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Kommentar

WM-Kolumne „Wir schauen hin“
Mit Thomas Broich durch Messis Zauberwelt

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Argentiniens Superstar Lionel Messi dribbelt mit dem Ball durch das Mittelfeld, Kroatiens Mittelfeldstars Brozovic und Kovacic können nur staunend zuschauen.

Messi tanzt durchs Mittelfeld, Kroatiens Stars Brozovic und Kovacic haben keine Chance.

Die ARD lieferte der großen Show des Lionel Messi am Dienstagabend einen angemessenen Rahmen, besonders Co-Kommentator Thomas Broich fiel einmal mehr positiv auf.

Man durfte dankbar sein, dieses WM-Halbfinale mit Thomas Broich im Ohr verbringen zu dürfen. Nicht erst seit dieser Weltmeisterschaft darf der frühere Mittelfeldspieler als klügster Fußballerklärer im deutschen Fernsehen gelten. Als Broich in der ARD-Übertragung am Dienstagabend Messis Magie beschrieb, offenbarte er einmal mehr seine Klasse.

Sandro Wagner im ZDF ist zuletzt wie Broich ebenfalls durch tiefe Kenntnis und eine hohe Vermittlungskompetenz aufgefallen. Und, das macht die Experten Broich und Wagner besonders, mit dem Willen, ihre Aufgaben am Mikrofon bestmöglich zu erfüllen. Dazu gehört auch der Fleiß des Kritikers: Wenn Wagner oder Broich Fehler ansprechen, dann nicht im Vorbeigehen. Ihnen ist anzumerken, dass sie sich zuvor den Kopf zerbrochen haben. So zeigt man Respekt.

Thomas Broich bei einem Auftritt auf der Kölner Lit Cologne, der ehemalige Fußballprofi und heutige TV-Experte trägt Anzug und diskutiert gestenreich,

Thomas Broich hatte eine bemerkenswerte Karriere als Fußballer. Heute arbeitet er als Analyst und Fußballerklärer.

Das ist besonders, denn zu oft gehen Experten auf Sendung, um das Offensichtliche zu beschreiben und ansonsten ihren Lebenslauf als Profi vor sich herzutragen. Zwar könnten sowohl Wagner als auch Broich gut von ihren Lorbeeren aus aktiven Zeiten leben. Doch nehmen sie den neuen Job ernst: Benennen Zusammenhänge und liefern Hintergründe, die dem Kommentator nicht in den Schoß fallen. Sondern die erarbeitet sein müssen.

Während Wagner allerdings den Straßenkommentierer gibt, dessen Pointen oft sitzen und manchmal über das Ziel hinausschießen, ist Broich eher der Liebhaber, der die kulturelle Seite des Spiels sieht. Insofern war Broich am Mittwochabend der richtige Mann am richtigen Ort. „Unfassbar, was der für Dimensionen sieht“, staunte Broich schon früh im Spiel, als Messi zu schimmern begann.

Unfassbar, was der für Dimensionen sieht
Thomas Broich über Lionel Messi

Kroatien hatte eine erste halbe Stunde voller Ballbesitz, es war nicht gleich abzusehen, ob sie Argentinien zermürben könnten oder ihr eigenes Spiel doch nur ins Nichts treiben ließen. Kommentator Gerd Gottlob und Broich ließen sich Zeit mit ihren Urteilen, was gut war. Sie beobachteten; warteten darauf, dass die Partie eine Richtung nehmen würde.

Argentiniens Doppelschlag half ihnen dann, nach 39 Minuten war das Spiel angesichts der jüngsten Auftritte beider Mannschaften praktisch gelaufen. Gottlob bemühte sich um Originalität, als er bemerkte, Messis faszinierender Elfmeter in den Winkel sei „reingeknackt“ gewesen.

Ein wenig überraschend kam, dass die weltweit einsetzende Debatte um den letztlich spielentscheidenden Strafstoß zum 1:0 weder bei Gottlob und Broich noch in der Halbzeitpause von Bastian Schweinsteiger im Studio geführt wurde. Alvarez‘ Kollision mit Kroatiens Keeper Livakovic, der gleich zu Beginn des Konters seine Position zu Ball und Gegner eingenommen und sich anschließend nicht mehr bewegt hatte, war klar keine Rote Karte. Doch zumindest der Umstand, dass ein Torhüter nicht aktiv foult und dennoch ein Elfmeter verhängt wird, hätte auch während der ARD-Übertragung aufgenommen werden müssen. Die Kroaten erklärten zwar nach der Partie in aller Ruhe, dass es ihrer Ansicht nach keinen Strafstoß hätte geben dürfen. Doch im Moment des Pfiffs protestierten sie nicht – und verluden damit offenbar auch die Crew der ARD.

Schweinsteiger grantelt – und vervollständigt damit das Bild

Der Rest des Spiels war Messi, der seine neun Feldspielerkollegen dirigierte, als sei Fußball nur noch sehr bedingt ein Mannschaftssport. „Nicht von dieser Welt“ sei, was Messi da zur Aufführung brachte, befand Broich. Bastian Schweinsteiger, der sich offenbar seit dem gewonnenen WM-Finale 2014 darin gefällt, Argentinien geringzuschätzen, blieb sich treu und verbreitete konsequent weiter den Eindruck, eine ziemliche Durchschnittstruppe habe es da ins Finale geschafft. Das wirkte ein wenig grantig, doch vervollständigten Schweinsteigers Beiträge das Meinungsbild.

Broich war damit davon befreit, Argentinien die Qualitätsfrage zu stellen, die wohl nur Frankreich beantworten kann. Angesichts der feiernden Südamerikaner auf den Tribünen nahm er lieber den Geist dieser wundervollen Fußballnacht auf – und lieferte einen Stimmungsbericht aus Doha. „Man spürt die Sehnsucht auf den Straßen. Hier entsteht etwas Wunderbares.“