Nach der 0:3-Pleite bei den Bayern sind Leverkusens Aussichten auf das Königsklassen-Viertelfinale schlecht. Auch Xabi Alonso trägt eine Teilschuld.
„Gehört nicht auf dieses Niveau“Granit Xhaka geht nach Fehlerfestival in München hart mit Bayer 04 ins Gericht

Frustriert: Leverkusens Mittelfeldchef Granit Xhaka
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Derart angefressen hatte man Granit Xhaka in seiner Zeit bei Bayer 04 Leverkusen wohl noch nie erlebt. In ruhigem Ton, aber mit finsterer Miene erklärte der Schweizer Mittelfeldstratege nach dem ernüchternden 0:3 in München: „Es sind so viele Sachen heute passiert, bei denen ich durchatmen muss, um nichts Falsches zu sagen.“ Er sei niemand, der „auf Einzelpersonen draufhaut. Das werde ich jetzt auch nicht tun. Aber da waren schon ein paar Sachen dabei, die nicht auf dieses Niveau gehören.“ Fragen nach der eigenen oder der Leistung des erstaunlich blassen und am Ende frustrierten Florian Wirtz bügelte Xhaka in aller Deutlichkeit ab: „Andere Frage!“
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Xhaka mit den „paar Sachen“ die individuellen Aussetzer der zweiten Halbzeit des Achtelfinal-Hinspiels am Mittwochabend meint, die die Chancen des Werksklubs auf den Viertelfinal-Einzug fast in Wunder-Kategorien hatten schrumpfen lassen. Das Rückspiel findet am kommenden Dienstag (21 Uhr) in Leverkusen statt.
Leverkusener Profis überbieten sich mit aberwitzigen Aussetzern
Trotz des frühen 1:0 durch Harry Kane, begünstigt durch körperloses Verteidigen auf der Außenbahn (Piero Hincapie) und im Fünfmeterraum (Nordi Mukiele), hatte sich Bayer 04 bis zur Pause alle Möglichkeiten für den Einzug in die nächste Runde offengehalten. Die knappe Hinspiel-Niederlage hätte Xabi Alonso wohl mit Kusshand genommen. Doch nach dem Seitenwechsel begannen die Bayer-04-Profis plötzlich, sich mit aberwitzigen Aussetzern zu überbieten. Den Anfang machte Torhüter Matej Kovar, der nach einer harmlosen Flanke einen Meter zu weit vorne stand, tief ins Hohlkreuz ging und den Ball nach hinten aus den Fingern gleiten ließ, wo Jamal Musiala zum 2:0 abstaubte. Der tschechische Keeper unterstrich den Eindruck der vergangenen Monate, dass sich Risiko und Ertrag von Xabi Alonsos Torhüter-Wechselspiel nicht die Waage halten und das Experiment spätestens seit Mittwochabend gescheitert ist.
Wenig später trat Mukiele am Mittelkreis ohne Not Kingsley Coman von hinten auf die Achillessehne. Leverkusens französischer Verteidiger hatte in zweierlei Hinsicht Glück: Allen voran, dass sein Landsmann sich nicht schwer verletzte. Dazu, dass Mukiele nur die Ampelkarte sah – er hätte sich auch nicht über glatt Rot beschweren können. „Eine dummer Platzverweis, komplett unnötig“, kritisierte Xhaka, „so weit weg vom eigenen Tor.“
Den Hattrick der individuellen Aussetzer perfekt machte Edmond Tapsoba in der 72. Minute. Der Innenverteidiger sollte nach seiner Einwechslung wenige Augenblicke zuvor eigentlich dabei helfen, den Schaden in Unterzahl in Grenzen zu halten. Stattdessen umklammerte er Kane nach einem Eckball in Ringer-Manier und verursachte einen Strafstoß, den Kane zum 3:0-Endstand verwandelte. Hier driftete Xhaka in seiner Analyse allerdings ab, weil er die Schuld am Elfmeter beim englischen Schiedsrichter Michael Oliver verortete. „Den wird er in der Premier League nicht pfeifen. Ich war sieben Jahre in England, ich kenne Michael und bin überzeugt, dass er den dort nicht pfeifen wird“, sagte der Ex-Arsenal-Profi.
Die Fehler von Xabi Alonso
Trainer Xabi Alonso wirkte angesichts des nur mit Glück verhinderten Debakels – die Bayern ließen viele Chancen aufs 4:0 liegen – mitgenommen wie selten zuvor. „Heute lief alles gegen uns. Wegen uns. Wir müssen dafür die Verantwortung übernehmen“, sagte der spanische Coach, während er mit der Hand selbst zugefügte Verletzungen im Bereich der Pulsadern imitierte. Zwar sollte grundsätzlich nichts mit einem Selbstmordversuch verglichen werden, doch die Intention von Xabi Alonso wurde deutlich.
Leverkusens Trainer selbst hatte ebenfalls seinen Anteil an seiner ersten Niederlage gegen die Bayern im siebten Duell als Coach der Werkself. So erwies sich sein Entschluss, den bereits verwarnten und sportlich in jeder Hinsicht überforderten Mukiele nicht schon zur Pause auszuwechseln, als Fehler. „Ich hatte diesen Gedanken, aber ich habe nicht so entschieden“, sagte Xabi Alonso, ohne näher auf die Beweggründe einzugehen. Auch sein Ansatz, die Bayern-Defensive erneut ohne klassischen Mittelstürmer, sondern mit viel Tempo und Wendigkeit zu bespielen, ging nicht auf. Weder Mittelfeldstratege Granit Xhaka noch Abwehrchef Jonathan Tah wollten die taktische Variante bewerten – oder deren Folgen. Fakt ist: In den vier Duellen mit München in dieser Saison erzielte Bayer 04 nur zwei Tore. Eines beim glücklichen 1:1 im Bundesliga-Hinspiel, eines beim 1:0-Pokal-Erfolg nach 75-minütiger Unterzahl. In den jüngsten 180 Minuten gegen die Bayern, großteils absolviert ohne Neuner, blieb Leverkusen torlos.
Granit Xhaka gibt sich kämpferisch
Diese Bilanz weckt keine großen Hoffnungen auf ein Fußball-Wunder im Rückspiel am Dienstag in Leverkusen. Dennoch gab sich der Doublesieger betont kämpferisch. „Wir dürfen nicht daran denken, aufzugeben“, forderte Xabi Alonso. „Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich nicht hier, sondern zu Hause“, sagte Tah. Xhaka ergänzte: „Wir wissen, dass wir die Bayern schlagen könne, gerade bei uns. Das haben wir schon öfter bewiesen. Wir werden und müssen alles dafür tun. Ob es dann am Ende reicht – schauen wir mal.“