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Exklusiv

Jonas Hofmann im Interview
„Ey, guck mal, was wir erreicht haben“

Lesezeit 6 Minuten
Jonas Hofmann mit seiner Ehefrau Laura nach dem DFB-Pokalfinale in Berlin im Mai 2024.

Jonas Hofmann mit seiner Ehefrau Laura nach dem DFB-Pokalfinale in Berlin im Mai 2024.

Leverkusens Führungsspieler Jonas Hofmann über seine schwache Rückrunde, die EM-Nichtnominierung, seine Ziele und den Plan, Trainer zu werden.

Herr Hofmann, wie war für Sie der Urlaubsbeginn? Überwog die Freude über das Double, oder die Enttäuschung der Nicht-Nominierung für die EM?

Ganz klar die Freude darüber, was man vergangene Saison erreicht hat. Es wäre fatal gewesen, wenn ich mich davon hätte runterziehen lassen. Natürlich war ich im ersten Moment nach der Entscheidung des Bundestrainers total enttäuscht. Aber meine Frau hat dann zu Hause gesagt: „Bitte erinnere dich daran, was du geschafft hast. Das schaffen nur wenige.“ Dann war das schnell beiseitegelegt. Und sieben Wochen Urlaub waren jetzt auch nicht so verkehrt. (lacht)

Sie haben die deutschen EM-Spiele sicher dennoch verfolgt: War das dann schwer für Sie?

Als ich die Spiele angeguckt habe, hatte ich schon mal den Gedanken: Boah, da würde ich jetzt auch gerne mitrennen. Ich habe mitgefiebert, wir haben coolen Fußball gespielt, wir haben die Leute wieder mitgenommen und man hat endlich wieder eine gewisse Euphorie gespürt. Auch auf Mallorca hat man die Euphorie gemerkt und deshalb gab es nur sehr wenige kurze Momente, in denen ich vielleicht ein bisschen bedröppelt war.

Als Team waren sie mit Bayer 04 überragend erfolgreich. Sie persönlich haben gegen Ende nicht mehr so viele Spiele von Beginn an gemacht, ihre Hinrunde war stärker. Wie bewerten Sie also persönlich die vergangene Saison?

Im Großen und Ganzen war es auch für mich persönlich sehr erfolgreich. Hinten raus waren es für mich vielleicht nicht mehr so viele Spiele von Beginn an, aber in der Regel habe ich trotzdem immer mindestens einmal die Woche von Anfang an gespielt. Aber ich habe natürlich für weniger in der Rückrunde gesorgt. Ich hoffe, ich kann da jetzt wieder an die Hinrunde anknüpfen. Aber generell bin ich kein Typ, der sich einen Kopf macht. Ich hatte solche Phasen schon öfter in der Karriere. Generell bin ich sehr zufrieden, man muss auch mal die persönliche Betrachtung hintenanstellen und das große Ganze sehen. Und das war aufgrund des Erfolgs der Mannschaft einfach phänomenal.

Xabi Alonso sagt stets, Sie seien ein sehr intelligenter Spieler. Fühlen Sie sich manchmal zu kritisch betrachtet, weil es manchmal nicht ganz so offensichtlich ist, was Sie zum Spiel beitragen?

Als ich das erste Mal in meiner Karriere eine Phase ohne Scorerpunkte hatte, habe ich das mal so öffentlich angesprochen. Für manche ist es nicht immer offensichtlich, was ich zum Spiel beitrage. Aber ich will nicht davon sprechen, dass ich ungerecht behandelt werde. Denn wichtig ist, dass ich das weiß und dass der Trainer das weiß - und der Trainer weiß das. Ich bin jetzt lange genug dabei, um zu wissen, wie ich damit umgehe.

Jonas Hofmann beim Torjubel

Jonas Hofmann beim Torjubel

Als Sie im vergangenen Sommer nach Leverkusen gekommen sind, lief der Abschied aus Gladbach nicht ganz so geräuschlos. Ist es jetzt umso schöner das Double vorzeigen zu können?

Wenn mir jetzt einer gegenübersitzen würde und den Wechsel immer noch kritisieren würde, dann würde ich schon sagen: Ey, guck mal, was wir erreicht haben. Jeder Spieler will Trophäen gewinnen, will Titel gewinnen. Ich hatte das Gefühl, dass ich das in Leverkusen erreichen kann. Jetzt habe ich alle Argumente auf meiner Seite.

Wann haben Sie denn in der Saison gemerkt, dass der Meisterschaftstitel wirklich realistisch ist?

Das Potenzial hat man schon früh gesehen – zum Beispiel beim Spiel in München. Das war ein herausragendes Fußballspiel von beiden Seiten. Wir sind nach dem späten 1:2 nochmal zurückgekommen. Da hat es angefangen, dass wir hinten raus noch Tore gemacht haben. So richtig an den Titel geglaubt, habe ich nach dem Rückspiel gegen die Bayern. Viele hatten davor gesagt: Wenn die Bayern da sein müssen, sind sie auch da, es wird zum Wechsel an der Spitze nach dem Spiel kommen. Immer wieder haben einige gedacht, wir patzen. Nach dem 3:0 gegen Bayern hat es aufgehört: Da haben alle gemerkt: Oh, jetzt muss man die Leverkusener wirklich ernst nehmen. Es war ein Fünf-Punkte-Abstand und die Bayern sind mit einem sehr negativen Gefühl zurückgeflogen. Das war auch der Moment, als ich gedacht habe: Jetzt klar im Kopf bleiben, weiter unser Ding durchziehen, dann wird das was.

Es wirkt so, als würde der Klub mittlerweile komplett in sich ruhen. Auf allen Ebenen herrscht Ruhe. Ist das vielleicht das entscheidende Faustpfand für weiteren Erfolg?

Zu 100 Prozent, das unterschreibe ich sofort. Dieses Gefühl hatte ich damals schon, als ich gekommen bin. Und je länger ich hier bin, desto mehr merke ich, wie die einzelnen Abteilungen arbeiten. Es muss nicht immer alles perfekt harmonisch sein, aber es läuft einfach. Jeder macht sein Ding. Es ist auch das, was Xabi den Spielern mitgibt: Erledige deine Aufgabe, mach dein Ding und dann sind wir als Gefüge erfolgreich. Und dieses Gefühl habe ich auch außerhalb des Rasens. Wenn im Verein alles stimmt, ist meines Erachtens die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir auf dem Platz mehr Erfolg haben. Viele sagen: Hä, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich kann da auch keine richtige Antwort geben, das ist eher ein Gefühl, man spürt es einfach, wenn man lange schon dabei. Und ich unterschreibe zu 100 Prozent, dass hier in Leverkusen gerade alles stimmt.

Wie gefährlich ist das Thema Selbstzufriedenheit nach dieser erfolgreichen Saison?

Ein gutes Beispiel ist das erste Testspiel gegen Essen. Wir sind einfach rausgegangen und jeder hat wieder das erledigt, was er zu tun hat. Da ist es bei uns egal, ob es ein Testspiel gegen Essen oder ein Bundesligaspiel gegen den FC Bayern ist. Wir gehen raus, wollen dieses Spiel gewinnen und jeder fokussiert sich voll auf seine Aufgabe. Das merkt man auch im Training. Wenn man ein Auge dafür hat, wenn man einzelne Spieler beobachtet, wie sie das umsetzen, was der Trainer will, wie sie in den einzelnen Situationen ihr Ding machen, dann spürt man: Hier wird keiner auch nur ein Prozent weniger machen.

Wie sehr freuen Sie sich auf die Champions League-Hymne?

Sehr, sehr, sehr, sehr, sehr. Das ist das Sahnehäubchen auf die vergangene Saison. Es wird ein besonderer Moment, wenn die Hymne gespielt wird. Oder vielleicht schon, wenn wir mit dem Champions League-Ball die Tage vor dem Spiel trainieren. Das werden sehr prägende und beeindruckende Momente, die man in seinem Leben nicht vergessen wird. Champions League ist einfach Champions League. Jeder, der schon mal Champions League gespielt hat, weiß, was das ausmacht. Diese Hymne setzt nochmal eine andere Energie frei, das muss man schon sagen.

Sind Sie jemand, der sich persönliche Ziele für die Saison setzt?

Ich setze mich jetzt nicht hin und schreibe mir das auf. Im Kopf gehe ich das aber schon durch: Was soll mein Anspruch sein? Was will ich erreichen? Am liebsten will ich in jedem Spiel spielen und in jeder Partie einen Scorerpunkt machen. Ich bin unfassbar ehrgeizig. Wenn ich nach Hause komme und habe ein Tor gemacht, aber in einer anderen Situation eine Chance vergeben habe, ärgere ich mich noch über die Situation und dass ich das zweite nicht gemacht habe.

Sie können noch ein paar Jahre Fußball spielen, aber irgendwann macht man sich ja doch Gedanken, was kommt danach? Wenn Sie Xabi Alonso so sehen, kriegt man da nicht auch Lust auf den Trainerjob?

Es gab Zeiten, da habe ich gesagt, dass das gar nichts für mich ist, aber jetzt, mit dem älter werden bekomme ich das Gefühl, dass es schon Spaß machen könnte. Ich gucke auch ab und einem Kumpel in der Landesliga oder Verbandsoberliga zu. Manchmal denke ich: Wenn ihr jetzt das oder das machen würdet, hätte das so einen großen Einfluss auf euer Spiel. Vielleicht würde ich also doch gerne Trainer werden. Die Frage ist dann, ob das auf Top-Niveau sein muss, oder weiter unten, bei einem Dorfverein, vielleicht bei einer Jugendmannschaft. Ich kann mir schon vorstellen, mich zeitnah in die Richtung vorzubereiten. Granit (Xhaka, Anm. d. Red.) macht das ja auch schon. Ich habe ebenfalls überlegt, mich für einen Lehrgang anzumelden, aber eine Entscheidung darüber habe ich noch nicht gefällt. Aber ja, es könnte eine Option sein, Trainer zu werden.