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ZDF-DokuWM 1982 – Die fabelhafte Nacht von Sevilla

Lesezeit 3 Minuten
Im Halbfinale von Sevilla trifft Klaus Fischer am 8. Juli 1982 mit einem herrlichen Fallrückzieher zum 3:3 in der Verlängerung. Es folgt das erste Elfmeterschießen der WM-Geschichte.

Tor für Deutschland: Fischer trifft per Fallrückzieher zum 3:3 in der Verlängerung gegen Frankreich.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zeigte vor 40 Jahren bei der WM 1982 in Spanien ein fabelhaftes Halbfinal-Match gegen Frankreich. Eine ZDF-Doku hat die Nacht von Sevilla glänzend in Szene gesetzt.

Früher war nicht alles besser, aber einiges schon. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte zum Beispiel nichts mit der unglücklichen Auswahl zu tun, die bei der Weltmeisterschaft in Katar nach der Gruppenphase heimreisen musste. Sie war damals vielmehr eine in der Welt gefürchtete Turniermannschaft, bestehend aus Profis mit Ecken und Kanten.

Und diese Männer absolvierten Spiele, an die man sich auch nach Jahrzehnten noch erinnert. Eines davon ist das Halbfinale Deutschland gegen Frankreich, das am 8. Juli 1982, also vor 40 Jahren, bei der WM in Spanien in einer heißen andalusischen Sommernacht in Sevilla stattfand. Die DFB-Auswahl besiegte die Franzosen um Michel Platini nach Elfmeterschießen, nachdem sie in der Verlängerung 1:3 zurückgelegen hatte.

Eine O-Ton-Reportage mit Original-Bildern und Original-Kommentaren von 1982

Das ZDF hat diesem Jahrhundertspiel eine 47-minütige Dokumentation namens „Sevilla ’82 – Die Geschichte eines Jahrhundertspiels“ gewidmet, die in der Mediathek angeschaut werden kann und Fußball-Nostalgiker glücklich machen dürfte.

Denn sie erweckt das Spiel facettenreich zu neuem Leben. Der Sender bezeichnet den Film als „O-Ton-Reportage“, da ausschließlich Originalbilder und -Kommentare von 1982 zu sehen sind, kombiniert mit aktuellen Interviews der Protagonisten.

Basis des Werks ist das 2021 erschienene Buch des Stadt-Anzeiger-Redakteurs Stephan Klemm, das einen ähnlichen Titel trägt: „Die Nacht von Sevilla 82. Ein deutsch-französisches Fußballdrama“ (Verlag Eriks Buchregal). Zusammen mit Tim Gorbauch und Mirko Schernickau hat Klemm sein Buch als Autor nun auch in bewegte Bilder gebracht.

Der völlig freudetrunkene Horst Hrubesch feiert seinen verwandelten Elfmeter in der Nacht von Sevilla überschwänglich. Deutschland hat damit das Finale von Madrid erreicht.

Den entscheidenden Elfmeter verwandelte Horst Hrubesch (l.). Er wird danach umjubelt.

Zu Wort kommen die deutschen Nationalspieler Toni Schumacher, Pierre Littbarski, Paul Breitner und Uli Stielike, aber auch die französischen Akteure Marius Trésor und Alain Giresse. Genauso wie der damalige Busfahrer und Zeugwart der Deutschen, Walter Kohr, und der Hörfunk-Journalist Manni Breuckmann. Alle Befragten erinnern sich erstaunlich genau an das vier Jahrzehnte zurückliegende Geschehen.

Natürlich bekommt ein Thema viel Raum: Das legendäre Schumacher-Battiston-Drama, das Brutalo-Foul des Kölner Torhüters in der 57. Minute gegen den gerade eingewechselten Patrick Battiston, der bewusstlos vom Platz transportiert werden musste. Schumacher, der es damals erst nicht fertigbrachte, sich zu entschuldigen, wurde in Frankreich zum Buhmann und als Nazi bezeichnet.

Toni Schumacher spricht offen über seine Depressionen

Offen wie nie zuvor spricht er in dem Film über seine Wahrnehmung der damaligen Ereignisse. Zu den beeindruckendsten Momenten des Films gehört seine Beschreibung einer Depression. Graue Wölfe hätten ihn nach Sevilla heimgesucht, sein Synonym für die Depression, sagt Schumacher, „eine Schwere, eine Dunkelheit“. Die Wölfe hätten ihn zwar umkreist, „aber nicht gebissen, weil ich das alles wieder mental in den Griff bekommen habe.“

Die einzigartige und scharfsinnige Dokumentation bietet aber auch eher launigen Stoff, denn sie beginnt mit dem WM-Trainingslager der Nationalmannschaft am Schwarzwälder Schluchsee, dem „Schlucksee“, das in heute undenkbarer Art aus dem Ruder lief. Kartenspielen, Alkohol, durchgemachte Nächte – all dies gehörte zum inoffiziellen Vorbereitungsprogramm der damaligen Nationalspieler.

Littbarski berichtet offen, dass er in einem Vorbereitungsspiel gegen ein Juniorenteam so geschwächt war, dass er an keinem einzigen Gegenspieler vorbeikam. Es waren andere Zeiten. Die DFB-Elf kam trotzdem ins Finale, das sie aber, ausgelaugt vom Frankreich-Drama, mit 1:3 gegen Italien verlor.

Sevilla ’82 - ein Jahrhundertspiel. In der ZDF-Mediathek abrufbar. Im regulären Programm: 14.12., 3 Uhr.