„Wie oft ich spiele, bestimme ich“Demirbay über seine Leistung, Bayer und den Titel
- Kerem Demirbay wechselte im Sommer für 32 Millionen Euro von Hoffenheim zu Bayer 04 Leverkusen.
- Hinter dem Mittelfeldspieler liegt keine gute Hinrunde, dennoch blickt er selbstbewusst auf die Rückserie.
- Im Interview spricht er zudem über Kai Havertz, Ex-Coach Julian Nagelsmann und seine Meister-Tipps.
La Manga – Herr Demirbay, wie geht es Ihrem Knöchel? Sie waren zu Beginn des Trainingslagers umgeknickt.
Ich merke es schon noch. Ich habe eine Prellung im Fuß, aber es ist Gott sei Dank nichts richtig kaputt. Ich habe am Tag darauf ja auch wieder Standards geschlagen, wenn auch mit Schmerzen im Fuß.
Denkt man als Sportler in solchen Situationen: Okay, da ist jetzt etwas kaputt.
Es hat ein Knacken gegeben. Aber ich hatte viele Bänderverletzungen, das ist etwas anderes. Darum wusste ich: Strukturell ist nichts kaputt. Ich weiß nicht, ob jeder das so merken würde. Ich habe ein gutes Körpergefühl.
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Wie fällt Ihr persönliches Fazit der Hinrunde aus? Hätten Sie sich mehr erhofft?
Ich hätte natürlich gerne alle Spiele gespielt. Aber man muss selbstkritisch und realistisch sein. Ich war in der Hinrunde nicht da, wo ich sein kann. Das weiß ich. Trotzdem hätte ich natürlich gerne mehr Spiele gemacht. Aber ich bin kein Mensch, oder kein Spieler – nein, bleiben wir bei Mensch. Ich bin kein Mensch, der auf andere zeigt. Ich versuche, wieder dahinzukommen, wo ich sein kann. Dann hoffe ich, dass ich jedes Spiel mache.
Haben Sie analysiert, woran es gehapert hat?
Ja, klar. Aber damit gehe ich nicht an die Öffentlichkeit. Sie schreiben es ja oft genug, da brauchen Sie nicht auch noch meine Einschätzung.
Man kann es an einigen Zahlen ablesen: Sie haben zwei Vorlagen gegeben und noch kein Tor geschossen.
Richtig. Sehen Sie? Sie brauchen meine Einschätzung nicht.
Der Fußball, den Peter Bosz spielen lässt, mit viel Ballbesitz und vielen Pässen, passt gut zu Ihren Stärken. Wurde noch nicht die richtige Position für Sie gefunden?
Wie gesagt, ich zeige nicht mit dem Finger auf andere. Es fängt bei mir an und es hört bei mir auf. Ich kann überall im zentralen Mittelfeld spielen. Hier im Verein fühle ich mich – in Absprache mit dem Trainerteam – auf der Sechs am wohlsten. Wie oft ich dort in der Rückrunde spielen werde, das werde als erstes ich bestimmen. Denn es geht immer um Leistung. Die Qualität, die wir haben, ist brutal. Du kannst es dir hier nicht leisten, zwei oder drei Spiele schlecht zu spielen. Wenn jeder alles dafür tut, um besser zu werden und einen gesunden Konkurrenzkampf zu gestalten, dann bringt das jeden nach vorne. Und ich werde alles dafür tun, jedes Spiel zu absolvieren.
Hat Trainer Peter Bosz ihre Nicht-Berücksichtigung in drei Spielen im Dezember begründet?
Ja, natürlich.
Konnten Sie seine Erklärung nachvollziehen?
Sie müssen verstehen: Wenn ein Spieler nicht spielt und sagt: „Ich kann das verstehen.“ – dann lügt er. Das ist einfach so. Wenn du nicht aufgestellt wirst, dann kotzt dich das an. Genauso, wenn du ein Spiel verlierst, das ist ein ähnliches Gefühl. Es gibt vielleicht auch Spieler, die sagen, dass es ihnen genügt, wenn sie im Kader sind. Mir genügt das nicht. Ich muss und will jedes Spiel machen. So ehrgeizig bin ich.
Ist Ihre Rekordablöse von 32 Millionen Euro eine Last?
Nein. Ablösesummen spiegeln deine harte Arbeit und deinen Erfolg der vorangegangenen Jahre wider. Wie hoch die Ablöse dann ist, das bestimmen ja nicht wir Spieler. Der Fußball hat sich in diese Richtung entwickelt. Für mich ist es völlig irrelevant.
Die Stimmung im Trainingslager wirkt sehr gelöst.
Ja, wir haben eine gewisse Lockerheit in der Arbeit. Trotzdem sind wir fokussiert. Es ist eine gesunde Mischung.
Zur Person
Kerem Demirbay (26), geboren in Herten, steht seit Sommer 2019 bei Bayer 04 Leverkusen unter Vertrag. Der Mittelfeldspieler durchlief die Jugendabteilungen von Schalke, Wattenscheid und Dortmund. Anschließend war Demirbay für Kaiserslautern, Hamburg, Düsseldorf und Hoffenheim aktiv. Zur Saison 2019/20 wechselte er für die Leverkusener Rekordablöse von 32 Millionen Euro zu Bayer 04, sein Vertrag läuft bis 2024. Demirbay wurde 2017 mit Deutschland Confederations-Cup-Sieger, wartet seitdem aber auf eine weitere Nominierung für die A-Nationalmannschaft. (ckr)
Welchen Einfluss hat das auf spielerische Aspekte fokussierte Training von Peter Bosz?
Ich finde, dass er ein sehr, sehr guter Trainer ist. Er versteht, was wichtig im Fußball ist. Treppenläufe oder Läufe von über 60 Minuten – dann bist du zwar eine Maschine, aber das ist ja alles nicht spielnah. Woher sollte der Körper dann wissen, wenn er müde wird, was mit dem Ball zu tun ist? Ich bin froh, dass unsere Vorbereitung so aussieht. Der Trainer weiß es, versteht es – auch weil er selbst gekickt hat…
… obwohl Peter Bosz im Vergleich zu Ihnen als Aktiver ja eher übers Rustikale als übers Spielerische kam.
(lacht) Ja, die eine oder andere Rote hat er sicher mal gesehen. Habe ich zumindest gehört.
Welchen Eindruck macht Neuzugang Exequiel Palacios?
Er ist ein sehr entspannter Junge. Ein guter Spieler, sonst hätte der Klub ihn nicht geholt.
Und er ist ein Konkurrent für Sie im zentralen Mittelfeld.
Klar, aber das ist gesund für die Mannschaft. Wir führen einen richtigen Konkurrenzkampf, aber nur auf dem Platz. Sobald das Training beendet ist, sind wir alle Freunde, allesamt Mitspieler. Und das leben wir aus. Wir sind eine Einheit, niemand pinkelt den anderen an. Ich kann von unserer Mannschaft behaupten: Wir haben kein einziges Arschloch im Team. Wenn das der Fall wäre, würde er von allen Seiten ordentlich Input kriegen, von wegen: „Was ist denn mit dir los?“
Palacios, Nadiem Amiri und Sie könnten der zentrale Bestandteil des Umbruchs sein, sollten Kai Havertz und Charles Aránguiz den Verein im Sommer verlassen.
Der Fußball ist sehr schnelllebig, da kann viel passieren. Es wird ja spekuliert, dass Kai im Sommer geht – was wohl auch nicht unwahrscheinlich ist. Und bei Charley wissen wir es nicht. Er ist ein sehr guter und wichtiger Fußballer, der erstmal wieder fit werden muss. Doch Spekulationen bringen uns jetzt nicht weiter. Wenn sie weg sein sollten, dann ist es so. Dann werden wir eine Lösung dafür finden.
Havertz und Aránguiz wirken im täglichen Umgang aber nicht so, als würden sie sich schon mit ihrem nächsten Arbeitgeber beschäftigen?
Absolut nicht, beide nicht. Das schätze ich an ihnen, auch wenn es selbstverständlich ist, da ist ja noch hier unter Vertrag stehen. Kai und Charley sind positive Jungs, die nach vorne gehen.
Bayer 04 ist Tabellensechster, spielt noch im DFB-Pokal und der Europa League. Wie lautet die Marschroute für die Rückrunde?
Jeder spielt, um Titel zu holen. Daran werden wir alles setzen. Und wir wollen uns definitiv wieder für die Champions League qualifizieren. Aber wissen Sie, alles kommt von harter Arbeit. Wir haben nicht viel Zeit, um uns auf die Rückrunde vorzubereiten. Wir müssen an einigen Stellen noch etwas schleifen und uns verbessern. Dann bin ich mir sicher, dass wir unsere Ziele erreichen können.
Waren Sie von Leipzigs Herbstmeisterschaft überrascht?
Mit der Zeit nicht mehr, nein. Sie waren das konstanteste Team. Sie stehen zurecht da oben.
Wie groß ist der Anteil von Julian Nagelsmann am Erfolg? Sie kennen ihn gut aus Hoffenheimer Zeiten.
Sehr groß. Er ist wirklich ein überragender Trainer. Ich glaube fest daran, dass er irgendwann ein ganz, ganz großer Trainer wird, auf internationaler Ebene. Ich traue ihm alles zu, er ist ein Weltklasse-Typ. Als Mensch ist er toll und von seinem Wissen her ist er ein Phänomen.
Haben Sie Prognosen für die Rückrunde?
Ich glaube, den einen oder anderen kriegen wir noch.
Geben Sie einen Meister-Tipp ab?
Tippen tue ich natürlich auf uns. Ich spiele ja für diesen Verein. Ich gehe ja nicht in die Rückrunde und sage, dass ich nicht Meister werden will. Jeder möchte Meister werden, der oben noch etwas dranschnuppert. Aber man darf natürlich nicht vergessen: Da sind einige sehr gute Klubs oben dabei: Bayern, Leipzig, Dortmund – Bayer Leverkusen (lacht).