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Bayer Leverkusens AbwehrspielerMitchel Bakker liefert bestes Spiel seiner Karriere und stellt sogar Florian Wirtz in den Schatten

Lesezeit 4 Minuten
Mitchel Bakker nach seinem Treffer gegen St.Gilloise in der Europa League.

Lieferte das vielleicht beste Spiel seiner Karriere: Mitchel Bakker.

Der Niederländer erzielte in der hitzigen Atmosphäre von Anderlecht das 2:0 selbst, bereitete das 4:1 eindrucksvoll vor.

Als die Schlacht geschlagen war und im Lotto-Park von Anderlecht die Feierlichkeiten vor der Tribüne mit den 1500 Bayer-Fans begannen, führten Lukas Hradecky und Jonathan Tah ein kurzes Gespräch. „Spul mal sechs Monate zurück. Weißt du noch, wo wir da standen, in welcher Verfassung wir da waren?“, fragte der Leverkusener Torhüter den Abwehrchef. Die Antwort kannten beide. Bayer 04 Leverkusen war ganz unten. Hinabgesunken auf Platz 17 der Bundesliga, gescheitert an Elversberg in der ersten Runde des DFB-Pokals. Ausgeschieden aus der Champions League, deren Erreichen unter Gerardo Seoane im Mai 2022 wie ein kleiner Titelgewinn gefeiert worden war.

Bayer Leverkusen nun gegen AS Rom

Nach dem 4:1-Sieg über das belgische Überraschungsteam Union St. Gilloise steht Bayer 04 Leverkusen im Halbfinale der Europa League gegen die AS Rom. Termine: 11. Mai im Stadio Olimpico, eine Woche später in Leverkusen. Das hat der Werksklub auch diesen beiden Spielern zu verdanken, die im Herbst mit ihren Fehlern noch dazu beigetragen hatten, dass der Saisonstart den Bach runterging und Gerardo Seoane Anfang Oktober entlassen wurde.

Sinnbildlich dafür war die Slapstick-Aktion, mit der Torhüter Hradecky am 7. September beim Champions-League-Auftakt in Brügge mit dem Ball in den Händen einfach ins eigene Tor gefallen war. Die 0:1-Niederlage war hier schon der Anfang vom Ende der großen Träume. Und am Ende blieb nur der Trostpreis Europa League.

Bayer Leverkusen: Siegesserie hält an

Was seitdem passiert ist, kann auch Schnellsprecher Lukas Hradecky nicht einfach so geschwind in ein, zwei Sätze packen. „Es war nicht nur der Trainer, wir haben uns alle zusammengerissen“, sagte der Finne mit slowakischen Wurzeln, „wir haben die Saison vielleicht etwas zu naiv begonnen. Und es tut mir leid, dass Gerardo Seoane gehen musste. Aber Xabi Alonso hat seinen Job auch gut gemacht.“

Ein anderer Schluss ist inmitten er aktuellen Siegesserie nicht möglich. Erstaunlicher noch als die nackten Ergebnisse – zwölf Spiele ungeschlagen, davon neun gewonnen – ist die Metamorphose einstiger Problemspieler zu Helden. Außer Hradecky und Tah tut sich hier am meisten der Niederländer Mitchel Bakker hervor, der noch im November über das Feld rannte, als habe er sich in der Sportart geirrt. Als habe er sich überhaupt in seinem Beruf geirrt. Nach mehreren Disziplinverstößen und zweifelhaftem generellen Auftreten traf ihn eine interne Sperre. In allen Personalplanungen war er Verkaufskandidat Nummer eins.

Mitchel Bakker liefert bestes Spiel seiner Karriere

Dieser Mitchel Bakker lieferte am Donnerstagabend das beste Spiel seiner Karriere, erzielte in der hitzigen Atmosphäre von Anderlecht das 2:0 selbst, bereitete das 4:1 eindrucksvoll vor, gewann nahezu alle Zweikämpfe und stellte sogar Jung-Star Florian Wirtz kurzzeitig einmal in den Schatten.

Auf die Frage, was er mit diesen Spielern, mit dieser Mannschaft seit seinem Amtsantritt gemacht hat, antwortete Xabi Alonso mit zwei Vokabeln, die er in seinem von Spanisch geprägten Deutsch immer wieder hervorhob: Calidad. Mentalidat. Qualität und Mentalität. „Ich kannte die Qualität dieser Spieler“, erklärte er, „aber wir mussten an der Mentalität arbeiten. Das war noch nach der Niederlage gegen Mainz im Februar so. Wir mussten eine andere Mentalität bekommen. Und nach dem Sieg in Monaco im Elfmeterschießen und dem Unentschieden in Freiburg ein paar Tage später, da wusste ich, dass wir es geschafft hatten. Die Qualität der Spieler ist sehr hoch. Wir brauchten nur eine andere Mentalität.“

Robert Andrich über AS Rom: „Die wollten wir haben“

Als feststand, dass der nächste Gegner AS Rom heißen würde, war der Jubel groß im Bayer-Team. „Die wollten wir haben“, sagte Robert Andrich, der inmitten der funkelnden Über-Talente wie Florian Wirtz, Moussa Diaby und Jeremie Frimpong wie ein Herbergsvater wirkt, der für alle Türen die richtigen Schlüssel hat. Immer mehr wird der Brandenburger zum Zentralspieler dieses Teams, dessen Talent lange Zeit in jede Richtung unbeherrschbar schien. Hier ist einer, der es auf dem Feld, während des Spiels zu bändigen und zu lenken weiß.

Xabi Alonso gab seiner Mannschaft nach dem ersten Einzug in ein Europapokal-Halbfinale seit 2001 erst einmal den Freitag frei. Er hat selbst zweimal die Champions League gewonnen und weiß, dass im April nicht die Zeit für Bilanzen und Feierlichkeiten ist. „Es ist zu früh, wir haben noch nichts erreicht. Am Sonntag spielen wir gegen RB Leipzig. Die Bundesliga hat für uns genau dieselbe Priorität wie die Europa League.“ Durch beide Wettbewerbe kann sich der so katastrophal in die Saison gestartete Werksklub noch für die Champions League qualifizieren. In der Europa League braucht er dafür den Sieg. In der Liga Platz vier. Beides ist schwer. Aber möglich.

Der unerschrockene Finne Lukas Hradecky wollte sich auf der nächtlichen Heimfahrt von Anderlecht nach Leverkusen schon mal einen Fingerhut seines Lieblingsgetränkes genehmigen. „Ich glaube, fünf Bier sind erlaubt“, erklärte er fröhlich. Der Kollege Jonathan Tah wollte dem nicht im Wege stehen: „Ich trinke nicht so viel Alkohol. Lukas kann gern ein paar für mich mittrinken.“