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„Das wird jetzt unheimlich. Ihr könnt die Punkte haben“Reise-Eklat um Victor Boniface und Nigeria in Libyen

Lesezeit 4 Minuten
Die nigerianische Nationalmannschaft am Abraq Airport in Al-Baida.

Die nigerianische Nationalmannschaft am Abraq Airport in Al-Baida.

Die Nationalmannschaft von Nigeria muss vor einem geplanten Afrika-Cup-Qualifikationsspiel mehr als 15 Stunden an einem Flughafen in Libyen ausharren.

Es sollten normale Qualifikationsspiele für den Afrika-Cup werden, doch jetzt bekommen die Duelle zwischen Nigeria und Libyen eine politische Dimension. Beide Fußballverbände und ihre Spieler beschuldigen sich gegenseitig der Reisesabotage und sprechen sogar von Geiselnahme. Mittendrin: Victor Boniface von Bayer 04 Leverkusen. Der Stürmer postete am Montagmorgen beim Nachrichtendienst „X“: „Sind seit fast 13 Stunden am Flughafen, kein Essen, kein Wifi, kein Platz zum Schlafen. Afrika, das können wir besser machen.“

Seine nigerianischen Mitspieler und er posteten Fotos und Videos von der Situation in der Vorhalle eines offenbar verlassenen Flughafens. Lokale Medien berichten, dass die Mannschaft mit dem Flugzeug eigentlich in der libyschen Hafenstadt Bengasi landen sollte, wo am Dienstagabend im Martyrs of February Stadium das Rückspiel in Gruppe D der Afrika-Cup-Qualifikation stattfinden sollte. „Etwa eine Stunde vor der Landung wurde das nigerianische Flugzeug, das sich seinem Zielort Bengasi näherte, in eine andere Stadt umgeleitet, die mehr als zwei Stunden vom ursprünglichen Zielort entfernt war“, sagte Nigerias Teamsprecher Promise Efoghe.

Victor Boniface am Flughafen in Libyen

Victor Boniface am Flughafen in Libyen

Die libyschen Behörden haben sich zu den Gründen für die Umleitung bisher nicht geäußert. Klar ist: Die Delegationen von Ghana und Sudan, die ebenfalls in Bengasi spielen werden, durften dort auch landen. Der nigerianische Tross wurde hingegen zum 240 Kilometer entfernten Abraq Airport in Al-Baida geschickt. Dort mussten Spieler, Trainer und Staff mehr als 15 Stunden ausharren.

Nigeria-Kapitän William Troost-Ekong von Al-Kholood in der saudischen Liga erhebt schwere Vorwürfe: „Sie haben die Türen zum Flughafen verriegelt und uns ohne Telefonverbindung, Essen und Trinken zurückgelassen. Alles nur, um Psychospielchen zu spielen“, schrieb er auf seinen Social-Media-Kanälen. „Ich habe schon einige Dinge bei Auswärtsspielen in Afrika erlebt, aber das ist skandalöses Verhalten. Selbst der tunesische Pilot, dem es dankenswerterweise gelang, in letzter Minute auf einen Flughafen auszuweichen, auf dem unsere Maschine eigentlich nicht landen konnte, hat so etwas noch nie gesehen.“

Nach einigen Stunden habe es zumindest Wasser gegeben. Wilfried Ndidi von Leicester City schrieb: „Das hat mit Fußball nichts zu tun. Sehr peinlich. Eine Nationalmannschaft als Geisel. Skandalös.“ Die Verantwortlichen schalteten die nigerianische Regierung ein, „um einzugreifen und uns zu retten“, wie Troost-Ekong mitteilte. Am Montagnachmittag hob das Flugzeug dann wieder ab – mit Ziel Nigeria. Boniface schrieb kurz zuvor: „Das wird jetzt unheimlich. Ihr könnt die Punkte haben. Wir wollen nur in unser Land zurückkehren.“

Die Mannschaft weigert sich, das Spiel am Dienstag auszutragen. „Als Kapitän habe ich zusammen mit der Mannschaft beschlossen, dass wir dieses Spiel nicht spielen werden“, schreibt Troost-Ekong. „Die CAF (der afrikanische Fußballverband, Anm. d. Red) sollte sich den Bericht ansehen und wissen, was hier passiert. Selbst wenn sie beschließen, ein solches Verhalten zuzulassen... sollen sie doch die Punkte bekommen. Wir werden es nicht akzeptieren, mit dem Auto irgendwohin zu fahren, selbst mit Sicherheitsmitarbeitern ist das nicht sicher. Wir können uns nur ausmalen, wie das Hotel oder das Essen aussehen würde, wenn wir weiterfahren würden. Wir respektieren uns selbst und respektieren unsere Gegner, wenn sie unsere Gäste in Nigeria sind. Fehler passieren, aber diese Dinge haben nichts mit dem internationalen Fußball zu tun.“

Die Vermutung steht im Raum, dass das Verhalten der Libyer eine Retourkutsche für die Reisestrapazen der libyschen Mannschaft vor dem Hinspiel (1:0 für Nigeria) am Freitag sein könnte. Nach der Partie hatte Libyen-Kapitän Faysal Al-Badri erklärt: „Unser Gepäck wurde eine Stunde lang im Flugzeug durchsucht, und auch der Transport von einer Stadt in die andere verzögerte sich um drei Stunden, obwohl wir mit einem Privatflugzeug reisten und es in der Nähe der Stadt, in der wir spielen wollten, einen Flughafen gab. Nach langer Zeit kamen drei nicht klimatisierte Kleinbusse und ein Polizeiauto sowie zwei Fahrzeuge der libyschen Botschaft an. Die Frage ist: Wie lange werden wir noch so empfangen? Während andere Teams in den besten Flughäfen und Hotels empfangen werden, sollen wir uns angesichts dieser Dinge immer noch gedulden? Wir leiden seit vielen Jahren unter diesem Problem, und obwohl wir bereit sind, es zu tolerieren, muss es eine Lösung für diese Praktiken geben. Wir fordern, dass die zuständigen Behörden diese Vorgänge untersuchen, und wir fordern Gegenseitigkeit.“

Der nigerianische Verband widersprach dieser Darstellung und betonte, man habe der libysichen Delegation vielmehr geholfen, aus ihrem selbst verursachten Reisechaos herauszukommen. Nun steht für Regierungen und Verbände eine große Aufarbeitung der Geschehnisse an.