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Abschied von Lars und Sven BenderWarum Bayer 04 vor einem großen Verlust steht

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Lars (l.) und Sven Bender

Leverkusen – Drei Spiele trennen Bayer 04 Leverkusen von einem Verlust, dessen Ausmaß nur zu erahnen ist. Am 22. Mai, nach der Partie in Dortmund, beenden Lars und Sven Bender im Alter von 32 Jahren ihre Karriere als Fußball-Profis. Wie die meisten Schritte in ihrem Leben gehen sie auch diesen gemeinsam. Und sie gehen ihn aus demselben Grund: Der Körper setzt das Stoppschild. Bei den Benders darf man, wie bei so vielem, auch hier den Singular benutzen. Alles gleicht sich bei den Zwillingen so sehr, dass man die Lebenswege nicht voneinander trennen kann. Seit Sven 2017 aus Dortmund zu Bayer 04 kam, wo sein um wenige Minuten älterer Bruder Lars schon acht Jahre spielte und Kapitän war, tragen sie wie schon in ihrer Jugend und bei der ersten Profi-Station 1860 München dasselbe Trikot.

„Ein Trainer, der die Benders in seiner Mannschaft hat, darf sich glücklich schätzen“, hat Freiburgs Trainer Christian Streich 2016 gesagt, bevor der Kollege Horst Hrubesch mit den Zwillingen in der Olympia-Auswahl zu den Spielen nach Rio de Janeiro fuhr und dort im Finale erst im Elfmeterschießen gegen Brasilien verlor. Auch wenn sie wegen einer Vielzahl von Verletzungen oft ausfielen, hatten die Benders großen Einfluss auf die Mannschaftsseele. Sie waren immer Leitfiguren und moralische Instanzen für junge Spieler, die in der Parallelwelt des Profi-Fußballs nach ihrem Weg suchten. Und sie lehrten Demut als Wert, ohne den persönliches Glück unabhängig von Millionengehältern und Starkult schwer möglich ist.

Menschlich nicht zu ersetzen

In der Führung des Werksklubs weiß man, dass Lars und Sven Bender menschlich nicht zu ersetzen sein werden. Umso mehr will man im Sommer bei Neuverpflichtungen auf Führungsqualitäten achten. „Das haben wir eindeutig im Blick“, sagt Sportdirektor Simon Rolfes, zumal in Julian Baumgartlinger ein erfahrener Profi mit diesen Qualitäten wegen einer Knieverletzung noch monatelang ausfällt. Aber wenn man den Bender-Faktor einfach kaufen könnte, würde es jeder tun.

Interimstrainer Hannes Wolf, der das Team zumindest in die Europa League führen soll, wird darüber entscheiden, ob es bei den 341 Bayer-Pflichtspielen für Lars und 130 für Sven Bender bleiben wird. Der Ex-Kapitän hat sich nach einer drei Monate währenden Meniskusverletzung in den Kader zurückgekämpft. Sein jüngerer Bruder kämpfte bis zuletzt mit seinem chronisch gewordenen Problem im Sprunggelenk. In den Partien gegen Bremen, Union Berlin und Dortmund wären sie vermutlich einsatzbereit. Eine Rückkehr in die Stammelf ist nach der zuletzt überzeugenden Leverkusener Leistung gegen Frankfurt ohne Verletzungen oder Leistungseinbrüchen von Kollegen oder einem unwahrscheinlich.

Lars und Sven Bender werden dem Klub erhalten bleiben

Dennoch werden sie ihre letzten Spielminuten wohl bekommen. Das ist ihnen der Werksklub und der Fußball schuldig. Jahrelang haben sie mit Schmerzen und auch Verletzungen gespielt, um ihren Teams zu dienen. „Wir haben totalen Raubbau an unseren Körpern betrieben“, sagt Lars. Ihr Respekt vor dem Sport hat auch die allerletzte Karriereentscheidung der einstigen Nationalspieler im November 2020 beeinflusst. „Weil ich den Fußball liebe“, hat Sven Bender als Rücktrittsbegründung genannt.

Es steht außer Zweifel, dass Bayer 04 Leverkusen versuchen wird, den Geist der Zwillinge nicht zu verlieren. Klubchef Fernando Carro hat mehrmals gesagt, dass man sie gerne in einer Funktion behalten würde. Immerhin war Lars Bender fünf Jahre lang Kapitän der Mannschaft. Sven Bender ist in 224 Spielen für Dortmund einer der beliebtesten Borussia-Profis aller Zeiten geworden und würde dort, in welcher Funktion auch immer, mit offenen Armen empfangen.