dem Anwesenheitspflicht besteht, studieren, ist es schwierig, wenn zeitgleich das Training stattfindet“, erklärt die 25-malige A-Nationalspielerin. Ein Fernstudium sei wiederum teuer, eine finanzielle Unterstützung könnte bei Nationalspielerinnen beispielsweise von Verbandsseite aus kommen. Am Ende liege eine Berufsausbildung neben der sportlichen Karriere zwar in der Eigenverantwortung der Spielerinnen, Verband und Vereine könnten dabei aber unterstützen und Angebote schaffen.
Trotz einer hohen Belastung aus Sport, Schule, Studium und Beruf, weisen nach Angaben der IST-Hochschule Fußballerinnen, die während der aktiven Karriere ein Studium absolviert haben, die höchste Lebenszufriedenheit auf.
Für Lena Lotzen liegt das am Selbstvertrauen, das durch ein Studium oder eine Ausbildung gewonnen wird: „Beim Fußball weiß man sich zwar in einer aktuellen Sicherheit, ist man aber verletzt oder gehen die Gedanken in Richtung Zukunft, überlegt man, wer bin ich denn eigentlich, wenn ich nicht mehr Fußball spiele? Was kann ich denn noch?“ Die Angst vor einem Leben nach dem Fußball schwinde durch den Erwerb weiterer Fähigkeiten.
Während der aktiven Laufbahn leben Fußballerinnen aber für die großen Spiele. So wie das Heimspiel der FC-Frauen gegen Eintracht Frankfurt am 23. April. Dies findet im Rhein-Energie-Stadion statt und soll den bisherigen Zuschauerrekord bei einem Bundesligaspiel der Frauen übertreffen. Rund 23.200 gilt es zu knacken. Bisher seien bereits 15.500 Karten verkauft. Für Lena Lotzen steht gar nicht außer Frage, dass der bisherige Rekord bei diesem Heimspiel der FC-Frauen fällt: „Wenn nicht hier, wo sonst?“