Bayer 04 in der AnalyseGeringe Leistungssteigerung reicht nicht aus
Berlin/Leverkusen – Bayer 04 Leverkusen verpasst auch in Berlin gegen Hertha BSC die Chance auf den so dringend benötigten Befreiungsschlag. Damit rangiert die Werkself nach sechs Spieltagen auf dem vorletzten Rang in der Bundesliga. Unsere Analyse zum 2:2 in der Hauptstadt:
Das Wichtigste zuerst
Bayer 04 Leverkusen hat zum ersten Mal in der Saison 2022/23 unentschieden gespielt. Am Samstagnachmittag kam die Werkself nach einer wilden zweiten Halbzeit zu einem 2:2 (0:0) bei Hertha BSC. Der Punkt bringt Leverkusen im Tabellenkeller nicht vom Fleck und verschafft Trainer Gerardo Seoane keinen neuen Kredit. Schon am Dienstag geht es weiter, dann ist Atlético Madrid in der Champions League zu Gast in der Bay-Arena.
Die Tore
Nachdem Patrik Schick (11.) und Adam Hlozek (26.) in der ersten Halbzeit mit zwei Großchancen aus kurzer Distanz am starken Hertha-Schlussmann Oliver Christensen gescheitert waren, sorgte Kerem Demirbay kurz nach dem Seitenwechsel für die Leverkusener Führung. Der Mittelfeldspieler verwandelte seinen von Moussa Diaby herausgeholten Freistoß sehenswert mit seinem linken Fuß ins rechte obere Eck (49.).
Die Freude über die Führung hielt nicht lange, denn das 1:0 hatte Bayer 04 keine Sicherheit verliehen. In der 56. Minute verlor Adam Hlozek einen Zweikampf im Mittelfeld. Edmond Tapsoba stellte sich beim folgenden Pass auf Aka Kanga denkbar ungeschickt an. Kurz danach kam der Ball nach innen, wo Chidera Ejuke den einlaufenden Suat Serdar sah. Der frühere Schalker traf aus kurzer Distanz problemlos.
In der 74. Minute drehte die Hertha die Partie. Vorausgegangen war ein Aussetzer des eingewechselten Nadiem Amiri. Der frühere Nationalspieler hatte den Ball nach einem Einwurf unter Bedrängnis hoch ins Zentrum geschlagen. Dort nahm der kurz zuvor eingewechselte Marco Richter Tempo auf und jagte den Ball aus über 20 Metern traumhaft unter die Latte.
Bayer 04 zeigte eine Reaktion: Nach einer Flanke des eingewechselten Robert Andrich ließ der ebenfalls eingewechselte Sardar Azmoun den Ball klug durch die Beine laufen. Schick stand am Fünfmeterraum komplett frei und traf zum 2:2 (79.).
Das war gut
Immerhin brach Bayer 04 nach Richters Traumtor nicht auseinander – im Gegenteil. Auf niedrigem Niveau kann die Werkself ihre Reaktion als Fortschritt werten.
Das war schlecht
Die Fehleranfälligkeit. Jeden im Team kann es zu jeder Zeit treffen. Nachdem Lukas Hradecky in Brüssel gepatzt hatte, verschuldeten diesmal Tapsoba und Amiri die Gegentore. So lange die Fehlerquote derart hoch bleibt, kann aus Bayer 04 unter Trainer Seoane kein Topteam werden.
Momente des Spiels
Nach 82 Minuten kam Hertha-Joker Jean-Paul Boetius zu einem Dreifach-Abschluss am Leverkusener Fünfmeterraum. Ein Versuch landete am Pfosten, zwei Schüsse wurden geblockt. Einen davon bekam Bayer-Verteidiger Odilon Kossounou an den ausgestreckten rechten Arm. Der Elfmeterpfiff, der durchaus berechtigt gewesen wäre, blieb aus.
In den letzten Augenblicken hätte Bayer 04 die Partie sogar noch zu einem für den bisherigen Saisonverlauf untypischen Happy-End führen können. Nach einem Querschläger der Berliner lief plötzlich Patrik Schick alleine aufs Hertha-Tor. Doch Marc-Oliver Kempf kam herangeflogen und blockte den Schuss zur Ecke. Bei einem Team ohne historischem Negativlauf fliegt ein solcher Ball oft irgendwie doch noch ins Netz.
Spieler des Spiels
Marco Richter, Schütze von Herthas Traumtor in der 74. Minute und umjubelter Publikumsliebling mit bewegender Vorgeschichte. Der 24-Jährige hatte erst kürzlich nach einer überstandenen Hodenkrebs-Erkrankung sein Comeback gegeben – und traf seitdem in drei Einsätzen zweimal.
Das sagen die Trainer
Sandro Schwarz (Hertha BSC): „Es war ein sehr aktives Spiel, meine Mannschaft war sehr mutig und hatte viele gute Balleroberungen. Es gab Phasen, in denen die Leverkusener Qualität zu sehen war, aber wir haben den Glauben immer aufrechtgehalten. Die Leistung der Mannschaft war sehr zufriedenstellend, die Atmosphäre überragend – nur mit dem Ergebnis hadern wir ein bisschen. Die Szene in der 82. Minute war für mich ein klarer Elfmeter.“
Gerardo Seoane (Bayer 04): „Wir haben ein unterhaltsames Spiel gesehen. Meine Mannschaft hat es in vielen Szenen verpasst, diese gut zu Ende zu spielen. Dennoch war es eine klare Leistungssteigerung. Mit mehr Effizienz wäre mehr für uns möglich gewesen.“
Das sagen wir
Die Situation bei Bayer 04 bleibt unverändert. Wenn die Klubleitung vor dem Spiel bei Hertha keine direkte Veranlassung sah, eine Trennung von Trainer Seoane zu vollziehen, so wird das 2:2 in Berlin sie nicht umgestimmt haben. Die Werkself bewies Kampfgeist und ließ sich nach dem Rückstand nicht hängen. Kapitän Lukas Hradecky lobte Seoane in den höchsten Tönen. Doch ändert all dies nichts an den elementaren Leverkusener Problemen: zahlreiche amateurhafte Gegentore und nur ein Sieg aus acht Spielen. Es bleibt die Bilanz eines Abstiegskandidaten.