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Bayer-04-KriseOhne den mächtigen Werner Wenning wird im Werksklub nichts entschieden

Lesezeit 5 Minuten
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Werner Wenning, der mächtige Mann hinter Bayer 04 Leverkusen

Leverkusen. – Am Montagmorgen haben sich in Leverkusen alle Türen geschlossen. Die Bosse von Bayer 04 haben am Tag nach der 0:3-Niederlage bei Hertha BSC damit begonnen, den Schaden zu analysieren und nach Lösungen zu suchen. Ein Blick auf die Organisation des Werksklubs definiert die Rollen bei dieser Arbeit eindeutig: Fernando Carro, Sprecher der Geschäftsführung, ist die Nummer eins. Dahinter folgen, was die Ausrichtung des sportlichen Bereichs angeht, Geschäftsführer Rudi Völler und Sportdirektor Simon Rolfes.

Zu den Eigenheiten von Bayer 04 gehört die Tatsache, dass diese Runde eine wichtige Entscheidung wie die Trennung von einem Cheftrainer, in diesem Fall Peter Bosz, nicht alleine treffen kann. Wie vieles andere auch geht das beim Werksklub nicht ohne das Einverständnis des mächtigen Gesellschafterausschusses, der als Aufsichtsgremium die Interessen des Bayer-Werks im Fußball-Ableger vertritt und den Umgang mit der jährlichen Zuwendung von 25 Millionen Euro überwacht. Diese Instanz, die alle sechs Wochen zusammentritt, besteht aus sechs Männern, von denen nur einer etwas zu sagen hat: Der ehemalige Konzernchef und Bayer-Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning (74), der seit 2010 ihr Vorsitzender ist.

Wenn er wollte, wäre Werner Wenning eine permanent sichtbare und gern zitierte Größe des deutschen Fußballs. Er könnte regelmäßig an TV-Stammtischen über Krisen und Herausforderungen der Branche reden, mit Interviews in Magazinen und Zeitungen seinen Einfluss sichtbar machen, der Fußball-Nation die Leidenschaft eines Mannes präsentieren, der nicht nur oberster Wächter über die Geschicke seines Klubs ist, sondern auch dessen glühendster Fan.

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Werner Wenning will das aber nicht. Das oberste Gebot des gebürtigen Opladeners, der 1966 als kaufmännischer Lehrling in den Bayer-Konzern eintrat, 1997 in den Vorstand aufrückte und von 2002 bis 2010 dessen Vorsitzender war, sind im Umgang mit dem Fußball Diskretion, Verschwiegenheit, Unsichtbarkeit. Bei der Verabschiedung von Michael Schade als Bayer-04-Geschäftsführer im Spätsommer 2017 war er zuletzt halböffentlich aufgetreten. Kurz zuvor hatte Wenning den ehrgeizigen Fernando Carro (56) nach einer Headhunter-Suche zu Schades Nachfolger bestimmt. Dies durfte gefahrlos als Betonung eines neuen Ehrgeizes interpretiert werden. Der Spanier Carro war schon in seiner Zeit als hoher Manager im Bertelsmann-Konzern für sein Temperament und seine Entscheidungsfreudigkeit bekannt. Durch ihn bringt Bayer 04 zum Ausdruck, dass die permanente Zielsetzung der Neuzeit Champions League heißt.

Der Gesellschafterausschuss muss aber auch in weniger maßgebliche Entscheidungen als eine mögliche Trainerentlassung eingebunden werden. Namhafte Spielertransfers selbst in Höhe von unter zehn Millionen Euro müssen von ihm, respektive Wenning, abgesegnet und für gut befunden werden. Manchmal sind dafür detaillierte Erklärungen nötig wie 2011 bei der Verpflichtung von Bernd Leno. Die sportliche Leitung musste darlegen, warum sie gewillt war, für den dritten Torwart des VfB Stuttgart, der keine Minute im Profi-Team gespielt hatte, rund sieben Millionen Euro auszugeben. Wenning gilt als Boss, der seine Macht menschlich einsetzt und gut zuhören kann. Offenbar waren die Erklärungen im Fall Leno gut, der Daumen ging nach oben, und der Transfer konnte nach einer Leihphase über die Bühne gehen. Es wurde ein gutes Geschäft. Nach 304 Pflichtspielen für Bayer 04 wechselte der Torhüter 2018 für 22 Millionen Euro nach London.

Werner Wenning, der 2007 zum „Manager des Jahres“ gewählt worden war, blieb nach seinem Ausscheiden als CEO des Bayer-Konzerns bis 2010 eine der mächtigsten Personen der deutschen Wirtschaft. Er saß im Aufsichtsrat von EON (Vorsitz), Siemens, Evonik, Henkel, Deutsche Bank. Als Aufsichtsratsvorsitzender von Bayer hatte er die Grundsatzentscheidung des umstrittenen Monsanto-Deals mitverantwortet, deren Rechtsfolgen im Zuge des Streits um das Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in den USA immer noch nicht abgearbeitet sind. Entscheidungen von größerer Tragweite sind kaum denkbar. Am emotionalsten wird Werner Wenning allerdings, so sagen Leute, die ihn näher kennen, wenn es um Bayer 04 geht.

Bosz Bank

Peter Bosz sitzt alleine auf der Bank in Berlin

Aktuell liefert der Herzensklub wenig Grund zur Freude. Nach dem krachenden Aus im DFB-Pokal und der Europa League scheint auch das Ziel Platz vier und Champions-League-Qualifikation (sieben Punkte hinter Frankfurt) verspielt. Platz sechs als absolutes Minimum ist akut gefährdet. Das Systemversagen unter Peter Bosz gegen die Krisenklubs Bielefeld (1:2) und Berlin (0:3) verbietet das Prinzip Hoffnung für die Spiele nach der Länderspielpause gegen Schalke, Hoffenheim und Köln. Kein Gegner in der Liga scheint schlecht genug, um die verstörte Mannschaft nicht in Nöte bringen zu können.

Eine Fortsetzung des Absturzes würde den Wert des talentierten Kaders, auf den alle so stolz sind bei Bayer 04, erheblich beschädigen. Das beweist alleine die Personalie Florian Wirtz. Der Vertrag des 17-Jährigen, der erstmals zur Nationalmannschaft berufen wurde, läuft 2023 aus. Wenn es nicht gelingt, ihn bis nächstes Jahr zu verlängern, droht großes Unheil bis hin zum Verlust ohne Gegenleistung. Bei einem Arbeitgeber, der ihm Weiterentwicklung auf internationalem Gebiet nicht garantiert, wird der ehemalige Kölner langfristig nicht spielen wollen. Deshalb sagte Sportdirektor Simon Rolfes dieser Tage: „Eine Saison ohne Europapokal ist mit diesem Kader nicht vorstellbar.“

Am Montag hat Peter Bosz in Leverkusen das Training der Gruppe geleitet, die nicht zu Länderspielen gereist ist. Für Dienstag ist das auch geplant. Wie es danach weitergeht, hängt von dem kurzfristigen Plan ab, den die Geschäftsführung um Fernando Carro und Rudi Völler dem mächtigen Werner Wenning vorlegen wird.Ihm in der aktuell schweren Krise seines Herzensklubs keinen Plan vorzulegen, wird sie nicht wagen.