Köln – Es waren zwar nur 15000 Zuschauer im Rhein-Energie-Stadion, aber die sorgten in der 88. Minute für einen ohrenbetäubenden Jubel und feierten ihren Torjäger, der offenbar in eine Art Jungbrunnen gefallen ist. Dem am Ende fast alles gelingt, selbst an Tagen, an denen es zunächst nicht danach aussah: Dank Anthony Modestes späten Treffers feierte der 1. FC Köln am Sonntagabend einen krönenden Jahresabschluss. Die Mannschaft von Trainer Steffen Baumgart bezwang den VfB Stuttgart 1:0. Nach dem Abpfiff lagen sich die Kölner in den Armen, das Licht wurde gedimmt und zur Musik der Klüngelköpp („Stääne“) geriet der Abend noch richtig besinnlich.
Der FC schloss die Hinrunde mit beachtlichen 25 Punkten als Achter und sogar vor RB Leipzig ab. Während der Rückstand auf den Sechsten Frankfurt nur zwei Zähler beträgt, hat er auf den VfB auf Platz 16 bereits acht Zähler Vorsprung. Und die Kölner brachen den Fluch gegen Stuttgart: Erstmals seit 21 Jahren gewann der FC daheim gegen den VfB.Und erneut hatte Baumgart ein glückliches Händchen bewiesen: Denn wie beim 3:2-Sieg unter der Woche in Wolfsburg bereitete der eingewechselte Kingsley Schindler den Siegtreffer vor. Seine mustergültige Flanke köpfte Modeste ins lange Eck zum Sieg ein. Es war sein elfter Saisontreffer. Und nicht nur das: Mit seinem 55. Tor für den FC liegt der Franzose gleichauf mit dem Ur-Kölner Lukas Podolski.
Nach dem Abpfiff weinte der emotionale Stürmer und wurde von Salih Özcan in den Arm genommen. „Es war emotional für mich, weil heute am 19. Dezember habe ich vor drei Jahren meinen Papa verloren. Und ich denke in dieser Aktion war mein Papa für mich da“, sagte Modeste, ging dann aber auf sein Goldenes Tor ein: „Es hat heute mit dem Fuß nicht funktioniert, deshalb habe ich mir gesagt, mache ich ihn eben wieder mit dem Kopf.“
Baumgart lobte Modeste ebenfalls – auch wenn der Coach mit der ersten Halbzeit seines Stürmers nicht zufrieden war: „Die letzte Aktion haben wir gut ausgespielt, Kingsley hat toll geflankt, Tony steht gut in der Luft. Er macht und tut und krönt die Arbeit seiner Teamkollegen.“ Die Wechsel seien gut aufgegangen. „Aber vor allem ist aufgegangen, dass die Jungs gefightet haben. Wir haben uns Respekt erarbeitet. Die 25 Punkte freuen uns."
Wehrle im Fokus
Auf der Tribüne waren an diesem Abend die Augen auf den Kölner Noch-Geschäftsführer Alexander Wehrle gerichtet, der bekanntlich vor einem Wechsel zum VfB steht und bei seinem Ex-Klub Vorstandsvorsitzender werden soll. Viel Gesprächsbedarf rund um die Partie bestand allerdings nicht, da es nicht sonderlich viel zu verhandeln gibt. Wie berichtet, hat Wehrle ein Sonderkündigungsrecht, eine Change-of-Control-Klausel in seinem bis zum 30. Juni 2023 laufenden Vertrag beim FC. Diese Klausel wird aufgrund der Erweiterung der Kölner Geschäftsführung wirksam. Die Verantwortlichen beider Klubs trafen sich nach dem Abpfiff dennoch zum Plausch in der Loge. Während des Spiels saß der 46-Jährige wieder wie gewohnt neben Präsident Werner Wolf und litt mit seinem FC.Beide sahen eine personell unveränderte Kölner Mannschaft. Die Partie begann munter. Zu Beginn zappelte der Ball gleich zweimal im gegnerischen Netz, und zweimal war Modeste beteiligt. Doch beim vermeintlichen 1:0 in der dritten Minute durch den Franzosen hatte zuvor Florian Kainz den Ball mit der Hand gespielt. Und nach zehn Minuten wurde das wuchtig erzielte Tor von Louis Schaub wegen einer knappen Abseitsstellung von Modeste zurückgepfiffen, der Videoschiedsrichter hatte sich eingeschaltet.
Kölner verloren plötzlich den Zugriff
Doch nach dem guten Beginn verloren die Kölner plötzlich den Zugriff. Sie spielten zu umständlich und hatten eindeutig ihr Tempo verloren. Die Partie hatte jetzt Längen. Kurz vor der Pause hatte der FC wieder eine bessere Phase und eine starke Aktion, als Kainz Endo düpierte und scharf auf Modeste flankte, der seinen Kopfball aber nicht richtig platzieren konnte.
Baumgart reagierte zur zweiten Halbzeit personell noch nicht, dann aber gleich mehrfach zu einem Zeitpunkt, als die Stuttgarter den besseren Eindruck machten. Wie in Wolfsburg entschied er sich für einen Dreierwechsel, diesmal aber rund 15 Minuten früher. Mark Uth (für Duda), Jan Thielmann (für Andersson) und Jannes Horn für den angeschlagenen Schaub kamen in die Partie. Und die Hausherren wurden auch wieder aktiver, während der VfB nach vorne so gut wie nichts anzubieten hatte. Aber genau solche Spiele sind extrem gefährlich, denn oft reicht dem Gegner ein guter Konter, eine gute Torchance. Doch eine solche hatte der VfB nicht mehr – erstmals in einem Bundesligaspiel blieb der FC in dieser Saison ohne Gegentor.
Dafür traf auf der Gegenseite erneut Modeste und bescherte dem FC ein frohes Weihnachtsfest. Zur Belohnung gab Baumgart dem Team länger frei, erst am 2. Januar wird trainiert. Und Modeste befand: „Jetzt dürfen wir Weihnachten genießen – ich denke, das haben wir verdient.“