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Gebürtiger Kölner ist glücklich in den USAMarcel Hartel träumt vom Titel und der FC-Rückkehr

Lesezeit 8 Minuten
MLS, Fussball Herren, USA St. Louis CITY SC at Minnesota United Oct 19, 2024 Saint Paul, Minnesota, USA St. Louis CITY SC midfielder Marcel Hartel 17 looks on during the first half of the game against Minnesota United at Allianz Field. Saint Paul Allianz Field Minnesota USA, EDITORIAL USE ONLY PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xMattxKrohnx 20241019_jcd_hw1_0472

Der Kölner Marcel Hartel im Trikot von MLS-Klub St. Louis City

Marcel Hartel läuft seit August in der MLS für St. Louis City auf. Im Interview spricht der Mittelfeldspieler über seine Karriere und Ziele.

Der gebürtige Kölner Marcel Hartel trug 15 Jahre lang das Trikot des 1. FC Köln, bei seinem Heimatklub stieg der Mittelfeldspieler auch zum Profi auf. Doch weil er am Geißbockheim das Vertrauen vermisst hatte, verließ Hartel den FC zur Saison 2017/18. In der Ferne (Union Berlin, Arminia Bielefeld, FC St. Pauli) gelang dem mittlerweile 28-Jährigen dann der Durchbruch im Profi-Geschäft.

Obwohl Hartel in der vergangenen Saison bei St. Pauli zu den Leistungsträgern zählte und großen Anteil am Bundesliga-Aufstieg hatte, blieb er nicht bei den Kiezkickern und nahm stattdessen ein lukratives Vier-Jahres-Angebot aus der nordamerikanischen Major League Soccer an und läuft nun für St. Louis City aus, einem Klub, bei dem gleich einige Deutsche eine wichtige Rolle spielen. Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Hartel über den Wechsel, sein neues Leben in den USA, seine Ziele, Interesse vom Kölner Erzrivalen Borussia Mönchengladbach und seine Beziehung zum FC.

Herr Hartel, seit August spielen Sie für St. Louis City in der Major League Soccer. Wie fühlt sich das Leben in Missouri an?

Marcel Hartel: Natürlich kann man eine eher kleinere Stadt im amerikanischen Westen wie St. Louis nicht mit Metropolen wie Los Angeles, New York oder Miami vergleichen, aber das wusste ich ja bereits vor meinem Wechsel. Es gibt in St. Louis nicht so viele Sehenswürdigkeiten und kulturelle Einrichtungen. Aber für mich war entscheidend, dass meine Familie sich dort wohlfühlen kann. Ich hatte mir die Gegebenheiten vor meiner Unterschrift drei, vier Tage lang angeschaut. Ich wollte nicht blind in ein völlig neues Land für mich wechseln, denn ich war vorher noch nie in den Staaten. Und bei meinem Besuch habe ich dann schnell gemerkt, dass es für uns passen könnte. Es gibt schöne Parks, viele Spielplätze, gute Restaurants. Meine Tochter wird im Januar zwei Jahre alt, sie wird also zweisprachig aufwachsen. Wir haben den Schritt bis jetzt absolut nicht bereut. Wir mögen auch den eher lockeren Lebensstil hier. Man geht die Dinge relaxter an.

Sie sind in der vergangenen Saison mit dem FC St. Pauli in die Bundesliga aufgestiegen. Ist Ihnen der Weggang überhaupt nicht schwergefallen?

Doch, die Entscheidung ist mir wirklich sehr schwergefallen. Ich habe mich im Verein und in der Stadt sehr wohlgefühlt. Die Zeit bei Pauli war die bisher erfolgreichste meiner Karriere. Ich hatte bei Pauli zudem ein hohes Standing. Können Sie deshalb nachvollziehen, dass nicht jeder Ihren Schritt sofort verstanden hat? Absolut. Aber ich bin da ganz ehrlich und mache kein Geheimnis draus: Ich habe hier einen aus meiner Sicht sehr lukrativen Vierjahresvertrag unterschrieben. Ich habe in Sachen Gehalt einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Ich spiele für einen Verein, der enormes Entwicklungspotenzial hat. Und in einer Liga, die immer interessanter wird und an Qualität zunimmt. Ich lebe zudem auf bestimmte Zeit in einem Land, das ich unbedingt mal näher kennenlernen wollte. Die USA sind ein Abenteuer, das ich genau jetzt eingehen wollte.

Sie sollen nach der vergangenen Saison auch ein Angebot von Borussia Mönchengladbach gehabt haben. War das für Sie als gebürtigen Kölner und langjährigen FC-Spieler überhaupt eine ernsthafte Option?

Ich hatte zwar kein offizielles Angebot aus Gladbach vorliegen, aber es bestand Interesse. Mein Berater hatte mich informiert, dass er mit der Borussia in Gesprächen ist, aber richtig konkret wurden die dann nicht mehr. Im Gegensatz zu den Gesprächen, die wir parallel mit St. Louis führten, diese wurden immer intensiver. Und wenn ich ehrlich bin: Wären die Gespräche mit Gladbach intensiver und alles noch konkreter geworden, dann hätte ich mich schon sehr überwinden müssen, ausgerechnet zum Kölner Erzrivalen zu wechseln. Das ist einfach in dir drin, wenn du in Köln geboren bist, jahrelang das FC-Trikot getragen hast und fast alle deine Freunde FC-Fans sind. Aber ich bin eben auch ein Profi, der ehrgeizige Ziele hat und sich zumindest alles mal anhören kann. Und ich wäre auch nicht der erste Kölner gewesen, der mal für Gladbach gespielt hat.

Zu Besuch in Köln: Marcel Hartel posiert mit dem Trikot von St. Louis City. Sein Kumpel Marco Reus (auf dem Poster im Hintergrund) holte jüngst mit LA Galaxy die Meisterschaft in der MLS.

Der frühere Bundesliga-Manager Lutz Pfannenstiel hat in St. Louis als Sportdirektor eine Mannschaft zusammengestellt, in der neben Ihnen und Jannes Horn mit Eduard Löwen, Cedric Teuchert, Ben Lundt und dem Schweizer Roman Bürki noch weitere deutschsprachige Spieler stehen.

Dass hier bereits vorher einige Deutsche waren und noch gekommen sind, ob im Management, im Staff oder in der Mannschaft, das hat die Entscheidung für St. Louis noch einmal leichter gemacht. Auch meine Frau kann hier so viel leichter Anschluss finden. Gerade mit Jannes Horn und seiner Frau, die in unserem Alter sind und ebenfalls ein Kleinkind haben, verstehen wir uns super. Und die deutsche Community wird noch größer, Timo Baumgartl wechselt auch zu uns. Wenn ich will, dann könnte ich den ganzen Tag nur deutsch sprechen, das will ich aber nicht (lacht).

Wie muss man sich das Wirken von Pfannenstiel vorstellen?

Lutz ist einfach ein positiv-verrückter Mensch, der immer zuversichtlich wirkt. Er ist sehr ehrgeizig, arbeitet mit ganz viel Akribie und steckt seine ganze Energie in dieses Projekt. Er hat hier alles von Grund auf aufgebaut. Wir haben mit Carolyn Kindle eine Klub-Besitzerin, übrigens die erste weibliche in der MLS überhaupt, die viel Liebe in den Verein steckt und bei jedem Spiel im Stadion ist, die aber in Lutz großes Vertrauen hat und ihm viel Freiraum lässt.

Gibt es irgendetwas, an das Sie sich in den USA weiter noch gewöhnen müssen?

In erster Linie an die vielen und manchmal durchaus langen Flugreisen zu den Auswärtsspielen, die meistens mit Zeitverschiebung verbunden sind. Und neu war für mich auch, dass man hier bei Auswärtsspielen nicht im Teamhotel einkaserniert ist, sondern dass wir am Abend vor dem Spiel sogar manchmal noch in die Stadt in ein Café oder Restaurant gehen. Das sieht man hier alles etwas lockerer als in Deutschland. Und wenn du zum Einkaufen in einen der riesigen Supermärkte gehst, dann musst du aufpassen, dass du dich dort nicht verläufst. Ich habe aber auch einen kleinen Shop gefunden, der fast ausnahmslos deutsche Produkte verkauft. Der ist auch gut frequentiert, denn hier in der Region leben einige Deutschstämmige. Leider führt der Laden auch keine Brötchen, die gibt es hier einfach nicht. Als ich jetzt nach Deutschland zurückgekehrt bin, habe ich direkt mal eine gute, alteingesessene Bäckerei aufgesucht (lacht).

Mein Ziel ist es, mit St. Louis die MLS zu gewinnen
Marcel Hartel über seine Titel-Ambitionen in den USA

Sportlich lief in es in der abgelaufenen Saison für Ihren Klub nicht wie erhofft. Nach einem Fehlstart kam die Aufholjagd zu spät, die Playoffs wurden verpasst.

Als Cedric Teuchert, Jannes Horn und ich nach St. Louis kamen, hatten wir gerade einmal drei von möglichen 27 Punkten geholt. Danach ging es deutlich aufwärts. Das macht mich zuversichtlich, dass wir in der kommenden Saison eine gute Rolle spielen können.

Sie haben in 13 Pflichtspielen fünf Tore erzielt und sechs vorbereitet. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Start? Und was sind die Ziele für die kommende Saison?

Ja, damit kann ich persönlich für den Anfang zufrieden sein. Aber das war auch wirklich nur der Anfang. Denn mein Ziel ist es, mit St. Louis die MLS zu gewinnen.

Die Meisterschaft – das ist mal eine Ansage. Ihr Kumpel Marco Reus hat sich jüngst diesen Traum mit LA Galaxy erfüllt…

…und ich kenne wirklich keinen, der Marco diesen Titel nicht gegönnt hat. Er hatte in seiner großen Karriere auch viel Pech gehabt – jedenfalls was die Meisterschaft angeht. Ich habe Marco den Titel von Herzen gegönnt. Und ich habe den Ansporn, es ihm mal gleichzutun. Aber es wird sicherlich nicht einfacher werden. Das Niveau der MLS wird immer besser. Und es ist auch besser, als oftmals in Europa behauptet wird. Es ist nicht mehr die Liga, in der nur alternde Stars ihre Karriere ausklingen lassen. Viele Vereine könnten in der Bundesliga absolut mithalten. Das Interesse an der Liga wird zunehmend größer und die Stadien immer voller.

Es ist mein Traum, noch einmal mit dem Geißbock auf der Brust aufzulaufen
Hartel über eine mögliche Rückkehr zu seinem Heimatklub 1. FC Köln

Hadern Sie eigentlich manchmal damit, dass Ihnen nach 15 Jahren beim FC der große Durchbruch bei den Profis versagt blieb?

Natürlich wäre es schön gewesen, wenn ich noch mehr Profispiele für den FC absolviert hätte. Ich hatte damals aber das Gefühl, dass mir beim FC zu wenig Vertrauen entgegengebracht wurde. Dieses Gefühl als junger Spieler in Köln habe ich sicherlich nicht exklusiv, davon können auch andere junge Spieler ein Lied singen. Der FC hat einfach eine überragende Nachwuchsarbeit, die er allerdings oft zu wenig nutzt. Aber ich war und bin da wirklich keinem böse. Ich hadere auch nicht mit meiner Karriere. Mit meinen weiteren Stationen Union Berlin, Bielefeld, Pauli und jetzt St. Louis bin ich absolut zufrieden. Ich bin jetzt 28 Jahre alt. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich für mich in Zukunft ja noch einmal die Chance, zum FC zurückzukehren. Es ist jedenfalls mein Traum, noch einmal mit dem Geißbock auf der Brust aufzulaufen. Das Gesamtpaket muss aber für beide Seiten auch passen.

Hinter dem FC liegt erneut kein einfaches Jahr mit dem erneuten Abstieg und der Transfersperre. Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung?

Nach anfänglichen und größeren Schwierigkeiten hat sich der FC bemerkenswert gefangen und die Kurve bekommen. Die Mannschaft wirkt wieder deutlich stabiler. In der Liga geht es natürlich verdammt eng zu, aber wenn der FC so weiter macht, dann wird er den Aufstieg auch schaffen.