Bayer 04 schmeißt die Bayern aus dem DFB-Pokal. Nathan Tella ist der Held und trifft gegen seinen Ex-Trainer.
„Was wird diskutiert?“Xabi Alonso bleibt der Bayern-Schreck – Rolfes zeigt klare Kante zu Neuer-Rot
Dass die 17. Minute am Dienstagabend entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Pokalpartie zwischen dem FC Bayern und Bayer 04 hatte, darin waren sich die Protagonisten beider Seiten einig. Bei der Frage, ob die Rote Karte für Manuel Neuer gerechtfertigt war, gab es allerdings – etwas überraschend – unterschiedliche Auffassungen. Der Rekordmeister versuchte alles, um die Entscheidung zumindest als fragwürdig darzustellen.
Für die Leverkusener war die Szene, als der Weltmeister von 2014 aus seinem Tor rannte und außerhalb des Strafraums Jeremie Frimpong in Eishockey-Manier wegcheckte, nicht zu hinterfragen. „Ob jetzt Rot für letzter Mann und Torverhinderung oder für den Aufprall oder für was? Was wird diskutiert?“, fragte Bayers Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes süffisant. „Für mich ist es nicht diskutabel. Das ist für mich eine klare Rote Karte in der Gesamtsituation.“
Der amtierende Meister und Pokalsieger nutzte den Vorteil, rund 80 Minuten einen Mann mehr auf dem Platz zu haben und gewann das Achtelfinale mit 1:0. Damit lebt für Bayer der Traum der Titelverteidigung, für die Bayern heißt es nach den Pleiten gegen Gladbach, Freiburg, Saarbrücken und Kiel: Auch im fünften Jahr in Serie werden Halbfinale und Finale im DFB-Pokal ohne die Münchner ausgetragen.
Lob und Kritik von Simon Rolfes
Dass Bayer 04 in Überzahl den Bayern den Ball überließ, sich aufs Verteidigen konzentrierte und eher wenig ansehnlichen Fußball bot, war Rolfes – wie die Diskussionen um die Rote Karte – völlig egal. „Es gibt keinen Schönheitspreis, morgen interessiert es keinen mehr, wie es war“, sagte der 42-Jährige, gab aber auch zu, dass man in Überzahl nicht die gewünschte Kontrolle auf den Platz bekommen habe: „Wir hätten die Möglichkeiten gehabt, mehr Rhythmus zu kriegen, mehr Dominanz, mehr Ruhe am Ball, mehr den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen. Wir haben uns zu häufig auf einer Seite festmachen lassen. Das haben wir nicht gut hingekriegt.“
Schon bis zur Halbzeitpause hatten die Bayern mehr Torgelegenheiten, wenn es auch keine zwingenden waren. In der Viertelstunde nach dem Seitenwechsel hatten die Hausherren dann trotz Unterzahl zeitweise mehr als 60 Prozent Ballbesitz. Doch just in dem Moment, als sich die Münchner erstmals etwas fallen und die Gäste den Ball laufen ließen, schlug Bayer 04 eiskalt zu. Der Ball wurde auf die linke Seite verlagert, wo Alejandro Grimaldo ein paar Meter Platz nutzte, um eine gezielte Halbfeldflanke hinter die Abwehrkette zu schlagen. Der eingewechselte Nathan Tella wählte einen sehr guten Laufweg zwischen den Bayern-Verteidigern Kim-Min Jae und Alphonso Davies und köpfte zum Siegtreffer ein.
„Nathan ist bislang nicht bekannt dafür, ein Kopfballungeheuer zu sein, aber das hat er sich wohl bei ‚Schicki‘ im Training gut abgeschaut“, sagte Rolfes schmunzelnd. Tella war für Patrik Schick auf den Platz gekommen, der nur eine Viertelstunde nach seiner Halbzeiteinwechslung wieder vom Rasen musste. „Wir müssen abwarten, aber es sieht nicht gut aus“, sagte Trainer Xabi Alonso mit Blick auf das Ligaspiel gegen St. Pauli am Samstag (15.30 Uhr, Sky). Der Doublesieger kämpft ohnehin bereits mit einigen Verletzungsproblemen in der Offensive. Die linke Wade ist der Problembereich, dort hatte Schick bereits beim Bundesligaspiel in Berlin einen Schlag abbekommen.
Für Tella war der Siegtreffer gleich in mehrerer Hinsicht besonders. „Das wichtigste Tor in meiner Karriere“, sagte der 25-Jährige, der 2023 für rund 23 Millionen Euro vom FC Southampton zur Werkself gestoßen und in der laufenden Saison kaum zum Zug gekommen war. In England war der nigerianische Nationalspieler in der Saison 2022/2023 an den FC Burnley ausgeliehen, erzielte 17 Tore, bereitete fünf vor und hatte damit entscheidenden Anteil an der Premier-League-Rückkehr des Klubs. Sein Trainer damals: Vincent Kompany. Der aktuelle Bayern-Coach sprach von einer „bitteren“ Niederlage, die man „nicht schönreden“ könne. Sein Resümee klang dann aber doch ein wenig danach: „Diese Leistung war positiv. Wenn diese Energie bleibt, werden wir noch viel gewinnen. Diesen Pokal in dieser Saison nicht. Aber diese Mannschaft kann weiter wachsen, sie bekommt ihre Momente.“
Kleine Kampfansage an den FC Bayern
Sein Gegenüber Alonso zeigte sich „überglücklich“ über den Viertelfinaleinzug. Für den Spanier war es das fünfte Aufeinandertreffen als Trainer von Bayer 04 mit seinem Ex-Klub, für den er von 2014 bis 2017 die Schuhe geschnürt hatte. Die Bilanz des Spaniers in diesen Duellen: drei Siege, zwei Remis, keine Niederlage. Bei sieben Punkten Rückstand in der Bundesliga wollte Rolfes nicht über die Auswirkungen dieses Erfolgs auf den Meisterschaftskampf philosophieren. Eine kleine Kampfansage ließ er dann aber doch folgen: „Die Saison ist noch lang. Ich schreibe gar nichts ab im Fußball.“ Die Chancen auf eine Titelverteidigung im Pokal sind am Dienstagabend jedenfalls erheblich gestiegen.